SANJA CIN ist eine österreichische Singer-Songwriterin, die im November 2018 ihre erste EP unter dem Titel „Bees“ veröffentlichte. „Bees“ ist das Resultat eines kollaborativen Musikprojekts, das vor über einem Jahr in Graz begann und in Manchester weitergeführt wurde. Produziert hat die fünf Nummern der englische Multiinstrumentalist ALAN KEARY, der ebenfalls für die Arrangements verantwortlich zeichnet. Im Gespräch mit Julia Philomena sprach die derzeit in England lebende Musikerin von dem langen Work-in-Progress-Zustand, von der Liebe zum „gruppenmusikalischen“ Element und von der Wichtigkeit eines Ortes der Aufmerksamkeit.
Aus welchem Kontext heraus ist Ihre EP entstanden?
Sanja Cin: Es war zunächst der Wunsch da, einige Songs einfach mal aufzunehmen und in eine Form zu bringen. Ich habe in Graz vor über einem Jahr damit begonnen, ein paar Songs aufzunehmen, gemeinsam mit dem Soundingenieur Valerio Zanini und dem Gitarristen Emiliano Sampaio. Das war kurz, bevor ich nach Manchester gezogen bin, und ich habe das Projekt einfach mitgenommen. In Manchester habe ich den Produzenten und Multiinstrumentalisten Alan Keary [aka Shunya; Anm.] auf YouTube gefunden, sein Sound hat mir super gefallen und wir haben bald begonnen, gemeinsam zu arbeiten. So ist dann die endgültige EP entstanden. Er hat sie produziert und hier und da schöne Arrangements gemacht. Ganz viel war work in progress, ganz viel hat mich oft positiv überrascht. Zum Beispiel ist auf dem Titeltrack Dave Keary, der Gitarrist von Van Morrison, an der Pedal-Steel-Gitarre zu hören. Es war im Grunde genommen ein sehr kollaboratives Projekt, an dem verschiedene Leute beteiligt waren, und ich bin sehr stolz und glücklich über das Ergebnis.
„[…] ein Symbol für Beständigkeit und Durchhaltevermögen, speziell in schwierigen Phasen.“
Was verstehen Sie unter dem Titel „Bees“?
Sanja Cin: Der Titel „Bees“ hat nicht unbedingt etwas mit dem tatsächlichen Insekt zu tun, sondern vielmehr ist die Biene in diesem Fall ein Symbol für Beständigkeit und Durchhaltevermögen, speziell in schwierigen Phasen. Lustigerweise ist die Biene auch das Symbol von Manchester, steht für Fleiß, Industrialisierung etc. Das war aber absoluter Zufall oder Schicksal, auf jeden Fall ist „Bees“ schon vor meinem Umzug nach Manchester entstanden.
Wie wurden Sie musikalisch sozialisiert?
Sanja Cin: Hauptsächlich durch meinen Vater, der Gitarrist und Sänger ist. Musik und Musikmachen hatten zu Hause viel Platz, gemeinsam zu singen war immer etwas sehr Schönes. Später habe ich mit meinem Vater gemeinsam auch viel auf Feiern und Events gesungen, was ich nach wie vor noch sehr gern tue, wenn ich die Gelegenheit dazu habe. Als Kind habe ich dann Klavier spielen gelernt, ich habe aber nie konkret daran gedacht, Musikerin zu werden. Mir war aber schon klar, dass ich etwas mit Musik und Menschen machen wollte, also habe ich in Wien Musikerziehung und Englisch studiert. Das war eine sehr tolle Zeit, weil sich so viele Türen geöffnet haben. Ich liebe das gruppenmusikalische Element, das ich im Studium erforschen konnte. Gleichzeitig hatte ich in dieser Zeit viel Raum, den ich dem Songwriting widmen konnte.
Somit hab ich viel Popmusik durch meinen Vater und viel Klassisches durch meine schulische Laufbahn mitbekommen. Populäre Musik war immer etwas Natürliches für mich, die Klassik hingegen hat mir gezeigt, wie man sich Dinge erarbeitet und an etwas dranbleibt.
Welche Einflüsse sind für Sie wesentlich?
Sanja Cin: Verschiedene Künstlerinnen wie Feist und Regina Spektor, das waren so die ersten Singer-Songwriterinnen, die ich als Teenagerin viel gehört habe. Neben frühkindlicher exposure zu ABBA, weil mein Vater das einfach viel gehört hat. Gleichzeitig hörten wir auch viel Musik aus Brasilien und vom Balkan, aus Bosnien und Herzegowina, wo ich geboren worden wurde. Ich integriere – oft unbewusst – bestimmte Elemente aus all diesen Inspirationen in meine Musik oft unbewusst.
Sie leben in England. Haben die politischen Umstände Auswirkungen auf Ihre Musik?
Sanja Cin: Die politischen Umstände haben nicht primär auf meine Musik einen Einfluss, auf mich persönlich natürlich schon. Ich beobachte gespannt, wie wir alle mit den Veränderungen umgehen. Es gibt ja verschiedene Ansichten, aber hauptsächlich kann man einfach sagen, dass vieles nur komplizierter wird, vor allem für Künstlerinnen und Künstler.
Welche Form der Unterstützung oder Vernetzung ist für Sie wichtig? Haben Sie als Musikerin in puncto Beratung, Vernetzung etc. in Österreich beispielsweise von mica – music austria profitiert?
Sanja Cin: mica ist für mich eine sehr gute Informationsplattform, die ich in meiner Zeit in Österreich genutzt habe, um über Konzerte, Angebote, Musikerinnen und Musiker zu erfahren, aber auch um Infos zu Themen wie CD-Produktion etc. zu erhalten. Jetzt lebe ich zwar in England, mir ist aber trotzdem die Information sehr viel wert und ich freue mich natürlich über eine mögliche Vernetzung mit meinen neuen musikalischen Projekten in naher Zukunft.
Auf Spotify werden Sie am häufigsten in Wien, Manchester und London gehört. Woran, denken Sie, liegt das?
Sanja Cin: Dass ich am häufigsten in England und Wien gehört werde, liegt vermutlich daran, dass das meine Hauptwohnorte sind. Ich spiele momentan hauptsächlich in und um Manchester, aber ich plane gerade Konzerte in England und ebenso in Österreich.
„[…] eine große Freude, die Musik durch mich selbst zu verkörpern.“
Wie kann man sich Ihre Arbeitsweise vorstellen?
Sanja Cin: Das Songwriting ist für mich eine sehr intuitive Angelegenheit. Es gibt selten Momente, in denen ich mir denke bzw. vornehme, dass ich einen Song zu einem bestimmten Thema schreibe. Meistens kristallisiert sich das Thema erst durch das Lied heraus und ich experimentiere gerne. Ich gebe dem Song Raum und schaue, was dabei herauskommt. Interessanterweise sind es meistens Themen, die mit Selbstwert und Eigenermächtigung zu tun haben, aber auch mit der Auseinandersetzung mit meiner Vergangenheit und deren Einfluss auf das, was ich heute bin.
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In dem Musikvideo zu „Bees“ sind Sie tanzend auf der Straße, am Meer zu sehen. Welchen Stellenwert hat Körperlichkeit für Sie?
Sanja Cin: Körperlichkeit hat einen großen Stellenwert für mich. Ich reagiere einfach oft sehr körperlich auf Sachen, auf Musik natürlich, auch auf Emotionen. Ich sehe oft Bewegung in der Musik und für das Video zu „Bees“ war es mir ein Anliegen und eine große Freude, die Musik durch mich selbst zu verkörpern. Wenn ich auftrete, spiele ich meistens ein Instrument und habe nicht viel Raum, um mich zu bewegen. Aber auch die Ruhe kann ich genießen, genauso wie die Körperlichkeit.
In welchem Umfeld erleben Sie Musik am liebsten?
Sanja Cin: Das Tolle an Livemusik ist für mich, dass sie einen Ort der Aufmerksamkeit erschafft. Ein Konzert ist deshalb etwas so Besonderes, weil die Musikerinnen und Musiker etwas Interessantes und Schönes entstehen lassen. Außerdem bietet ein Konzert die Möglichkeit, sich auf etwas zu fokussieren, und das gemeinsam mit anderen. Das kann für mich bei einem Konzert sein oder auch im kleinen Rahmen beim Musikhören.
Ich selbst spiele sehr gern auf Kleinkunstbühnen, wo Publikum und Musikschaffende sehr nahe beieinander sind. Aber natürlich haben aber verschiedene Bühnen und Settings ihren Reiz!
Können Sie Sanja Cin mit einem Satz beschreiben?
Sanja Cin: Songwriting around pop, with a bit of folk and a lot of heart!
Was für Pläne haben Sie?
Sanja Cin: Meine Pläne sind jetzt, hier in England Fuß zu fassen und viel zu spielen, auch eine Tour in Österreich zu spielen und im nächsten Jahr ein Album aufzunehmen. Dazwischen gibt es natürlich Platz für Projekte aller Art.
Was wünschen Sie sich für Ihre Musik?
Sanja Cin: Ich wünsche meiner Musik vor allem Raum und dass ich das, was entstanden und in Entstehung ist, teilen kann und mit meinen Aufnahmen und Konzerten den besagten Ort der Aufmerksamkeit schaffen kann. Am liebsten in verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Menschen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Julia Philomena
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Sanja Cin (Facebook)