„VIELLEICHT SCHAFFEN WIR ES UNSERE JA AUCH INS ALL ZU SCHIEßEN“ – Das Schottische Prinzip im MICA – Interview

Wie es sich für eine richtige Band gehört, ist DAS SCHOTTISCHE PRINZIP in ihrem Proberaum im 16. Wiener Gemeindebezirk anzutreffen. Dort haben sie sich an einem kühlen Septemberabend nicht nur zum gemeinsamen Musizieren getroffen, sondern auch zum Gespräch mit Ylva Hintersteiner. Hinter dem Bandnamen steckt ein Vierergespann rund um Julia Reißner, Leadsängerin, Gitarristin und Kopf der Band. Jana Mitrovic (Bass), Vicky Mezovsky (Leadgitarre) und Jenny Gitschner (Drums) komplementieren das Projekt. Gemeinsam bereichern sie die österreichische Musikszene durch eine musikalisch vielfältige und doch kritische Stimme. Zu hören ist dies auch auf ihrem neuen Album „Golden Voyager Record Vol. III“ (VÖ: 17.10.2025 // Bader Molden Recordings). Im mica-Interview hat die Band über das Überwinden des Perfektionismus-Zwangs, die Bedeutung von Müll und das Vermeiden von ungewollten Zuschreibungen gesprochen.

Wie ist „Das Schottische Prinzip“ entstanden und wie lange gibt es das Projekt?

Julia: Das Projekt existiert seit 2019, aber so richtig seit 2020. Die Corona-Zeit muss aber dann abgezogen werden, also so aktiv seit zirka drei Jahren. Ich hab um 2019 nach einer Band gesucht und dann unsere ehemalige Schlagzeugerin gefunden. Sie hatte einen Proberaum, wo auch die Vicky war mit ihrer Band Querfunk. Unsere damalige Bassistin ist dann nach Portugal gegangen und dann habe ich mich auf die Suche nach einer Bassistin in meinem Freundeskreis gemacht. Ich hab Jana gefragt, ob sie eine Bassistin kennt, weil ich nicht gewusst habe, dass sie Bass spielt. Zuerst hat sie verneint und auch nicht erwähnt, dass sie Bass spielt – vielleicht weil sie geglaubt hat, dass ich sie nicht in der Band will. (lacht) Hat sich aber dann doch ergeben. 2022 ist dann unsere ehemalige Schlagzeugerin ausgestiegen und dann haben wir die Jenny über Instagram angeschrieben. So kam es zur aktuellen Konstellation.

Weil wir uns gerade in eurem Proberaum treffen – wie läuft eine typische „Das Schottische Prinzip“ Probe ab?

Vicky: Es kommt voll drauf an in welcher Phase wir uns gerade befinden. Ob wir gerade neue Lieder auschecken, ein Gig bevorsteht oder ein Albumrelease. Oder ob wir uns einfach so treffen zum Üben. Je nachdem sind die Proben auch lockerer oder ein wenig ernster. Kommt auch drauf an, wie viel Zeit wir haben.

Julia: Normalerweise treffen wir uns und gehen erst mal Getränke und was Süßes kaufen. Dann sitzen wir kurz zusammen und plaudern und dann bauen wir auf und starten mit der Probe. Dann gibt’s wieder Pausen mit Tratschen und Herumblödeln und so geht das dann dahin.

Jenny: Aber ich empfinde es generell als sehr entspannt. Mir ist das heute wieder bewusst geworden, wie ich hergefahren bin. Also es ist schon ernst, aber trotzdem entspannt.

In welcher Phase befindet ihr euch dann gerade?

Julia: Wir proben gerade für zwei Gigs in München mit dem Nino aus Wien und einem Tag danach in Innsbruck. Die neuen Lieder perfektionieren. Wir arbeiten aber auch ein wenig an der Bühnenchoreografie und Liveshow-Performance.

Die ganze Band singt jetzt am zweiten Album – das ist gut!

Am 17. Oktober erscheint euer zweites Album „Voyager Record Vol. III“ – hat sich eure Arbeitsweise im Vergleich zu eurem Debüt „Jolly“ verändert?

Julia: Beim ersten Album haben wir mehr gemeinsam gemacht. Beim Schreiben selbst haben wir beim jetzigen Album weniger zusammengearbeitet. In der Produktion aber dann doch wieder gemeinsam dran gearbeitet. Dieses Mal haben wir digital aufgenommen – es ist ein Studioalbum. Soundtechnisch ist dadurch viel Neues passiert. Das erste Album ist auf Tape aufgenommen worden, mit acht Spuren und dann war Schluss. Da hatten wir dieses Mal schon viel kreative Freiheit. Produziert haben wir gemeinsam mit Felipe Scolfaro Crema, ein brasilianischer Produzent, der in Österreich wohnt. Der ist sehr freaky mit Sound, hört extrem genau hin und hat so auch sehr viel Input gegeben. Dadurch hat sich auch unser Sound weiterentwickelt.

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Vicky: Ausschlaggebend waren wirklich auch die mehreren Spuren. Mit dem Taperecorder hatten wir um die drei Takes und der beste wurde dann genommen. Jetzt konnten wir auch nacheinander aufnehmen und herumtesten was wirklich funktioniert.

Jana: Und auch mehr Zeit. Wir mussten nicht alle alles auf einmal aufnehmen, sondern
waren auch hin und wieder getrennt im Studio.

Julia: Und: Die ganze Band singt jetzt am zweiten Album – das ist gut!

Musikalisch bewegt ihr euch auf dem neuen Album fließend zwischen Liedermacherinnentum, NDW-Einflüssen und modernen Pop-Ikonen – wie habt ihr für euch euren Sound gefunden?

Jana: Dadurch, dass wir auch sehr unterschiedliche Sachen hören und auch mit sehr unterschiedlichen Einflüssen in das Projekt reingekommen sind, hat sich das so zusammengewürfelt.

Vicky: Wir haben schon unsere eigene Soundästhetik. Aber es ist extrem schwer, die in Worte zu fassen.

Jenny: Ich finds auch schwierig zu sagen. Ich kannte das erste Album ja nur von außen, also ich habs mir angehört, wie ich zur Band dazugekommen bin. Wir haben uns definitiv auch entwickelt, aber genau zu sagen, was gleichgeblieben ist und was sich verändert hat, ist sehr schwierig. Was die Band aber ausmacht, ist die Vielfalt von Stilen, die zusammenkommt.

Muss wirklich Kurt Waldheims Stimme die Menschheit repräsentieren?

Das originale Voyage-Projekt ist zu einem großen Teil von alten, weißen Männern geprägt. Warum habt ihr euch dazu entschieden dieses Projekt in eurem Album aufzugreifen?

Julia: Der Gedanke kam durch das Lied „Luftverschmutzung“. Das ist eigentlich ein Uniprojekt mit einem Studienkollegen, Eddie van Gemmern, und in dem Seminar ging es tatsächlich um Müll. Wir haben uns den Spaß daraus gemacht und wollten das Thema Space-Trash behandelt. Daraus ist dann die Nummer entstanden. Wir fanden die dann so leiwand, dass ich sie zu den Schotten getragen habe. Auf diesem Track sind extrem viele Samples von der originalen Voyager Golden Record drauf. Generell der Gedanke – was ist Trash, was ist Müll, wer entscheidet das, wer darf was ins All schicken und muss wirklich Kurt Waldheims Stimme die Menschheit repräsentieren. Das Voyager-Projekt ist ja dazu da extraterrestrisches Leben zu erreichen, um denen zu erklären was es bedeutet ein Mensch zu sein. Da kann man schon darüber sprechen, ob ein alter Nazi Dude da das letzte Wort haben soll. Das Konzept ist jedenfalls sehr cool und deswegen ist es jetzt die „Voyager Record Vol. III“, weil zwei Schallplatten schwirren schon herum. Vielleicht schaffen wir es unsere ja auch ins All zu schießen.

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Ihr sprecht einige große Problemstellen unserer Zeit an. Aus kreativer Sicht finde ich den Tod der Subkulturen besonders interessant, den ihr thematisiert. Warum sind eurer Meinung nach Subkulturen wichtig und gibt es Möglichkeiten sie am Leben zu halten?

Julia: Es gibt schon noch Subkulturen. Ich spreche vor allem von musikalischen Subkulturen, die glaub ich durch das Musikbusiness und die Musikökonomie mit Spotify, der Internationalisierung und der Monopolisierung verloren gehen. Entweder passt du dich an oder du verschwindest oder kriegst halt kein Geld. Ich glaub zwar nicht das Subkulturen immer politisch sein müssen, aber es ist doch eine Gemeinschaft und ein ideologischer Aspekt dabei, der die Menschen zusammenbringt und dadurch auch politisieren kann. Auch dann, wenn Grätzlarbeit oder Gemeinschaftsarbeit passiert. Das ist schon wichtig, dass man das erhält. Es geht halt nur wenn man sich trifft. Ich glaube der Gürtel leistet sehr viel solche Arbeit.

Weil es auch nicht wirklich erstrebenswert ist, perfekt zu sein.

Besonders gerne mag ich den Song „Perfekt“. Social-Media und Schönheitsideal treiben den Perfektionismuszwang immer weiter. Ist es euch wichtig bewusst dagegen zu steuern?

Alle: Ja! (lachen)

Julia: Der Song wurde erst geschrieben, als die Platte schon im Aufnehmen war. Irgendwie hab ich mir gedacht fehlt etwas Positives.

Jana: Wir haben auch im Proberaum darüber diskutiert, was Perfektion für uns bedeutet, und wir sind draufgekommen, dass es da unterschiedliche Wahrnehmungen gibt. Davon ist der Song sicherlich geprägt und es war uns auch wichtig den dann gemeinsam zu Singen, weil wir uns alle damit identifizieren können.

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Jenny: Es ist auch immer eine Frage der Perspektive. Was für einen perfekt ist, kann für jemand anderen was ganz anderes bedeuten. Es geht darum, dass nicht anstreben zu müssen und sich selbst Druck zu machen, sondern einfach sein zu dürfen.

Jana: Weil es auch nicht wirklich erstrebenswert ist, perfekt zu sein. Man kann natürlich selbst eine Definition davon haben und der genügen, aber man muss nicht einer allgemeinen Definition von Perfekt gerecht werden.

Julia: Ich glaub schon, dass wir eine Gruppe von Menschen sind, die dann sagt, lieber Spaß haben und schauen, wo es hinführt, anstatt sich selbst komplett zu geiseln.

Befreit dieser Gedanke auch beim Musikmachen, wenn der Gedanke wegfällt, dass alles perfekt sein muss?

Vicky: Ja, für mich schon. Bei einem Song häng ich jetzt ein Interpretationssolo an und da ist das Ziel, dass es nicht perfekt ist. Ich weiß meistens davor auch meistens nicht was dabei passiert und ich genieße das total. Das ist für mich so ein Nicht-Perfekt-Sein￾Muss-Moment, weil ich mich in meiner Musikalität einfach austesten kann und schauen was passiert.

Jana: Ich finde das auch sehr cool, weil es einen ganz besonderen Moment bei Live Konzerten schafft, den man sonst auf der Platte nicht hört. Der bleibt dann auch in diesem Raum, bei diesem Konzert und das finde ich sehr schön.

Jenny: Ich glaube, wenn man sich so ein Ideal in den Kopf setzt, konzentriert man sich auch nur darauf und merkt nur, wenn es nicht klappt. Ohne dem ist man viel freier. Wir sind generell eine Band, die live sehr gut aufeinander hört und da können gar keinen groben Fehler passieren, weil wir offen sind, wenn sich etwas ändert. Das geht halt nicht, wenn man nur auf das einzig Wahre fokussiert ist.

Aktuell fahr ich sehr gut mit der Bezeichnung – wir sind eine feministische Band.

Bild Der Band Das Schottische Prinzip
Das Schottische Prinzip © Yuki Gaderer

Das Album endet mit „Was ist das Schottische Prinzip“ und die Antwort ist klar – eine Band. Werdet ihr dennoch oft mit Labels, wie „Frauen“- oder „Girly“-Band konfrontiert?

Vicky: Ja, von außen wird man so benannt oder wenn man angequatscht wird. Wir haben schon alle Bezeichnungen von Frauenband, Girly-Band und so weiter gehört. Aber auch nicht immer und es wird besser mit der Zeit.

Julia: Und es ist auch schon vorgekommen, dass andere Leute das dann korrigieren und nicht wir. Aktuell fahr ich sehr gut mit der Bezeichnung – wir sind eine feministische Band.

Eddie van Gemmern als Gasttexter ist bereits angesprochen worden. Zweiter Gasttexter auf dem Album ist Dima Braune. Wie ist zu dieser Zusammenarbeit gekommen?

Julia: Ich kenn Dima Braune schon sehr lange. Der liest viel Gedichte und ist eher so poetisch angehaucht. Mir haben Textzeilen gefehlt und ich bin zu ihm gegangen und war so – mir fehlt da was, fällt dir was ein? Er kam dann mit der schönen Textzeile „Es kommt nicht drauf an was dir bisher gelang, sondern nur auf das, was du machen wirst, sagt man“ ums Eck. Das ist in „Perfekt“ in der Bridge zu hören. Hätt ich was Besseres geschrieben, hätt ichs eh nicht genommen, aber es war einfach zu gut. (lacht)

Wo kann „Das Schottische Prinzip“ mit dem neuen Album live gesehen werden?

Julia: Das Nummer Eins Konzert ist am 07. November 2025 im Club Lucia – unser Release-Konzert. Das wird sehr cool mit einer super Vorband und danach einem DJ-Set. Wir haben Merch, einen speziellen Cocktail, genannt NFT und die Marietta Born wird dort ihren Schmuck verkaufen. Und es wird eine Fotoecke geben. Das wäre meine Empfehlung!

Gibt es einen neuen Song, auf den ihr euch besonders freut, den live zu performen?

Jana: Bei mir ist es eindeutig „Belüg Mich“ – der macht einfach Spaß!

Jenny: Bei mir auch und „Dear Investor“.

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Julia: „Belüg Mich“, weil es so energetisch ist und die Jana und ich einen sehr coolen Stagemove draufhaben – da kann man sich drauf freuen. Und „Perfekt“, weil wir dann alle gemeinsam singen und ich liebe diesen Moment, der ist so schön.

Vicky: Ich mag „Posaunen“ sehr gerne, „Dear Investor“, „Gestolpert“ und „Belüg mich“

Julia: Also alle? (alle lachen)

Vicky: Und „Ich will nichts wissen“, den finde ich auch super cool.

Zum Abschluss: Eine Grußbotschaft an all die Existenzen da draußen, insbesondere auch jene die sich aktuell auf der Erde fremd fühlen?

Julia: „Perfekt“ ist schon eine wichtige Botschaft. Aber meine wäre – eh alles ernst nehmen und ernst arbeiten, aber trotzdem Spaß haben und es ist alles viel leichter und cooler, wenn man sich selbst nicht so ernst nimmt und Freude mit den Dingen zu haben.

Vicky: Freude an den kleinen Sachen finden, sich freuen, über das was man hat. Vor allem Beziehungen, die man im Leben hat, wie eine gute Partnerschaft oder eine tolle Familie.

Jana: Sich generell an Gemeinschaft erfreuen. Ich glaube, das ist besonders wichtig.

Julia: Ich revidiere – drehts euer Smartphone ab und kümmert euch um echte Beziehungen, die euch umgeben.

Jenny: Und das Essen genießen und nicht einfach runterschlingen!

Perfekte Grußbotschaften! Danke für das ausführliche Interview!

Ylva Hintersteiner

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Live:
22.10. Café Hildegard – Kirchdorf an der Donau
07.11. Lucia – Wien (Album Release)
20.11. Degginger – Regensburg

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Links:
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