mica-Interview mit Catch-Pop String-Strong

Die aus Serbien stammende Jelena Popržan und die Kosovo-Albanerin Rina Kaçinari fallen nicht nur mit ihrer Kombination aus Bratsche und Cello auf. Die beiden Wienerinnen sind laut und leben sich musikalisch voll aus – von ihrem Klassik-Background bis zu Pop, von Folklore bis Ska ist vieles dabei. Demnächst gastieren die beiden, die zuletzt für Konzerte von den USA bis in die Türkei kamen, beim niederösterreichischen Weltmusik-Festival Glatt & Verkehrt. Am 5.7. spielen sie in der Fesslhütte Dürnstein, als Gast begrüßen sie die mit südosteuropäischer Musik beschäftigte US-Sängerin Eva Salina Primack. Ihren Interviewtermin mit Sebastian Fasthuber hätten sie fast verschlafen. Das Gespräch fand am ersten freien Vormittag des Duos seit längerer Zeit statt.

Ihr wurdet vom Außen- und Kulturministerium für das Programm The New Austrian Sound of Music (NASOM) 2012/13 ausgewählt und bei Konzerten im Ausland unterstützt. Seid Ihr viel herumgekommen?
Jelena: Ja, wir waren viel unterwegs und wir haben noch einiges vor uns.
Rina: Allein der letzte Monat war ein Wahnsinn: Wir waren in Amerika und Kanada, haben eine Serbien-Tour und bei einem Festival in Slowenien gespielt. Jetzt waren wir gerade in Graz, vorher in München und Braunschweig.
Jelena: Du hast die Gipfelklänge in Göstling vergessen. Und davor war Istanbul, da war noch Ruhe vor dem Sturm.

Ihr reist so viel wie Popstars.
Rina: Ja, wobei ich nicht glaube, dass Beyoncé nach Braunschweig kommt. (Lacht) Es gäbe so viel aufzuzählen. Man ist immer nur damit beschäftigt, was gerade ist. Von den letzten 40 Tagen waren wir 30 unterwegs.
Jelena: Es schaut so aus, als wären wir im Ausland die Hauptvertreterinnen der österreichischen Musik. Wir repräsentieren bei einem Festival in Usbekistan Ende August sogar die österreichische Volksmusik. Eine Serbin und eine Kosovo-Albanerin machen das.
Rina: Ja, sicher. Wer denn sonst? (Lacht) Das ist ein Wettbewerb dort. Wir sind als österreichische Vertreterinnen ausgesucht worden. Ich stelle mir das wie eine Art Eurovision Song Contest vor.
Jelena: Das hoffst du. Das sind deine geheimen Hoffnungen.
Rina: Keine geheimen, meine ehrlichen.

Ich nehme an, Ihr könnt inzwischen von der Musik leben.
Rina: Ja, aber es bleibt wenig Zeit für andere Sachen. Ich habe ein Kind und einen Mann, oft ist es schwer mit der Zeiteinteilung. Meine Regel ist: Ich spiele nur mehr Sachen, die mich wirklich interessieren. Das ist eine sehr gute, privilegierte Position. Nebenbei unterrichte ich noch an einer Musikschule in Niederösterreich, einen Tag pro Woche.

Ihr habt beide eine klassische Ausbildung genossen. Habt Ihr dem klassischen Konzertbetrieb mit Catch-Pop String-Strong bewusst den Rücken gekehrt?
Rina: Darüber haben wir uns nie so richtig Gedanken gemacht, oder?
Jelena: Mir war schon ungefähr klar, was das werden soll. Ich wollte ein Projekt machen, das unabhängig von meiner klassischen Sozialisation und Ausbildung funktioniert. Catch-Pop String-Strong soll all das beinhalten, wozu ich vorher mit meinem Instrument keinen Zugang hatte. Mich hat klassische Musik interessiert, aber ich wollte nicht mein Leben lang in einem Orchester sitzen. Rina ging es ähnlich.
Rina: Ich bin nach dem Studium in Maribor im Opernorchester gelandet. Man sitzt meistens im Graben und sieht nicht, was auf der Bühne passiert. Mir wurde klar: Bis zur Pension stelle ich mir das nicht so vor. Ich habe vor acht Jahren gekündigt und bin nach Wien gegangen. Das war die richtige Entscheidung.

Wie habt Ihr Euch kennengelernt?
Rina: Kennengelernt haben wir uns bei einem Musical-Festival in Graz, wo wir das Stück Dracula gespielt haben. Das war einfach ein Job für uns beide. Miteinander gespielt haben wir als erstes in einem klassischen Quartett, und zwar Schostakowitsch. Dann waren wir als Teil von einem Projekt in Slowenien, mit der Terrafolk-Band. Die machen World Music und Punk. Was wir gemeinsam machen, hat sich einfach so ergeben.
Jelena: Wir haben unser Ding gesucht und gefunden.

Eure Musik spannt einen Bogen von Klassik bis Punk, von Tango bis Ska. Greifen da Begriffe wie World Music oder Folklore überhaupt?
Jelena: Unsere erste CD ist unter World Music rausgekommen, weil das die größte Schublade ist. Da kann man viel hineinstecken. Unsere Konzerte sind auch als Pop bezeichnet worden, als Avantgarde-Crossover, Folklore, Klassik, Neue Welt- und Volksmusik oder Balkan-Sound.
Rina: Keine dieser Bezeichnungen trifft ganz, aber vielleicht treffen alles ein bisschen zu.
Jelena: Musik ist Musik, nicht Klassik oder Rock oder Jazz. Es freut uns, dass wir noch nicht die richtige Bezeichnung gefunden haben. So bleibt es auch für uns spannend.

Die Kombination Bratsche und Cello ist ungewöhnlich. Kann man in der Besetzung grundsätzlich alles spielen oder welche Begrenzungen gibt es?

Jelena: Die Instrumente sind natürlich begrenzt in ihrem Umfang. Aber das ist die einzige Begrenzung. Wenn man will, kann man jede Musikrichtung spielen.
Rina: In der klassischen Musik gibt es für diese Kombination ganz wenig Repertoire. Vielleicht ein paar Bearbeitungen, aber nichts Zufriedenstellendes. In der Neuen Musik würde man sicher etwas finden. Heutzutage schreiben die Leute ja schon für alle Kombinationen.

Bei Catch-Pop String-Strong stehen eine Serbin und eine Kosovo-Albanerin gemeinsam auf der Bühne. Ist das wichtig?
Jelena: Die Leute scheint es sehr zu interessieren, für uns war es nie so wichtig. Eine Bedeutung hat es vor allem für die, die in den jugoslawischen Kriegen viel schlimmeres erlebt haben als wir und hier wo man diese Auseinandersetzungen mitbekommen hat. Für manche haben wir sicher Symbolcharakter. Aber wir sind kein Friedensprojekt.
Rina: In einigen Ländern, wo wir spielen, bin ich mir nicht sicher, ob das Publikum überhaupt weiß, woher wir kommen.
Jelena: Viel wichtiger bei unseren Konzerten ist die Kommunikation mit dem Publikum. Wir haben das schon ganz ungezwungen und natürlich geschafft. Insofern geht es auch in Richtung Show, was es aber nicht ganz ist. Jedes Konzert ist ein Ereignis für sich.
Rina: Man kann zu jedem Konzert von uns kommen. Es ist immer was Anderes.

Wie wird das Konzert bei Glatt & Verkehrt aussehen?
Jelena: Wir treten auf mit Eva Salina Primack, einer jungen, sehr talentierten Sängerin aus den USA, die wir in New York getroffen haben. Wir haben sie vorher nicht gekannt, wurde uns vorgeschlagen. Schau ma, was rauskommt. Sie ist bereits hier, ein paar Besprechungen hatten wir schon.
Rina: Es ist immer spannend, wenn jemand kommt, der die Situation in der Band ändert. So oft gibt es das nicht.

Sind Euch die Konzerte wichtiger als Tonträger? Die Lebendigkeit Eurer Live-Darbietung kann eine CD ja kaum transportieren.

Jelena: Es ist harte Arbeit, bis es gut klingt.
Rina: Speziell beim Erstling. Da haben wir viel ausprobiert. Jetzt wissen wir schon mehr.
Jelena: Aber die Live-Situation schlägt für uns alles. Und wir hören das auch oft von Leuten: Catch-Pop String-Strong ist live am spannendsten.

Wären da nicht ein Livealbum oder eine DVD zu überlegen?

Jelena: Das wäre schön. Ich glaube, langsam brauchen wir jemand, der sich um solche Dinge kümmert und uns entlastet.

Ihr habt noch keinen Manager?
Jelena: Wir haben jemand, der das Booking macht, aber kein Management.

Seid Ihr im letzten Jahr überhaupt dazu gekommen, neues Material zu schreiben?
Jelena: Ja, schon. Irgendwann hat man selber genug vom Programm, das man spielt. Da entsteht der Wunsch, neues Material zu schreiben. Wir haben zwischendurch ein paar neue Sachen gemacht. Wir denken jetzt auch schon über die zweite CD nach. Darauf freuen wir uns.

Wie viel Diskussion oder Streit braucht es, bis Ihr beide mit einem Stück zufrieden seid?
Jelena: Volle Kanne. Gute Arbeit braucht gute, positive Auseinandersetzung. Daraus erst kann etwas entstehen.
Rina: Ich würde sagen: Je nachdem, wie Sterne und Mond stehen, dementsprechend ist es turbulenter oder weniger turbulent. Aber wir bleiben immer dabei, bis wir eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden haben. Und es ist nie so richtig Schluss, sondern immer alles in Arbeit, auch wenn die Stücke aufgenommen sind.

Zwei Fragen noch. Zunächst: Was bedeutet Wien für Euch?
Jelena: Mittlerweile ist es meist eine Station, um Koffer umzupacken.
Rina: Für mich ist Wien schon Zuhause. Hier lebe ich, wenn ich da bin, mit meiner Familie. Aber ich kann nicht sagen, dass ich für immer und ewig hier bleiben werde. Ich bin da noch offen, mit meiner Familie woanders hinzugehen, wenn es sich ergibt.
Jelena: Ich habe Wien immer als einen besonders fruchtbaren Boden gesehen. Hier gedeiht fast alles. Wenn ich in Serbien geblieben wäre, hätte ich es nicht so geschafft. Außerdem hätten Rina und ich uns gar nicht getroffen.

Letzte Frage: Wie sieht eigentlich Euer Publikum aus?

Jelena: Zuerst hatten wir ein sehr herzliches Multikulti-Publikum. Dann kam das Klassik-Publikum, die eher bürgerliche Schicht. In letzter Zeit habe ich auch vermehrt junge Leute gesehen, die sonst gern Rock hören. Beim Donauinselfest war ein Bursch mit Nirvana-T-Shirt total begeistert. Und zu unserer CD-Präsentation kamen zwei Männer mit Motorrad extra nach Wien angereist, die neben Ö1 ausschließlich Heavy Metal hören.
Rina: Wir haben inzwischen ein sehr breites Publikum. Besonders schön fand ich die 80-jährige Oma im Burgtheater, die meinte, unsere CD sei die erste nicht-klassische CD, die sie in ihrem Leben kauft.

Fotos Catch-Pop String-Strong: Mario Lang

 

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