Sea Cathedral – „Seven Suns“

„Seven Suns“ (Seayou Records, VÖ: 21.11.), das Debüt von Sea Cathedral, öffnet einen Raum, der sofort aus dem Gewöhnlichen fällt. Die Musik des in Wien lebenden Vorarlbergers Laurin Bösch besitzt jene seltene Fähigkeit, Hörer:innen ohne Vorwarnung an andere Orte zu versetzen: an Küstenlinien unter bleigrauem Himmel, in einsame Berglandschaften, in denen nur Wind und ferne Echos zu existieren scheinen. Die Musik trägt Spuren jener Island-Erfahrung: mehrere Tage alleine im Zelt, geprägt von viel Natur und Weite.

Sea Cathedral bewegt sich zwischen reduziertem Liedermachertum, schimmerndem Indie Folk und wuchtiger Post-Rock-Sprache, angereichert mit kammermusikalischen Farben und gelegentlichen Ausflügen Richtung 70s-Progressive. Die Stücke lassen sich treiben und verdichten sich dann wieder zu monumentalen Anspannungen; sie atmen, wachsen, stauen sich auf und lösen sich in fein ausgearbeiteten Instrumentalverläufen wieder. Warme Grundfarben dominieren, selbst wenn dunklere Töne unter der Oberfläche dräuen. Laurin Böschs Stimme – verletzlich, fast flüsternd – setzt immer wieder berührende Akzente, bevor die Musik in größere Wellen ausbricht.

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Die Songs bauen ihre Spannung oft langsam und mit großer Sorgfalt auf: zarte Linien verflechten sich, repetitive Muster steigern sich behutsam, bis sie in schwere Riffs, psychedelische Flächen oder dröhnende Tiefen kippen. Unterstützt von Alexander Lausch (Produktion), Emily Stewart (Violine), Lukas Lauermann (Cello), Ludwig Ascher (Trompete) und Julian Pieber (Schlagzeug) entstehen Szenerien, die an verwitterte Felsmassive, flirrende Horizonte oder unendliche Weiten erinnern – Bilder, die einen unerwartet berühren können. Zugleich wirken viele Passagen fast hypnotisch: Man verliert das Zeitgefühl, lässt sich von der schwebenden Atmosphäre tragen, bis die Musik einen in eine fast sentimentale Ruhe entlässt.


„Seven Suns“ ist großes Klangkino: ein stimmungsvolles Debüt, das mit Sensibilität, dramaturgischer Klarheit und einem ausgeprägten Gefühl für Dynamik überzeugt. Sea Cathedral gelingt es, unterschiedliche Einflüsse zu einer organischen Erzählung zu verweben – melancholisch, weit, eindringlich und voller Tiefe. Wer Musik sucht, die sich nicht auf schnelle Effekte verlässt, sondern Räume öffnet, in denen die eigenen Sehnsüchte plötzlich sichtbar werden, wird hier einen selten intensiven Begleiter finden.

Michael Ternai

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Sea Cathedral live
13.12. Tüwi, Wien Albzumrelease

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Links:
Sea Cathedral (Instagram)
Seayou Records