Diese Expertise zur Vertragspraxis am österreichischen Musikmarkt wurde von mica – music austria bereits im Jahr 2014 aufgrund mehrfacher Anfrage von Seiten der Kultursprecher*innen der verschiedenen im Parlament vertretenen Parteien anlässlich der damaligen Debatte zur Novellierung des Urheberrechts erstellt. Aus Anlass der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie in nationales Recht wird diese Expertise nun in überarbeiteter Form veröffentlicht.
Seit seiner Gründung im Jahr 1994, also seit mehr als 25 Jahren, informiert und berät mica – music austria Musikschaffende und deren wirtschaftliches Umfeld und klärt deren Fragen, die das Musikbusiness aufwirft.
Seit dem Jahr 2006 bietet mica – music austria eine kostenlose Rechtsberatung an, die in enger Kooperation mit dem Rechtsanwalt Wolfgang Renzl für österreichische Musikschaffende und für deren wirtschaftliches Umfeld durchgeführt wird. Jährlich finden ca. 1300 Beratungen statt, davon sind ca. 30% rechtlicher Natur. Pro Jahr werden mica – music austria ca. 250 Musikverträge vorgelegt, zu einem großen Teil handelt es sich dabei um Tonträgerverträge. Das liegt daran, dass im Vergleich dazu die Vertragsmuster der Verlage im Musikbereich relativ standardisiert und einigermaßen einfach zu verstehen sind. Ebenso verhält es sich bei Verträgen mit Konzertagenturen, Veranstaltern oder Managern.
Österreichische Musikschaffende sind eingeladen, sich die meist sehr komplexen Tonträgerverträge erklären und vor der Unterzeichnung überprüfen zu lassen; auch Labels, Verlage oder Manager können sich Feedback holen, ob ihre Verträge ausgeglichen und fair sowie rechtlich korrekt und verständlich formuliert sind. Zu diesem Zweck hat mica – music austria auch ausgewogene Musterverträge in deutscher und englischer Sprache verfasst, die kostenlos genutzt werden können. mica – music austria will mit diesen Maßnahmen zum einen die Privatautonomie der Musikschaffenden stärken, zum anderen innerhalb der Branche ein Bewusstsein für die Notwendigkeit klarer und für beide Seiten akzeptabler Vertragsbedingungen schaffen, als Basis für eine dauerhafte und gute Zusammenarbeit.
Die Vertragsmuster kommen von professionellen Dienstleistern aus der Musikwirtschaft, dementsprechend spiegeln die Vertragsbedingungen deren Interessenlagen. Auch im Independent-Bereich, sind vorwiegend bei weniger professionell agierenden Firmen sehr ähnliche Vertragsmuster in Verwendung, teils ohne böse Absicht und in Unkenntnis der Möglichkeit alternativer Regelungen. In manchen Fällen werden diese Verträge sogar von beiden Vertragspartnern nicht ausreichend verstanden. Auch in den auf den ersten Blick sehr fairen 50/50 Deals der Indies finden sich allzu oft nachteilige Regelungen für die Musikschaffenden. Dennoch soll hier darauf hingewiesen werden, dass ein Teil der österreichischen Labels, vor allem im immer professioneller agierenden Independent Bereich, durchaus faire Verträge anbietet und erfolgreich agiert. Einige verwenden sogar die Musterverträge von mica – music austria.
Die EU-Urheberrechtsrichtlinie (im folgenden Text Richtlinie genannt) sieht vor:
Artikel 18. Grundsatz der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung: Damit ist das Recht auf eine angemessene und verhältnismäßige Vergütung gemeint. Diesem zugrunde liegen die Grundsätze der Vertragsfreiheit und des fairen Ausgleichs der Rechte und Interessen.
Artikel 19. Transparenzpflicht: Das ist eine Auskunftspflicht betreffend jene Einnahmen, die durch die Verwertung der Werke erzielt werden. Sie trifft die direkten Vertragspartner*innen (z.B. Labels) und die Sublizenznehmer*innen (z.B. Streaming-Plattformen, Radios) der Kreativen.
Artikel 20. Vertragsanpassungsmechanismus: Sogenannte Bestsellerklausel. Urheber*innen und ausübende Künstler*innen haben das Recht, eine zusätzliche, angemessene und faire Vergütung von ihrem Vertragspartner zu bekommen, wenn die ursprünglich vereinbarte Vergütung sich als unverhältnismäßig niedrig erweist.
Artikel 21. Alternative Streitbeilegungsverfahren: In den Bereichen Transparenzpflicht und Vertragsanpassungsmechanismus sollen Streitigkeiten zum Gegenstand eines freiwilligen, alternativen Streitbeilegungsverfahrens gemacht werden. Der Staat hat sicherzustellen, dass die Vertretungsorganisationen der Kreativen dies tun können.
Artikel 22. Widerrufsrecht: Im österr. Urheberrecht in § 29 und § 30 bereits vorhanden, in § 31 auch für zukünftige Werke.
Die Initiative Urhebervertragsrecht (im folgenden Text Initiative genannt) ist ein Zusammenschluss von österreichischen Künstler*innen-Vereinigungen (Urheber*innen und ausübende Künstler*innen), der sich für eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich des Urheber(vertrags)rechts und Verwertungsgesellschaftenrechts in Österreich einsetzt. Sie hat dazu Forderungen und einen Vorschlag für einen Gesetzestext ausgearbeitet, der als Diskussionsgrundlage für den Dialog der Interessengruppen, zu dem die Initiative einlädt, dienen soll.
Die folgenden Erläuterungen beziehen sich auf jenen Ausschnitt aus der Vertragspraxis, der durch mica – music austria behandelt wird. Dies ist keine Darstellung, die das Gesamtbild der Problemlagen im Vertragsbereich des Musikbusiness wiedergibt.
Problematische Vertragspunkte in Tonträgerverträgen
In der Praxis von mica – music austria kommen nachstehende problematische Punkte in Verträgen immer wieder vor.
1. Definition der Gegenleistung
In den Vertragsmustern der Akteure der Musikwirtschaft finden die Gegenleistungen keine Erwähnung. Das bedeutet, dass die Musikschaffenden oftmals nicht wissen, was sie für die langfristige und umfassende Rechteabtretung als Gegenleistung erhalten. Etwaige Gegenleistungen wie Zeitpunkt der Veröffentlichung, Gebiete in denen veröffentlicht wird, Höhe der ersten Auflage, Vertriebsbemühungen, Umfang der PR-Vorhaben, Marketingbudget etc. werden offengelassen, was die Gegenleistung zur bloßen „Hoffnung“ herabsinken lässt: In vielen Plattenverträgen sind seitenweise Pflichten der Musiker*innen und Rechte, die sie der Plattenfirma übertragen, aufgelistet, die Gegenleistung der Labels ist allerdings nicht definiert.
Ist weder in der EU-Richtlinie noch im Urheberrechtsgesetz geregelt. Das bestehende Widerrufsrecht kann in diesem Fall nicht greifen, weil die Leistung nicht definiert ist.
Lösung: Vertragliches Sichtbarmachen der konkreten Dienstleistungen und der eingesetzten Budgets.
2. Überschießende Rechteübertragung („360°-Deals“)
In einem sogenannten 360°-Deal werden in Plattenverträgen zusätzlich zu Beteiligungen an der Auswertung der Aufnahmen Verlags- und Merchandisingrechte sowie Beteiligungen an den Konzerteinnahmen eingeräumt. Wiederum wird aber keine Gegenleistung der Plattenfirma formuliert. Durch diese Praxis wird darüber hinaus die Wahlfreiheit der Musikschaffenden, sich für die jeweiligen Bereiche jeweils geeignete Partner zu suchen, eingeschränkt.
Im Rahmen von 360°-Deals sind auch Beteiligungen an Einnahmen der Musikerin / des Musikers, die nichts mit den Leistungen der Tonträgerverwerter zu tun haben, durchaus üblich z.B. „An Auftritten von Künstlern die nicht durch Firma X vermittelt wurden, erhält Firma X eine Beteiligung in Höhe von 10%“. Das führt für die / den Musiker*in zu mehrfachen Abschlägen von seinen Einnahmen, da der eigentliche Vermittler der Leistung, in diesem Fall des Konzertauftritts, natürlich auch an den Einnahmen des Künstlers beteiligt wird.
Immer wieder finden sich Vertragsmuster, in denen sich die Akteure der Musikwirtschaft exklusive Rechte an den Kennzeichen-, Marken-, Domain-, Social-Media-Account- und Bildnisrechten einräumen lassen. Das ist z.B. deswegen problematisch, weil die Künstler*innen in Folge keine eigene Website mehr betreiben können.
Kommt in der EU-Richtlinie nicht vor. Die Initiative Urhebervertragsrecht fordert deswegen einen Schutz vor ausufernder Abtretung von Nutzungsrechten. Im Zweifelsfall soll es möglich sein, die Rechteübertragung auf den eigentlichen Vertragszweck einzuschränken, im Fall eines Vertrags mit einem Label also auf jene Rechte, die zur Verwertung von Tonträgern benötigt werden – und nicht auch Verlags-, Merchandising-, Bild- oder sonstige Rechte.
3. Transparente und angemessene Einnahmenbeteiligung
Die Beteiligungsregelungen in Plattenverträgen sind sehr oft undurchsichtig und führen zu einer extrem niedrigen Beteiligung der Musikschaffenden am wirtschaftlichen Erfolg.
Von einer Grundbeteiligungsquote erfolgen mehrfache Reduktionen, die sowohl an der Quote selbst, als auch an der Einnahmenberechnung ansetzen.
Dazu ein Beispiel: Es gibt eine grundsätzliche Umsatzbeteiligung, die auf einem Prozentsatz von einem Händlerabgabepreis basiert, dessen Höhe im Vertrag allerdings nicht definiert und der / dem Künstler*in nicht bekannt ist. Von dieser Umsatzbeteiligung am Händlerabgabepreis in Höhe von 20% werden Technikkosten in Abzug gebracht, bei einer CD sind das nochmals 20%. Von dieser reduzierten Summe werden bei Verkäufen im Ausland nur noch 66,6% angerechnet, sollten diese Verkäufe über Mailorder abgewickelt worden sein, reduziert sich dieser Betrag wieder auf die Hälfte, sollte dafür auch Werbung gemacht worden sein (wobei das Ausmaß derselben nicht klar definiert ist) gibt es von diesem Betrag wiederum nur 66,6%. Im Endeffekt bleiben der / dem Musiker*in meist nur Centbeträge pro verkauftem Tonträger.
Dieser hier relativ einfach formulierte Sachverhalt wird üblicherweise in seitenlangen Paragraphen mit Querverweisen auf andere Paragraphen dargestellt. Dazu wieder ein übliches Beispiel, dem Beginn des Paragraphen „Entgelt“ in einem Tonträgervertrag entnommen: „Als Entgelt für die Übertragung seiner Rechte und aller anderen Rechte lt. §2 und für alle sonstigen vertragsmäßigen Leistungen (insbesondere §5) erhält der Produzent für jede verkaufte Einheit (alle Formate auch incl. Download, Ringtone, Voicedienste, M-Commerce usw.) mit Vertragsaufnahmen (ausgenommen Retouren, siehe Abs. 7) eine Umsatzbeteiligung auf der in Abs. 5 geregelten jeweiligen Preisbasis (abzüglich Verpackungs- und Technikkosten, siehe Abs. 3).“
Das österrr. Recht sieht bisher nur eine allgemeine zivilprozessualrechtliche Rechnungslegungspflicht vor. In Verträgen mit Verwerter*innen ist die Bucheinsicht durch vertraglich zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichteten Personen (Steuerberater*innen, Wirtschaftsprüfer*innen, Rechtsanwälte/innen) aus Sicht unserer Beratungspraxis Usus. Für den Großteil der Musikschaffenden ist diese Bucheinsicht allerdings nicht leistbar.
Die Richtlinie sieht nun eine Transparenzpflicht vor.
Sämtliche erzielten Einnahmen sowie fällige Forderungen gegenüber denjenigen, denen Lizenzrechte erteilt oder denen Rechte übertragen wurden, müssen mindestens einmal jährlich offengelegt werden. Das könnte dazu führen, dass Verträge übersichtlicher gestaltet werden. Allerdings lassen sich heutzutage komplexe administrative Sachverhalte mittels entsprechender Software auf Knopfdruck darstellen. Die Transparenzpflicht führt also unter Umständen eher nur bei jenen zu klareren Verträgen, die nicht auf teure digitale Verwaltungs- und Controllingtools zurückgreifen können.
Zur angemessenen Einnahmenbeteiligung:
Die Initiative fordert Anspruch auf ein angemessenes Nutzungsentgelt in Form einer gesetzlich verankerten Umsatzbeteiligung. Eine solche könnte in Form von Rahmenverträgen durch die Interessenvertretungen der Kunstschaffenden und der Verwerter*innen ausverhandelt werden. Die Initiative fordert einen solchen Schutz durch ein kollektives Urheberrecht. In einem weiteren Schritt könnten die Verwertungsgesellschaften diese Vergütung gleich direkt mit den Musikschaffenden abwickeln. Über die praktische Handhabung – Kostenabzüge durch Aggregatoren, Berücksichtigung von Investitionen beider Seiten, Break-Even-Regelungen, Vorschüsse u. ä. – wäre zu diskutieren bzw. könnte eine Berücksichtigung von Abzügen/Vorschüssen in Analogie zur Handhabung von Musikverlagsvorschüssen durch Verwertungsgesellschaften erfolgen.
Der in der Richtlinie vorgesehene Vertragsanpassungsmechanismus (die sog. „Bestsellerklausel“) führt zumindest dann, wenn der Tonträger zum Bestseller wird, also außergewöhnliche Verwertungserlöse erzielt, die sich im Vergleich zur ursprünglich vereinbarten Vergütung als zu niedrig herausstellen, zu einer angemessenen Vergütung.
4. Produktionskosten
Die Kosten der Produktion des Masterbandes werden am österreichischen Markt meist von den Musikschaffenden selbst getragen, die Leistungsschutzrechte des Produzenten werden aber trotzdem vertraglich den Labels übertragen. Diese Rechte wären aber als Gegenleistung für ein finanzielles Risiko, das Produzenten eingehen, gedacht. Oftmals verpflichtet sich die der Künstler zusätzlich zu einer Fixabnahme (Ankauf) von so großen Stückzahlen, dass er über die Produktion des Masterbandes hinaus de facto auch die Kosten der Tonträger-Produktion (Pressung, Cover, etc.) trägt.
Dieses Problem wird in der Richtlinie im sogenannten Grundsatz der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung angesprochen aber nicht gelöst.
Urheber*innen bzw. ggf. auch Musiker*innen gehen mit ihrer Investition in die Tonträgerproduktion ein hohes unternehmerisches Risiko ein. Diese Investition besteht neben tatsächlichen Kosten auch aus der eigenen Arbeit. Fair arbeitende Labels berücksichtigen diese Investitionen in der Einnahmenbeteiligung.
5. Dauer
Es gibt unterschiedliche Fristen in Verträgen, welche aber nur in seltenen Fällen klar ersichtlich definiert sind:
Vertragsdauer – diese regelt die Dauer von allerlei Vereinbarungen, die im Vertrag geregelt sind (etwa das Verfügbarsein für Videoaufnahmen oder Promotionauftritten, den Internetauftritt, verschiedene Beteiligungen…), betrifft aber nicht die Dauer der Rechtsübertragung für die Auswertung der Aufnahme (=Auswertungszeitraum).
Auswertungszeitraum – wenn dieser in einem Vertrag nicht anders definiert ist, gilt für die Rechte an der Aufnahme als Auswertungszeitraum die Dauer der gesetzlichen Schutzfrist (70 Jahre nach Veröffentlichung der Aufnahme) und nicht, wie oftmals fälschlich angenommen, die viel kürzere Vertragsdauer.
Dauer der persönlichen Exklusivität – eine persönliche Bindung der Vertragspartner an die Firma, der Künstler darf also nur mir dieser einen Firma zur Herstellung von Aufnahmen und Videos zusammenarbeiten. Das Urheberrechtsgesetz sieht die Dauer einer persönlichen Bindung von maximal einem Jahr vor. Diese Regelung ist in zwei Paragraphen festgelegt, allerdings gut versteckt:
UrhG §31 (2) „Hat sich der Urheber verpflichtet, einem anderen Werknutzungsrechte an allen nicht näher oder nur der Gattung nach bestimmten Werken einzuräumen, die er zeit seines Lebens oder binnen einer fünf Jahre übersteigenden Frist schaffen wird, so kann jeder Teil den Vertrag kündigen, sobald seit dessen Abschluß fünf Jahre abgelaufen sind. Auf das Kündigungsrecht kann im Voraus nicht verzichtet werden. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate, wenn keine kürzere Frist vereinbart ist. Durch die Kündigung wird das Vertragsverhältnis nur hinsichtlich der Werke beendet, die zur Zeit des Ablaufs der Kündigungsfrist noch nicht vollendet sind.“
UrhG §68 (4) „Die §§ 11, 12, 13, § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 1 und 3, §§ 16a, 18a, 23, 24, § 25 Abs. 1, 2, 3 und 5, §§ 26, 27, § 28 Abs. 1, §§ 29, 31, 32, 33, 59a und 59b gelten entsprechend; an die Stelle der im § 31 Abs. 2 genannten Frist von fünf Jahren tritt jedoch eine solche von einem Jahr.“
Trotz dieser Regelung sehen Vertragsmuster sehr oft eine persönliche Bindung der Musikschaffenden von vielen Jahren vor, die zudem noch mit Optionszeiträumen von Seiten der Plattenfirmen einseitig verlängert werden können. Diese langfristigen Verträge sind insbesondere beim Nichterfüllen der (hoffnungsvollen) Erwartungen problematisch.
Vertragsfristen an und für sich werden in der Richtlinie nicht geregelt. Im österr. Urheberrecht ist allerdings das in der Richtlinie vorgesehene Widerrufsrecht in § 29 bereits vorhanden. Es sieht vor, dass das Vertragsverhältnis gelöst werden kann, wenn von einem Werknutzungsrecht kein oder nur unzureichender Gebrauch gemacht wird (In der Richtlinie: wenn das Werk nicht verwertet wird). Im österr. Urheberrecht und in der Richtlinie ist die Voraussetzung, dass den Urheber kein Verschulden daran trifft. Das Widerrufsrecht läuft in Zeiten der Online-Verwertung unter Umständen leer (siehe Punkt 6.). Eine gesetzliche Befristung, wie in Punkt 10 der Forderungen der Initiative vorgesehen, wäre wünschenswert. In Punkt 4 der Forderungen ist festgehalten, dass zukünftige Rechte und Nutzungsarten weiterhin eingeräumt werden können, dass dies aber künftig nur schriftlich möglich sein soll und es ein Recht auf Zusatzvergütung geben soll.
6. Rechterückfall
Die Online-Vertriebsmöglichkeit bringt es mit sich, dass das passive Abrufbarhalten der Inhalte auf Download- oder Streamingplattformen bereits als Verwertungstätigkeit anzusehen ist. Damit könnte das Sonderkündigungsrecht des § 29 Abs 1 UrhG leer laufen, das dem Musikschaffenden ein Kündigungsrecht im Falle der Nichtausübung durch seinen Vertragspartner gewährt.
Eine gesetzliche Befristung, wie in Punkt 10 der Forderungen der Initiative vorgesehen, wäre wünschenswert. Siehe auch Punkt 5. Dauer im vorliegenden Artikel.
7. Zustimmungsvorbehalte
In den Bereichen, in denen die künstlerische Integrität gefährdet ist (z.B. Synchronisation für Film oder Werbung, Remix) oder die Kosten schafft, die dem Musiker weiterverrechnet werden können, ist in den Vertragsmustern vielfach nur ein (belangloses) Mitspracherecht vorgesehen. Ein Beispiel: „50% der Produktionskosten von Musikvideoaufnahmen einschließlich Reisekosten und Spesen sind mit Umsatzbeteiligungen des Partners (= der Musikschaffende) verrechenbar.“ Die Künstler können nicht über die Höhe der Kosten mitbestimmen, verpflichten sich aber, diese mitzutragen. Das führt oftmals dazu, dass es niemals zu Auszahlungen aus den Tonträgerverkäufen kommt, weil die Produktionskosten dieses Ausmaß übersteigen. Hier kommt es zu einer unverhältnismäßigen Gewichtung von Einnahmenbeteiligung (20% abzüglich Abschläge) und Kostenbeteiligung (50%).
Dies betrifft den in der Richtlinie vorgesehenen Grundsatz der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung, die ebenso vorgesehene Transparenzpflicht sowie gegebenenfalls in weiterer Folge das im österr. Recht bereits vorhandene Widerrufsrecht.
Problematische Vertragspunkte in Verlagsverträgen
Obwohl wie oben angemerkt diese Verträge relativ einfach zu verstehen sind, könnte man in Sachen Transparenz und Klarheit sowie in Bezug auf die Auswertungsdauer Verbesserungen anstreben. Verlagsverträge gelten in der Regel für die Dauer der gesetzlichen Schutzfrist. Musikschaffende sind immer wieder erstaunt, dass sich hinter dieser Formulierung die Bedeutung „bis 70 Jahre nach dem Tod des letzten Urhebers“ verbirgt. Man unterschreibt also einmal und vergibt die Rechte an den vertragsgegenständlichen Werken jedenfalls für die Dauer der eigenen Lebenszeit, ganz gleich wie zufrieden man mit der Zusammenarbeit ist.
Vertragsfristen werden in der Richtlinie nicht geregelt. Im österr. Urheberrecht ist das in der Richtlinie vorgesehene Widerrufsrecht in § 29 bereits vorhanden. Es sieht vor, dass das Vertragsverhältnis gelöst werden kann, wenn von einem Werknutzungsrecht kein oder nur unzureichender Gebrauch gemacht wird (In der Richtlinie: wenn das Werk nicht verwertet wird). Im österr. Urheberrecht und in der Richtlinie ist die Voraussetzung, dass den Urheber kein Verschulden daran trifft.
Eine gesetzliche Befristung, wie in Punkt 10 der Forderungen der Initiative vorgesehen, wäre wünschenswert. Siehe auch Punkt 5. Dauer und Punkt 6 Rechterückfall im vorliegenden Artikel.
Über die hier genannten Problemlösungsvorschläge hinaus hat die Initiative Urhebervertragsrecht weitere Forderungen identifiziert, die der Rechtsklarheit dienen sollen:
- Unverzichtbarkeit, Unübertragbarkeit und Schutz vor Anwendbarkeit ausländischen Rechts
- Auslegungsregeln für Verträge: verpflichtende Interpretationsvorschriften wie Trägheitsgrundsatz, Schriftlichkeitserfordernis, Regelung im Zweifel zu Gunsten des/der Urheber/in etc.
- Schutz vor sittenwidrigen und grob benachteiligenden AGBs
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Wien, am 22.07.2014, überarbeitet im Oktober 2020
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Wolfgang Renzl, Rechtsanwalt/Vertrauensanwalt mica – music information center austria