
Die beiden ersten Wochen des Festivals wurden vom ORF Radio-Symphonieorchester unter Cornelius Meister mit der Sopransolistin Marisol Montalvo im Großen Konzerthaussaal eröffnet, die, so viel muss gesagt werden, mit ihrer stimmlichen Ausdruckskunst und ihrer Erscheinung die Aufführung von Pierre Boulez’ „Pli selon pli“ entscheidend prägte. Nicht minder eindrucksvoll geriet aber auch tags darauf die Aufführung von Salvatore Sciarrinos Madrigalstück „Carnaval“ durch das Klangforum Wien, das durch die Stimmen der Neuen Vocalsolisten Stuttgart wesentlich ergänzt wurde. „Voice“(s) – das stand also wirklich schon am Beginn von Wien Modern im Mittelpunkt.

Der Bariton Georg Nigl, der am Sonntag, den 8.11. den Zyklus „O Mensch!“ von Pascal Dusapin im Ankersaal der ehemaligen Brotfabrik präsentierte, überzeugte natürlich als Sänger, nicht aber durch die über eine Stunde dauernden Vertonungen teils fragwürdig pathetischer Texte von Friedrich Nietzsche. Auf eine sichere Bank konnte dagegen Stimmkünstlerin Angelika Luz mit berühmten Solostücken von Luciano Berio, John Cage oder Georges Aperghis setzen, die auch eine Komposition der in Wien lebenden HuiHui Cheng („La MaTa MaYaBaLa“ für Stimme und Objekte) zur Uraufführung brachte. Beeindruckend dann noch der Vokalartist David Moss mit „Vox Spectrál“.

Apropos Zorn: Im bedenklich schlecht besuchten Konzert des Arditti Quartet (der Mozart-Saal war bei ihrem bereits traditionell-ehrwürdigen Wien Modern-Auftritt halb voll) punktete das einleitende Streichquartett „The Remedy of Fortune“ von John Zorn, das seine Erfahrungen mit Jazz und experimenteller Musik unbekümmert assoziativ mit Dissonanzen, Geräuschen und Zitaten Neuer Musik kombiniert, ohne plakativ zu werden. Spannend geriet auch „The Weaver’s Knot“ von Liza Lim, das den Webknoten sich verschlingender Linien verfolgt. Neben Miniaturen von Lina Tonia und Hilda Paredes gab es auch ein „Streichquartett mit Live-Elektronik“ von Thomas Kessler, das den Instrumentalklang mit Samples symphonischer Musik konterkariert.
Der Erste Bank-Kompositionspreis an Peter Jakober

Beim Konzert des Klangforum Wien, das mit der Preisverleihung und einem folgenden Umtrunk im Berio-Saal verbunden war (leider gibt es dort keine Schinkenfleckerl mehr), sprang die ausgezeichnete polnische Sängerin und Komponistin Agata Zubel für die verhinderte Marisol Montalvo ein und brachte den Gesangspart in Bernhard Langs „Songbook“ DW 16 zu Gehör, das unter anderem Texte und Musik von Bob Dylan, Peter Hammill und Amon Düül II enthält. Stefan Prins bezieht sich in „Fremdkörper #3“ auf Michael Jackson, den Schluss des Abends markierte Jorge-Sánchez-Chiongs „Final Girl“. Durchaus von diesen Stücken abgesetzt erwies sich die preisgekrönte Komposition „Substantie“ von Peter Jakober, die die über Lautsprecher wiedergegebenen aufgezeichneten Multiphonics, sowie den Streichern über Kopfhörer zugespielten Click-Tracks und die eingesetzte Elektronik vergessen machen lassen. Bewundernswert sind der ruhige, fast melancholische Fluss der Musik und Jakobers exzellente Instrumentierungskünste.
Das Symphoniker-Konzert am 15. November gehörte dem Schlagzeugkonzert „into the open…“ von HK Gruber und dessen Percussionisten Colin Currie. Johannes Maria Staud steuerte nach der Pause das sehr gut komponierte Diptychon für Bruno Schulz „Zimt“ aus 2008-10 bei.
Pop, Tanz und Forschung in der dritten Festivalwoche

10 Uraufführungen und zahlreiche Erstaufführungen stehen auf dem Programm der Konzerte von ORF Radio-Symphonieorchester Wien, PHACE und subshrubs, Ensemble Kontrapunkte und in der Alten Schmiede. Im Mittelpunkt stehen heuer Komponistinnen, allein in dieser Woche sind Werke von elf Komponistinnen zu hören. Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit “Pop.Song.Voice” bietet das Symposion WIEN MODERN. Am 22. November findet im mica die Präsentation der Resultate der Publikumsbefragungen statt, die im Herbst 2014 bei drei großen Neue-Musik-Festivals in europäischen Metropolen durchgeführt wurden.
Heinz Rögl
Wiener Symphoniker (c) Stefan Olah
Whatever Works – Stefan Bleiberschnig, Shira Karmon, Michael Scheidl (c) Nurith Wagner-Strauss
Hannes Löschel (c) Mario Lang
Peter Jakober (c) Franz Reiterer
subshrubs (c) Rania Moslam
http://www.wienmodern.at