Der ÖSTERREICHISCHE KOMPONISTENBUND (ÖKB) und die MDW – UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST WIEN luden am 28. April 2018 zum AUSTRIAN FILM MUSIC DAY, dem Fachtag und der Vernetzungsplattform der heimischen Film- und Medienmusikbranche. Es ist dies eine Veranstaltung für alle Film- und Medienmusikschaffenden, insbesondere für NewcomerInnen der Branche und Studierende. Dieses Jahr stand unter dem Titel „Psychoakustik – Wirkung der Bild/Ton-Beziehung“.
Wirkungen der Bild-Ton-Beziehung
Die Musikwissenschaftlerin Claudia Bullerjahn berichtete in ihrem Impulsreferat „Wirkung von Filmmusik – zwischen hohen Erwartungen und empirischen Realitäten“ über aktuelle Forschungsergebnisse und wies auf Forschungslücken und Fehleinschätzungen hin. Musik sei im Film zwar nicht zwingend, vor allem im Hollywoodfilm werde jedoch Musik verwendet, um vorhersehbare Emotionen auszulösen. Im Film würden audiovisuelle Reize als Einheit wahrgenommen. Auch wenn die visuellen Reize im Film dominieren wurden, könne Musik die Wirkung der Bilder steigern. Das sei zum einen auf erlernte Konventionen zurückzuführen und zum anderen auf biologisch veranlagte Wahrnehmungsmechanismen. So könne ansteigende Lautstärke die Wirkung eines sich näherndes Raubtiers auslösen. Der Soundtrack suggeriere „Gefahr“. Die Kunst der Komponistinnen und Komponisten sei es, die Balance zwischen der eigenen Kunst und der oft gewünschten filmischen Funktionalität zu finden. Mit einem für eine Studie neu vertonten Ausschnitt aus dem spanischen Horrorfilm „REC“ wurde sehr eindrucksvoll demonstriert, wie ein gut platziertes Sounddesign den Schockeffekt unterstützen kann.
Best Practice
Der für 11:00 Uhr angesagte Filmkomponist Marius Ruhland war leider erkrankt. Es wurde spontan eine Gruppe von jungen Komponisten zusammengetrommelt, die aus ihrer täglichen Arbeit im Film- und Medienbereich berichteten. Am Podium saßen Markus und David Zahradnicek von „Wobblersound“, Julian Schuller (Drittplatzierter beim diesjährigen Wiener Filmmusik Preis), Raimund Hepp und Karwan Marouf. Moderiert wurde von Alexander Kukelka, der wissen wollte, wie man in Bereich Medienkomposition Fuß fassen kann. Allgemeine Meinung: Es sei gut, mit jungen Regisseurinnen und Regisseuren mitzuwachsen. In Österreich würden oft bestehende Teams zusammenarbeiten. Raimund Hepp meinte überspitzt formuliert: „Es muss schon einer sterben, um nachrücken zu können.“ Julian Schuller meinte, dass es in Los Angeles mehr Möglichkeiten gebe, an Aufträge zu kommen, als in Österreich. Täglich würden neue Filme, Serien, Trailer und Spiele produziert, für die Musik benötigt wird.
Ein weiterer Vorteil in Los Angeles seien standardisierte Prozesse. Bei Aufträgen, die oft sehr schnell gehen müssen, müsse nicht lange überlegt werden. Karwan Marouf meinte, dass die neuen technischen Möglichkeiten toll seien. Für große Produktionen müsse man schon noch ins große Studio gehen, der Rest könne im „Kinderzimmer“ gemacht werden. Das Problem sei, dass alle die gleichen Tools wie z. B. Sound Libraries verwenden. Wichtig sei der individuelle Umgang mit diesen Werkzeugen, Einheitsbrei sei zu vermeiden. Als Abschluss wurde eine neu vertonte Szene aus Avatar gezeigt („Avatar Chasing Scene“), bei der Julian Schuller für eine Übung im Rahmen seiner Ausbildung an der LA Recording School das Sounddesign und die Musik komponierte.
Präsentation: Wiener Filmmusik Preis 2018

Um 12:00 Uhr wurde der diesjährige Gewinner des Wiener Filmmusik Preises 2018 präsentiert. Daniel Stadler gewann den ersten Preis mit der musikalischen Neuvertonung einer Sequenz aus Stefan Ruzowitzkys Film „Die Hölle“. Die aufstrebenden Komponistinnen und Komponisten wurden bei ihrer Arbeit vom deutschen Filmkomponisten Marcel Barsotti als Mentor begleitet, der beim Gespräch leider nicht anwesend sein konnte und eine Videobotschaft schickte. Das Schwierige an der zu vertonenden Szene (einer Autoverfolgungsjagd) war das sehr prominente Sounddesign, um das „herumkomponiert“ werden musste. Die Verschränkung von Sound und Musik ist dem Gewinner Daniel Stadler laut Jury am besten gelungen.
Ein Tipp vom Gewinner an zukünftige TeilnehmerInnen: Es sei gut, sich die Filme, aus denen die zu vertonenden Sequenzen stammen, nicht im Vorhinein in voller Länge anzuschauen. Das Wissen über die Stelle im Film hindere die eigene Kreativität bei der eigenen Vertonung. Was er mit dem Preisgeld von 7.000 Euro machen wird, wollte der Gewinner nicht sagen. Er habe zu viele andere Projekte am Laufen, als dass er sich um Geld kümmern könnte. Mit einem Ausblick auf die Zukunft des Filmmusikpreises schloss Alexander Kukelka das Gespräch.
Werkstatteinblick
Station Rose feiern 2018 ihr 30-jähriges Jubiläum. Seit 1988 kreiert das das Künstlerduo Elisa Rose (bildende Künstlerin) und Gary Danner (Musiker) in seinem Multimedialabor audiovisuelle Kunst. In ihrem Vortrag berichteten sie über den kreativen Prozess, über das Archivieren alter Projekte und die neuen Möglichkeiten mit iPads und Apps für die Erschaffung ihrer Kunst.
Der gute Ton
Um 14:30 Uhr fanden sich die „Verantwortlichen für den guten Ton im Film“, so Kukelka, zum Fachgespräch „Editing, Originalton, Sound Design, Musik – Wirkung der Bild/-Tonbeziehung in der Praxis“ am Podium ein: William Edouard Franck (Filmtonmeister), Alexander Kukelka (Komponist), Philipp Mosser (Sounddesigner) und Bernhard Schmid (Editor) gaben Einblick in ihre Arbeitsweisen und Erfahrungen.
Der gute Ton beginne bereits bei den Dreharbeiten. Die Kunst sei es, am Set einen „Moment“ entstehen zu lassen, den die Kamera und der Ton dann einfangen können. Das Drehbuch gebe dabei den Rahmen vor. Es sei gut, bereits im Drehbuch die akustische Seite mitzudenken. Wenn z. B. in einer Szene in „Inglourious Basterds“ von Quentin Tarantino nicht stehen würde, dass durch das Schließen eines Fensters in einer Szene keine Vögel mehr zu hören sind, würde der Ton später nicht damit arbeiten können.
Wie die Musik zum Film komme? Der Film werde üblicherweise fertig geschnitten („Picture Lock“). Bei der „Spotting Session“ werde dann entschieden, an welchen Stellen Musik und Sounddesign im Film verwendet werden. Die übliche Praxis, den Film während des Schnitts vorübergehend mit bestehender Musik – sogenannten „Temp Tracks“, also temporären Musiktiteln aus anderen Filmen – zu unterlegen, könne ein Problem sein. Vor allem dann, wenn sich ein Editor oder Regisseur an diese Musik gewöhne („Temp Love“). Es kann dann schwer etwas Neues entstehen.
Anhand von Szenen aus den Filmen „Atmen“ und „Superwelt“ von Karl Markovich wurde auf konkrete Arbeitsweisen und auf die Herausforderung eingegangen, wenn Komponistin bzw. Komponist und Sounddesignerin bzw. Sounddesignerin das Drehbuch unterschiedlich interpretieren. Für die Praxis: Eitelkeit sei fehl am Platz, es könne passieren, dass eine Musik an einer anderen Stelle im Film verwendet wird, für die sie ursprünglich komponiert wurde.
Abschließend lud Alexander Kukelka noch zum Komponisten-Songwriter-Stammtisch.
Christoph Gruber
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