Der frühabendliche Halbmond strahlte bereits wohlgesonnen auf Atzgersdorf herab, als VIECH sich zum mica-Interview einfanden. Auf ihrem neuen Album „Vollmond“ schmettert die nun fünfköpfige Band einem wildes Wolfsgeheul und gewohnt wuchtigen Wortwitz entgegen. Mit herzhaftem Gejauchze und erstmals fünfstimmigem Gesang wird hier der heranbrechende Frühling lautgemalt und das Kollektiv zelebriert, live eingespielt wirkt das Ganze belebend wie ein Schwimmbadbesuch im April. Warum man bei einem solchen getrost Germknödel essen darf, warum Texte auch mal patschert und skurril sein dürfen und wie man OBI-Produkte in Musikinstrumente umfunktioniert, verraten PAUL PLUT, CHRISTOPH LEDERHILGER, MARTINA STRANGER, MAX ATTENEDER und BARCA BAXANT im Interview mit Florentina Finder.
Euer Album ist vollbracht, es trägt den Titel „Vollmond“. Man hat schon im Vorfeld vernommen, dass ihr es bei einer Vollmond-Session aufgenommen habt. Wie kam es zu dieser Idee?
Christoph: Eigentlich war es eher zufällig, dass es Vollmond war, aber das ist natürlich dann ein schöner Aufhänger gewesen. Grundsätzlich sagt man ja, man soll bei Vollmond ein paar Sachen nicht machen, große Entscheidungen treffen zum Beispiel.
In dem Fall ist sich das eigentlich ganz gut ausgegangen und irgendwie ist das dann der Albumtitel geworden, weil in dieser Vollmondnacht mehr oder weniger das Grundgerüst für das Album entstanden ist.
Hat das auch eine gewisse Symbolik für euch? War es etwas Rituelles, das Album in so einer Session aufzunehmen?
Max: Definitiv, Vollmond hat ja immer etwas Schwergewichtiges, finde ich. Man ist immer ein bisschen ehrfürchtig, ein bisschen vorsichtiger. Manche Leute sagen, sie spüren das, wenn Vollmond ist. Ich glaube, das ist unter einem guten Stern entstanden.
Unter einem guten Mond.
Max: Ja und es trifft sich auch gut, weil da natürlich auch der PR-Gag gleich mit dabei ist (lacht).
Paul: Es ist auch eine Zeit, wo eine Transformation stattfindet, vielleicht von einem kleinen Nager in einen großen Werwolf oder so. Das hat uns auch gut gefallen. Und Neil Young nimmt seine Alben auch seit jeher zu Vollmond auf.
„Es war von vornherein die Herangehensweise, dass man das Kollektiv in den Fokus rückt“
Speziell bei dem Album war auch, dass ihr es live aufgenommen habt. Dieser Live-Sound hat mich auch an die ersten Viech-Sachen erinnert. Warum habt ihr euch diesmal wieder für so einen Sound entschieden, im Vergleich zum letzten und vorletzten Album?
Paul: Das ist auch ein bisschen passiert. Wir haben schon versucht, Track für Track aufzunehmen, aber bei mehrstimmigem Gesang macht das keinen Sinn, das muss gemeinsam passieren. Man hört ja auch die ganzen Anfänge von den Liedern, wo wir so herumreden.
Max: Es sind auch viele Teile von den ursprünglichen Ideen in den Album-Tracks drin. Wir haben sehr wenig weggeworfen. Das fügt dem Ganzen einen lebendigeren Charakter bei.
Christoph: Dieser generelle Live-Charakter war der Grundgedanke. Wir wollten gemeinsam musizieren, nicht so klassisch, wo man Spur für Spur aufnimmt und dadurch eine Distanz schafft. Das war von vornherein die Herangehensweise, dass man die Gemeinsamkeit – das Kollektiv – in den Fokus rückt und das auch in der Audio-Technologie abbildet.
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Es ist auch sehr charmant und lustig, dass man Gespräche von der Band mithört. Das macht es noch authentischer. Da war irgendetwas mit Blasenproblemen? OBI-Klassikern?
Christoph: Ich habe Blasen auf der Hand gehabt und habe das OBI-Wagerl nicht bedienen können.
Barca: Das Wagerl haben wir dann verwendet, um den Rhythmus bei der Nummer zu machen.
Max: Der Sound bei „Schiebt euch eure Wettbewerbsfähigkeit in den Arsch“ kommt tatsächlich von einer Rodel. Der Chrilli hat das Wagerl hochgehoben, auf den Boden geknallt und das war dann ziemlich cool vom Rhythmus her.
„Die Idee war, es so roh und frei wie möglich aufzunehmen.“
Max: Sachen, die wir nicht spielen können, weil keiner von uns zum Beispiel Panflöten spielen kann, haben wir darüber aufgenommen. Das meiste ist aber genauso rough, wie es jetzt am Album drauf ist, entstanden. Die Idee war, es so roh und frei wie möglich aufzunehmen. Es ist auch voll okay, wenn Sachen ein bisschen schief sind, oder wenn es nicht ganz „auf Grid” geschoben ist.
Paul: Es war dadurch auch gar nicht viel zu produzieren. Die alten Alben waren ausgecheckter. Diesmal ging es darum, die Energie rüberzubringen, wie man es schafft, dass fünf Leute gemeinsam singen und wie man das aufs Band bringt.
Wie war der Moment, als ihr zum ersten Mal alle zusammen gesungen habt?
Martina: Wir hatten ja bewusst die Entscheidung getroffen, dass wir uns zu fünft ums Mikro stellen und drauflos singen. Wir haben uns vorgenommen, dass wir das probieren, weil die Aufnahmen davor von der Stimmung her nicht so waren, wie wir es gerne gehabt hätten. Das kollektive Singen war dann super.
Barca: Das Outcome war zuerst schon ein bisschen chaotisch, alle Stimmen auf einmal.
Paul: Die Barca war dann immer so: „Nur eine Stimme, nur eine Stimme.” (lachen)
Barca: Dann war es ein Kompromiss (lacht).
Die fünf Stimmen gemeinsam, das hat auch ein bisschen so etwas Lagerfeuer-mäßiges oder Hafenkneipen-mäßiges.
Paul: Wie so betrunkene Matrosen.
Max: Ja, oder so am Nachmittag ins Freibad gehen. Einen Germknödel essen.
Alle: Einen Germknödel??? Im Schwimmbad???
Barca: Wo gibt’s das?
Max: Bei mir, in Steyr.
Paul: Könnte ein Viech-Text sein.
Max: Germknödel, Pommes, Gummischlangerl, Cola-Kracherl und Bumbum-Eis. Den ganzen Tag in der Sonne sitzen, voll herbrutzeln lassen und dann am Abend ins Studio gehen und einsingen.
Viech-Texte strotzen ja traditionellerweise von lyrischen Spielereien, von Variationen auf Redewendungen und dadaistischen Satzkonstruktionen. Wie zum Beispiel „In der Suppe ist dein Haar“ oder kreative Sprachbilder wie „Du reimst dich auf mich wie Rettich auf Strich.“ Wie kommt’s zu dieser Lust an der Sprache und wie lange tüftelt ihr an sowas?
Paul: Die Texte haben der Chrilli und ich geschrieben. Bei dem Reim-Lied haben wir sehr lange herumgedoktert, aber auch nicht ewig. Wie lange braucht man da? 2-3 Tage?
Max: Aber nur für den einen Reim. (lacht)
Christoph: Pro Reim 3 Tage. (lacht)
Paul: Nein, so verkopft war es dann auch nicht, wir haben es dann schon sehr schnell abgeschlossen. Für uns ist es schon wichtig, auch einmal Sachen stehen lassen zu können, die ein bisschen bescheuert sind, sich aber bei Viech dann irgendwie ausgehen.
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„Das habe ich in der Form noch nie gemacht.“
Christoph: Bei den Texten war es ganz spannend, weil wir damit begonnen haben, ohne dass wir die Musik dazu gehabt haben. Wir haben zuerst einmal rein inhaltlich gearbeitet, geschaut, was sich richtig anfühlt und wo man in eine gute Richtung kommt. Das habe ich in der Form noch nie gemacht, dass man mal so startet. Das hat bei manchen Sachen wo hingeführt, woanders überhaupt nicht.
Paul: Beim „Hasenfuß“ war es so die Idee von einem Tier, das sich verwandelt, oder ein Mensch, der sich in ein Tier verwandelt. Solche Impulse eher, oder ein Lied übers Schwimmengehen, ein Freibad-Lied. Anlassbezogene Lieder.
Der Anspruch ist sicher, dass man Musik macht, die Spaß macht, aber trotzdem nicht bescheuert und beliebig ist. Dass die Texte auch, wenn sie manchmal patschert oder skurril sind, trotzdem einen Mehrwert haben. Macht das Sinn, Chrilli? Chrilli ist bei uns der Texter, beruflicher Texter.
Christoph: Für mich ist der Text in dem Kontext eine schöne Abwechslung, weil man ausbrechen und in komische Richtungen denken und sich austoben kann. Das ist ein ganz anderer Zugang, als wenn ich beruflich schreibe, wo man vorgegebene Strukturen hat. Das ist immer ganz spannend.
Werbeslogans schaffen es also nicht in Viech-Texte, nehme ich mal an?
Max: Was ja die Wenigsten wissen, der Chrilli ist verantwortlich für 80% aller Friseursalon-Namen in Österreich. (lachen)
Christoph: Austrian Hairlines! (lacht)
Viech hat damals mit dir, Paul, und Andi Klinger begonnen. Dann waren eh schon mal Chrilli, Stephan Paulitsch und David Reiterer dabei. Die ursprüngliche Besetzung hat sich dann aber aufgelöst. War es für dich klar, Viech weiterzuführen? Wie ist es zur neuen Besetzung gekommen?
Paul: Die Martina ist dann gleich mal dazugekommen, dann waren wir wieder zu dritt. Der Max hat dann so 2-3 Jahre live mitgespielt und die Lieder schon so verinnerlicht, der war einfach so ein cooler Typ, den man dabeihaben möchte. Mit der Barca habe ich im Theater zusammengearbeitet.
Christoph: Barca war auch schon mal bei einem Konzert dabei, als Gesangsverstärkung im Konzerthaus.
Barca: Ich habe das gar nicht so gecheckt. Der Paul hat mich eingebaut. (Alle lachen) Ich war dann einfach dabei.
Max: Auf einmal die AKM-Abrechnung gekriegt, passt schon. (lacht)
Barca: Ja, ich finde die Lieder urschön. Es macht extrem Spaß und Freude, die Lieder zu singen und zu spielen. Ich habe immer nur Englisch geschrieben und für mich ist Deutsch singen auch eine Challenge.
Max: Wobei du das unglaublich gut kannst.
Barca: Aber am Anfang hat es sich wirklich sehr komisch angefühlt. Ich bin mir vorgekommen wie eine Schlagersängerin, aber jetzt ist es schon besser. Deutsch ist auch nicht meine Muttersprache.
Schaffen es Anglizismen eigentlich in Viech-Texte hinein, haben die eine Chance?
Paul: Haben wir gar nicht so richtig, oder? Da fällt mir auf die Schnelle nix ein.
Christoph: Die hat man dann schon so verinnerlicht, dass es eh schon Deutsch wirkt.
Paul: Barca ist halt auch die Einzige von uns, die richtig singen kann. (allgemeines Gelächter) Und das war halt auch cool bei dem Album, weil der Chrilli ist halt auch kein ausgebildeter Opernsänger.
Christoph: Najo.
Paul: Und bei ein, zwei Liedern übernimmt er dann die Hauptstimme. Das gefällt mir einfach so gut bei dem Album.
Max: Man stellt nicht die typischen Figuren in den Vordergrund.
„Es hatte was von einer Theaterproduktion“
Max: Ich wollte das vorhin schon sagen: Es hat wirklich ein bisschen was von einer Theaterproduktion gehabt. Weil es wirklich so Regieanweisungen gegeben hat, die aber gemeinschaftlich entschieden worden sind. Es war nicht so, dass jemand reinkommt und sagt, du machst jetzt das, sondern: Es gäbe die Möglichkeit, dass wir das so verteilen. Und da hat es wirklich Sheets gegeben, auf denen teilweise Strophen aufgeteilt worden sind. Da haben wir zum Beispiel gesagt, bei der einen Nummer „Von allen Tieren ist der Mensch das traurigste“ können wir uns alle gut vorstellen, dass die der Chrilli singt. Das passte wie die Faust aufs Auge.
Christoph: Ich muss dazu auch sagen, ich habe mich gleich wohl gefühlt mit dem Song, weil es nicht so klassischer Gesang war, sondern eher gesprochen. Da muss man nicht ganz so weit aus sich heraus gehen. Das war ganz angenehm (lacht).
Paul: Unsere Herangehensweise war einfach so: Viel passieren lassen. Viel ausprobieren und schauen, ob es funktioniert. Viel hat eh nicht funktioniert, aber dafür hat dann anderes funktioniert. Ich finde, Viech war schon immer eine Spielwiese, die Spaß machen darf und wo man Sachen ausprobieren kann.
„Das ist unser ‘We are the world’“
Dann gibt es noch einige Songs auf dem Album, die für mich rausgestochen sind. „Rost“ habe ich extrem lustig gefunden. So viel Selbstironie und Selbstakzeptanz: Wir fügen uns nicht dem Druck von außen, wir sind einfach wie wir sind. „Den Trend verschlafen“, „schon ein Jahr lang nichts gepostet“, „der schimmelige Proberaum“ – ich glaube, damit können sich viele identifizieren.
Max: Das ist unser „We are the world“. Es ist alles okay. Wir sind alle schon mal im schimmligen Proberaum gesessen. (lacht)
Oder „Wir müssen nochmal von vorne anfangen“: Steckt darin eine Referenz auf „Und täglich grüßt das Murmeltier“? Wenn ja, was würdet ihr tun, wenn ihr in einer ewigen täglichen Schleife gefangen werdet?
Martina: Das will ich mir nicht einmal vorstellen.
Christoph: Es ist eh ein bisschen so (lacht).
Martina: Nein, bei mir nicht.
Max: Jeden Tag zum Radi.
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Wohin? Was ist das?
Max: Legendärer Würschtlstandl. Ich kann es nur aus meiner Perspektive sagen, aber es ist wirklich ein bisschen so, wie der Chrilli sagt, dass in den letzten, ich sage mal, drei Jahren, also ungefähr seit Ende von Corona, jeder Tag eigentlich ein bisschen gleich ausschaut.
Paul: Umso schöner, wenn man dann wieder in den Tourbus einsteigen kann und jeden Tag neue Leute trifft.
Max: Aber wenn du jetzt jeden Tag in den Tourbus einsteigst und nur wo hinfährst…
Paul: Du fährst zumindest immer woanders hin, außer du spielst wie wir immer nur in Oberösterreich. (lacht)
„Es wird auch Neuigkeiten auf der Bühne geben“
Ich finde, das Album vermittelt vom Klang her schon so eine Lebendigkeit, eine Aufbruchstimmung. Es treibt irgendwie nach vorne und zieht nach oben. Ein bisschen anders als die vorigen Alben. So als hättet ihr die „Kältestarre abgeschüttelt“, was ja auch in eurem Pressetext so steht. Vom Sound her schwingen für mich schon diese wärmeren Jahreszeiten mit. Ist das jetzt auch eine Art neuer Band-Frühling für euch?
Max: Ich finde schon. Ich finde vor allem, dass auch die Live-Umsetzung ganz anders ist. Der Zugang, wie unsere Proben ablaufen, eben wegen der Mehrstimmigkeit. Wir haben wesentlich mehr Instrumente. Wir haben mehr Leute, die mehrere Instrumente spielen. Und ich glaube, das ist für uns das Frühlingsgefühl, dass man was auf die Bühne stellt, was nicht einfach nur ist: Fünf Leute stehen auf der Bühne und rocken das runter, sondern es wird auch Neuigkeiten auf der Bühne geben und das ist unser Frühlingsgefühl.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Florentine Finder
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Live:
18.04. Wien, Rhiz (Album-Release-Show)
24.04. Salzburg, ARGE
25.04. Neußerling, Noppen Air Festival
09.05. Öblarn, [ku:l]
23.05. Steyr, Röda
24.05. Innsbruck, Bogenfest
12.07. Guntramsdorf, Streetfood&Sound Festival
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