The Blockchained Music Business

Die Blockchain als Chance und Herausforderung für Musikschaffende. Wie können Musikschaffende von der Blockchain-Technologie profitieren? Dieser Frage stellten sich am 3. März 2017 CARLOTTA DE NINNI (MYCELIA FOR MUSIC FOUNDATION, London), PETER JENNER (SINCERE MANAGEMENT, London), BENJI ROGERS (PLEDGEMUSIC & DOT BLOCKCHAIN MUSIC, New York), HANNES TSCHÜRTZ (INK MUSIC) und PETER TSCHMUCK (IKM). Die Diskussion, der Gruppenarbeiten zum Thema vorangestellt waren, fand am INSTITUT FÜR KULTURMANAGEMENT UND KULTURWISSENSCHAFT (IKM) der UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST WIEN in Kooperation mit dem MICA – MUSIC AUSTRIA statt.

Die Blockchain-Technologie ist derzeit in aller Munde. Allein im letzten Jahr wurde mehr Geld, wenn auch virtuelles, in die Blockchain-Technologie investiert als in das herkömmliche Musikbusiness. Das lässt aufhorchen. Und so verwundert es auch nicht, dass auch seitens der großen Plattenfirmen spezielle Consultants beauftragt wurden, um herauszufinden, was genau diese Blockchains sind und was genau sie können. Doch was können sie und was können sie nicht? Was bedeutet Blockchain-Technologie eigentlich?

Unter „Blockchain“ versteht man eine dezentrale Datenbank, die von allen genutzt werden kann. Sie schafft die Möglichkeit, Information in verständlicher Form zu teilen, und sie ist sicher gegen Hackerangriffe, weil die Information in einem Peer-to-Peer(P2P)-Computernetzwerk geteilt wird. Das heißt, es reicht nicht, die Information an einer Stelle zu manipulieren (wie derzeit), sondern sie müsste gleichzeitig an allen Eckpfeilern der Chain manipuliert werden. Neben der Bitcoin-Blockchain, die 2008 entstand, gibt es noch andere technische Lösungen, so etwa Ethereum, das mit der Cyberwährung Ether arbeitet. Grundsätzlich ist es dort möglich, dass die Musikschaffenden sofort, nachdem der Song um US$ 0,60 heruntergeladen wurde, ihren Anteil in ihre Onlinegeldbörse überwiesen bekommen. Der Zahlungsprozess ist dabei vollkommen transparent, aber erfolgt anonymisiert und ist durch eine Verschlüsselungstechnologie gesichert.

Klingt erst einmal vernünftig, weil sicher und transparent. Wer also könnte dagegen sein, diese vielversprechende Technologie zu unterstützen und sie mainstreamfähig zu machen? Gibt es Gegenwind und wenn ja, woher kommt er?

Bild (c) Magdaléna Tschmuck

Peter Jenner, einst Manager von so bekannten Bands wie Pink Floyd, sprach ein großes Wort gelassen aus: Es gebe immer Leute, sagte er, die gegen Neues seien, weil sie sich schlicht und ergreifend nicht weiter entwickeln wollten. Aber ist es tatsächlich nur die Abscheu vor dem Neuen, die sich als Hemmschuh für die neue Technologie erweisen kann?

Der Musiker und Musikmanager Benji Rogers versuchte diesbezüglich gleich ein großes Missverständnis auszuräumen, das in Zusammenhang mit der Blockchain-Technologie immer wieder artikuliert wird und sich hartnäckig hält, wonach jene nämlich, die bislang ihr Business auf Datenverkauf aufgebaut hätten, durch die Blockchain-Technologie arbeitslos würden, weil Blockchain plötzlich alles gratis abrufbar mache. Dem sei aber nicht so. Auch innerhalb der Blockchain müsse es selbstverständlich möglich sein, weiterhin frei zu entscheiden, ob und wenn ja welchem genauen Adressatenkreis die jeweilige Information zur Verfügung gestellt wird. Auch wenn ich also die Information der Blockchain zur Verfügung stellte, sei ich weiterhin Herr darüber, wer nun gratis oder entgeltlich über die Information verfügen kann.

Natürlich gelte das auch für die Künstlerinnen und Künstler selbst. Nicht jede Künstlerin und jeder Künstler sei glücklich, wenn etwa alle Welt von der genauen Höhe eines bestimmten Vorschusses Kenntnis erlange. Das seien zum Großteil heikle Informationen, die man nicht in die Welt hinausposaunen wolle.

Aber genau das sei das ja die große Chance der Technologie, lenkte Rogers ein.

Man könne etwa in einen bestimmten Track die Information einschreiben, dass der Track eben nicht in einem bestimmten politischen Kontext oder in Zusammenhang mit Tierquälerei gebracht werden darf. Probleme wie jene, die Reinhard Fendrich einmal hatte, als sein Lied „I am from Austria“ von der FPÖ ohne seine vorherige Einwilligung benutzt worden war und er sich (zumindest auf Grundlage des Urheberrechts) nicht dagegen wehren konnte, sind demnach obsolet. Das heißt also: Ich kann genau steuern, welche Information ich als Rechteinhaberin bzw. Rechteinhaber bereitstelle und welche nicht.

Die völlige Transparenz ist natürlich nicht im Sinne aller an der Verwertung Beteiligten. Es ist kein Geheimnis, dass manche Player von der herrschenden Intransparenz profitieren. Das heißt im Umkehrschluss, dass sich genau jene, die an der derzeitigen Intransparenz des Business verdienen, auch am vehementesten gegen die neue Technologie sperren werden.

Vorteile bei der Rechteklärung?

Benji Rogers (c) Magdaléna Tschmuck

Das generelle Problem des Rechteerwerbs brachte Benji Rogers auf den Punkt: „Sechs Monate Clearance-Dauer, 13.000 Dollar Kosten.” Manche kommerziellen Plattformen, so Rogers, beschäftigten fünfzig Anwälte gleichzeitig. Trotz dieses enormen Aufwandes seien sie aber davor gefeit, etwas zu übersehen und so danach im Zuge eines kostspieligen Prozesses noch einmal zur Kasse gebeten zu werden. Die Möglichkeit bestehe nun darin, dass die Urheberinnen und Urheber ihre Lizenzdeals selbst machen.

Es ließe sich also viel Geld einsparen und eine bezahlte Tätigkeit, die des umständlichen Rechte-Clearings, fiele vollends weg.

Mehr Unabhängigkeit? Mehr Sicherheit?

Die größte Möglichkeit aber, so Jenner, sei, diese Technologie dafür zu nutzen, von den großen Korporationen loszukommen. Blockchains seien also eine Möglichkeit, mehr Unabhängigkeit zu erlangen. „Je weniger die Majors das Musikbusiness kontrollieren, desto besser für unsere Kultur“, so Jenner. Genau darin liege aber das Problem, wandte Hannes Tschürtz ein. Genau deshalb, aus Angst vor dem Kontrollverlust, ließen sich die Majors doch aller Wahrscheinlichkeit nicht oder nur zögerlich auf die Blockchain-Technologie ein.

Dem Innovationsgeist der Technologie steht somit der Beharrungswille der großen Player gegenüber, wenn man so will. Oder anders formuliert: Der größte Vorteil, der im Unabhängigkeitsbestreben liegt, kann auch zum größten Nachteil werden.

Andererseits gibt es immer mehr Bands, die Majors zwar nutzen, aber nur einen bestimmten Part bzw. Geschäftszweig derselben. Die Bereitschaft, sich abseits des Mainstreams selbstbestimmt aufzustellen, ist also in den letzten Jahren eindeutig gestiegen. Das wiederum stimmt zuversichtlich, was die Einlassung in etwas Neues betrifft.

Ein weiterer Vorteil ist – wie schon angedeutet – die Sicherheit der dezentralen Blockchain-Verwaltung. Bei einer Blockchain müsste ich Kontrolle über 51 Prozent der Rechenleistung gewinnen, um Daten zu manipulieren, was enorm unwahrscheinlich ist. Das macht die Blockchain-Technologie fast immun gegen Hackerangriffe.

Möglichkeiten für Fans

Die Blockchain-Technologie biete auch eine Fülle an Möglichkeiten, das Business mehr an die Bedürfnisse der Fans anzupassen, meinte Benji Rogers. Derzeit werde, so Rogers, viel zu wenig auf die tatsächliche Nachfrage von Fans abgestellt. Das von Dritten bereitgestellte Vinyl sei aus, es gebe keine High-Resolution Files etc. Die Blockchain-Technologie sei die Antwort auf dieses Defizit, denn sie reagiere schnell und unkompliziert. Das wirklich Merkwürdige sei doch, dass sogar Acts wie Rihanna, Beyoncé und Co. ihre Fans zu Diensten wie YouTube und dergleichen schickten, um sich Informationen zu holen.

Rolle der Intermediären

Eine brennende Frage ist auch: Werden Intermediäre, also zwischengeschaltete Unternehmen (z. B. Musikverlage, aber auch Streamingdienste), überflüssig oder ist das Bedrohungsszenario übertrieben und es wird sich gar nicht so viel ändern?

Die einhellige Meinung der Diskutanten ging hier in die Richtung, dass die wichtigsten beiden Aspekte im Musikbusiness – nämlich menschliche Interaktion und Vertrauen – auch durch die Blockchain-Technologie nicht obsolet werden. So schaffe beispielsweise ein Musikverlag ökonomischen Wert, indem er einen Sync-Deal an Land ziehe, der keineswegs nur über eine Maschine eingefädelt werden könne. Die Wertgenerierung geschehe weiterhin auf zwischenmenschlicher Ebene, könne aber durch Maschinen erleichtert werden.

Globale Datenbank?

Blockchain könnte auch eine gute technologische Basis für eine globale Musikrechtedatenbank liefern, wodurch jede und jeder Berechtigte nutzungsgerecht Zahlungen erhalten könnte. In diesem Zusammenhang sind aber Codes wie der „International Standard Recording Code“ (ISRC) und der „International Standard Musical Work Code“ (ISWC) von großer Bedeutung, die bei jeder technologischen Datenbanklösung Berücksichtigung finden müssen.

Blick in die Zukunft

Bild (c) Magdaléna Tschmuck

Die abschließende Frage: Wie lange wird es dauern, bis die Technologie voll funktionsfähig ist? Rogers war hier der Auffassung, dass schon Ende des Jahres mit voller Funktionsfähigkeit gerechnet werden kann. Aber, darin waren sich die Beteiligten einig, Blockchain ist nur eine Technologie, ein System, aber keine Software. Und jede Technologie ist nur so gut, wie die Informationen und das Investment, das von den wesentlichen Playern der Branche beigesteuert werden bzw. „das, was auf das System draufgesetzt wird“. Es wird also ganz wesentlich darauf ankommen, wie sich die entsprechenden Projekte binnen der kommenden Wochen und Monate entwickeln, denn eines sei auch klar: Kommt ein Schub, was Popularität und Visualität anbelangt, dann wollen plötzlich alle dabei sein.

„Wenn etwas ins Rollen kommt, dann springen die Leute auf“, so Jenner. So funktioniere das nun einmal. Jedenfalls sei es wünschenswert, dass sich das ownershipbasierte Modell durchsetzt und es nicht dazu kommt, dass sich technikaffine Konzerne wie YouTube die Angelegenheiten selbst regeln.

Was braucht es, damit sich die Blockchain-Technologie durchsetzt? Was muss passieren, dass die Branche in den Genuss der Vorteile kommt?

Jenner meinte, man brauche Köpfe. Das derzeitige Interesse, das sich auch anhand einer Veranstaltung wie jener zeige, gebe Anlass zur Hoffnung. Rogers illustrierte dieses gesteigerte Interesse anhand der Zugriffszahlen auf seinen Blog. Seinen ersten Artikel zu diesem Thema hätten damals 20.000 Leute gelesen, er hätte etwa tausend Antwort-E-Mails bekommen. Das Interesse sei also da. Die Technologie sei vielversprechend, jetzt brauche es Köpfe, die das umsetzen, Investitionen, die den Prozess beschleunigen. Der große Vorteil liege in der Offenheit: „Jeder, der mitmachen will, ist eingeladen.“ Es nicht zumindest zu versuchen, ist absurd, darin waren sich alle Beteiligten einig.

Die Musikschaffenden, so die Beteiligten, sollten die Blockchain-Technologie dazu nutzen, um Prozesse transparent zu machen und eine Entscheidungsgrundlage dafür zu bekommen, was sie selbst machen könnten und was sie delegieren sollten.

Noch ist unklar, ob die Art Goldgräberstimmung, die derzeit unter den Beteiligten herrscht, auch auf die weiten Teile der nicht Technikaffinen übergreifen wird, ob also die Begeisterung auch den übrigen Markt erfasst und zwangsläufig dazu führt, dass das Musikbusiness von der Blockchain-Technologie infiltriert wird.

Ein Problem darf man an dieser Stelle allerdings in Zeiten des Klimawandels auch nicht verschweigen, und das ist der gewaltige Stromverbrauch, den das Bitcoin-Netzwerk (derzeit noch) verursacht: Würden wir alle unsere monetären Transaktionen auf Bitcoins umstellen, würden wir nach aktuellen Berechnungen ca. 5.000-mal mehr Strom verbrauchen als nach herkömmlichen Bezahlmethoden.

Zu einer weiteren Vertiefung des Themas kommt es bei den Vienna Music Business Days von 12. bis 14. September.

Markus Deisenberger

Teil 1 und Teil 2 der Zusammenfassung des Blockchain-Workshop. Von Peter Tschmuck.

Berichte der Arbeitsgruppen:
https://musikwirtschaftsforschung.wordpress.com/2017/03/13/das-musikbusiness-in-der-blockchain-die-kuenstlerinnen-perspektive
https://musikwirtschaftsforschung.wordpress.com/2017/03/14/das-musikbusiness-in-der-blockchain-die-perspektive-der-intermediaere/
https://musikwirtschaftsforschung.wordpress.com/2017/03/15/das-musikbusiness-in-der-blockchain-die-blockchain-als-neustart-fuer-eine-globale-musikrechtedatenbank/

 

Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien

Universität für Musik und darstellende Kunst Wien