Die Klimakatastrophe ist längst auch in der Musikbranche angekommen. Egal ob als Musiker:in, Veranstalter:in, Promoter:in oder Gastronom:in, es ist Handlungsbedarf gegeben. Die Dringlichkeit der Situation sowie die große Anzahl an Stimmen und Möglichkeiten ist oft verunsichernd; Stichwort: ‚Climate Grief‘. Doch es gibt Potentiale und Möglichkeiten für ökologische Nachhaltigkeit in der Musikbranche und den Bedarf danach erst recht. Diesen Fragen widmete sich am 25.02. die von Stefan Robinig organisierte Veranstaltung „Die Musikbranche in der Klimakrise“ – Vorträge und eine anschließende Podiums-Diskussion gaben Einblicke in Handlungsräume und Praxiswissen.
Music Declares Emergency
Paulina Parvanov, Musikmanagerin und Obfrau von Music Declares Emergency Österreich, fragt in ihrem Vortrag, inwiefern Musik aktivistisch sein kann. Können Künstler:innen durch ihre Arbeit genauso ‚aktivistisch‘ sein, wie Protestierende auf der Straße? Können Musikschaffende durch ihr ästhetisches Werk einen Beitrag leisten, und falls ja, reicht dies aus? Sie appelliert, Aktivismus nicht als „lästig“ zu begreifen, sondern als Chance. Inmitten all dieser Fragen ist es ihr dennoch wichtig hervorzuheben, dass sie nicht die Verantwortung per se auf das Individuum übertragen will: Die großen und notwendigen Hebel liegen in der Politik, doch gemeinsam kann Druck erzeugt werden. Der Verein Music Declares Emergency arrangiert sich durch aktivistisches öffentliches Tun, der durch kollektives Handeln abseits des Parlamentarismus Aufmerksamkeit erzeugen will.
Dass die Debatte innerhalb der Branche nicht mit der Dringlichkeit und Emotionalität geführt wird, die durch den Klimanotstand, in dem wir uns befinden, notwendig wäre, besorgt Paulina Parvanov. Selbst das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015, die Erderwärmung unter 1.5 Grad zu halten, wird nicht eingehalten werden können und die schweren Konsequenzen des menschgemachten Klimawandels sind nicht mehr zu leugnen und sichtbar. Wie alle anderen Branchen auch, steht die Musikbranche nicht nur in der Verantwortung, aktiv zu werden, sie ist laut Paulina Parvanov sogar besonders geeignet dazu. Musik kann niederschwellig wissensvermittelnd und aufklärerisch wirken. Bei Music Declares Emergency kommt auf einer größeren Ebene hinzu, dass berühmte Musiker:innen Vorbildwirkung einnehmen und die inhärente Emotionalität des Mediums zum Handeln motivieren und anleiten kann.
Ein prominentes Beispiel in großen Maßstab wäre das ‚Action Village‘ bei Billie Eilish’s letzter Tour, wo Besucher:innen mithilfe eines Quizes und Mehrweg-Systemen über nachhaltiges Verhalten aufgeklärt wurden. Das sind alles kleine Beiträge, aber wenn die Reichweite so groß ist, kann der langfristige Impact ebenfalls beträchtlich sein. Außerdem, sobald man einmal den ersten Schritt gesetzt hat und anfängt sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, können viele nachhaltige Veränderungen des Lebensstils folgen. Music Declares Emergency ist eine internationale Plattform, die mittlerweile in 11 Ländern aktiv ist, seit 2022 auch in Österreich, und zum Mitmachen und aktiv werden aufruft.
Ökologisch Nachhaltiges Veranstalten
Georg Demmer von United Echo und Sylvia Haase aka Penny Fox von der Worldtrash.Agency, die unter anderem bei der Zwischennutzung des Schloss Cobenzl bereits zusammen an nachhaltigen Veranstaltungskonzepten gearbeitet haben, gaben einen kurzen Überblick über die wichtigsten Veränderungen, an die beim Veranstalten gedacht werden muss. Ein ökologisch nachhaltiges Event ist natürlich nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Abschwächung der Klimakrise, sondern steigert auch die Qualität der Veranstaltung und fördert das Image. Die beiden kristallisierten die Möglichkeiten unter 5 Schlagwörtern zusammen: Energie/Wasser, Abfall, Gastronomie, Transport & Kommunikation.
Vor allem bei den Location-Betreiber:innen zeigten die Vortragenden einiges an Möglichkeiten auf. Die ersten Schritte, die gesetzt werden können, sind oft klein, doch diese summieren sich. Wichtige Anfänge sind das Wechseln auf Ökostrom, Mehrweg-Systeme und energiesparende Kühlgeräte sowie deren regelmäßige Wartung. Bei den Produkten muss die Devise lauten: Bio, regional, saisonal und vegan/vegetarisch. Sonst heißt es zudem wenig überraschend: Wasser sparen, LED-Lampen einsetzen, Abfallwirtschaft überdenken, Deko recyclen, nur das Notwendigste drucken und so weiter – doch das muss erst einmal alles im Betriebsalltag umgesetzt werden. Der Standort einer Location hat ebenfalls einen riesigen Einfluss auf den Fußabdruck des Events: Die Veranstaltung kann noch so nachhaltig sein, wenn sie nur mit dem Auto oder gar nur per Flugzeug erreichbar ist. Die Besucher:innen sollten mit dem öffentlichen Verkehr alles erreichen können. Auch alle internen Elemente der Veranstaltungen sollte man so nah wie möglich aneinanderlegen, auch etwa die Unterkünfte der Artists, um die sonst üblichen und zahlreichen Uber-Fahrten zu reduzieren.
Als externe Musiker:in oder Veranstalter:in ist man oft nicht in der Position, solche Dinge einzufordern, vor allem bei einer einmaligen Kooperation. Die beiden Vortragenden raten dazu Nachhaltigkeits-Wünsche trotzdem zu kommunizieren, etwa auf Ridern. Zur Umsetzung als Artist bietet sich da oft die Verpflegung an; wenn Locations oft Anfragen zu vegetarischer und regionaler Verpflegung bekommen, kann das langfristig zu einem generellen Umdenken für das Angebot des gesamten Betriebs führen, wenn vielleicht auch einfach aus pragmatischen Gründen. Gegenüber den Gästi:nnen raten die Beiden, mutig, ehrlich & offen zu kommunizieren, warum welche ökologischen Maßnahmen getroffen werden und warum diese wesentlich sind – das klärt nicht nur auf, sondern ist auch nachhaltig, denn Georg Demmer und Sylvia Haase bekräftigten, dass eine Veranstaltung nur so nachhaltig sein kann wie alle ihre Stakeholder:innen. Es bietet sich auch an, an das aktive Handeln von Besucher:innen zu appellieren etwa „Bring Your Own Cup“ oder „Bildet Fahrgemeinschaften“.
Existierende Betriebe müssen und können nur ‚Step by Step‘ gehen, aber nicht mehr darauf warten anzufangen. Sponsoring-Verträge mit stark klimaschädlichen Marken oder bereits getätigte Investitionen stehen oft im Weg, aber es bestehen Möglichkeiten für Nachhaltigkeits-Beratung von Stadt und Bund, wie das „ÖkoEvent“ oder dem „Umweltzeichen“, mit denen in einzelnen Bereichen sogar Geld eingespart werden kann. Doch man soll sich nichts ‚schönreden‘, alle derzeit möglichen und notwendigen Veränderung durchzuführen kostet Zeit und Geld. All diese Handlungen sind für Georg Demmer und Sylvia Haase an sich selbst schon erstrebenswert, doch das langfristige Ziel dieser Handlungen sind immer strukturelle Veränderungen und politisches Engagement.
Abschließend erinnern die Beiden zudem daran, dass es beim Veranstalten neben ökologischer Nachhaltigkeit auch soziale Nachhaltigkeit zu beachten gibt. Sprich, wie barrierefrei ist die Veranstaltung, wird Fair-Pay auf allen Ebenen durchgesetzt, wie inklusiv ist das Event?
Podiumsdiskussion: Wie kann eine ökologisch-gerechte Musikbranche aussehen?
Speakers: Yasmin Hafedh (Künstlerin bei Yasmo & die Klangkantine), Arne Forke (Referent für Musik, Theater und Literatur bei der Stadt Wien) und Peter Baumüller (Gründer des Musikclub Open Air und Vorstand des Musikclub Lembach)
Moderation: Verena Mischitz (Journalistin bei Der Standard und Sprecherin des Netzwerks Klimajournalismus)
Verena Mischitz führte mit der Frage nach der aktuellen Nachhaltigkeit der Musikbranche in die Diskussion ein. Konsens war, dass es sehr durchmischt ist und von verschiedenen Positionen unterschiedliche Probleme auch leichter zu lösen sind. Während zum Beispiel vor allem alternative ländliche Veranstaltungen schon lange auf regionale und ökologische Produkte setzen, fällt es vor allem großen Veranstaltungen leichter, auf Mehrweg-Systeme in der Gastronomie zu setzen, welche vieler Orts schon üblich sind.
Yasmin Hafedh, Künstlerin bei Yasmo & die Klangkantine erinnerte daran, dass die Musikindustrie am Ende des Tages immer noch eine Industrie ist, wo wie überall sonst die größeren kommerzialisierten Akteur:innen die größten Schäden anrichten, daher muss es strukturell und finanzielle Anreize und Regeln geben. Sie griff auch die Frage inwiefern Musikschaffende in der Verantwortung stehen: Diese sollen laut sein und die Öffentlichkeit nutzen, dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass vor allem der Beginn einer künstlerischen Laufbahn prekär sein kann und sich nicht alle leisten können, Dinge anzusprechen und z.B. internationale „Flug Gigs“ aus ökologischen Gründen abzusagen
„Du kannst halt nicht im Nachhinein sagen, schau ich habe Rückgrat, schau wem ich alles abgesagt habe.“
Gründer des Musikclub Open Air und Vorstand des Musikclub Lembach, Peter Baumüller, berichtet, dass sein Verein schon lange auf nachhaltige Produkte und Müllvermeidung setzt. Dieses Bedürfnis ist organisch gewachsen, es wurden einfach nacheinander immer wieder Probleme angegangen, die sie gestört hatten.
Bei einer vergangenen Veranstaltung sah der Verein die klassische Festival Wiese voller Müll am Tag darauf und dachte sich; so kann das nicht weitergehen.
Aus Linz berichtete er, dass viele kleineren Locations die von Förderungen der Stadt neuerdings empfohlen Nachhaltigkeits-Guidelines trotz schwieriger Umstände sowieso bereits von sich aus umsetzen, während Big Playern das nach wie vor egal ist. Trotzdem darf man sich nicht entmutigen lassen und dort anfangen, wo man Möglichkeiten sieht. Peter Baumüller sieht die Lage nämlich trotzdem positiv und meint, dass unser Handeln wird Wellen schlagen.
Arne Forke, Referent für Musik, Theater und Literatur bei der Stadt Wien, erläuterte die Perspektive von Seiten der Fördergeber:innen. Fördermittel-Empfänger:innen brauchen Autonomie bei deren Umsetzungen, doch die Stadt arbeitet daran, ökologische Projekte bewusster zu unterstützen. Denkbar sei in naher Zukunft das Musik-Fördermittel auch in Wien an gewisse Nachhaltigkeitskriterien gebunden werden, wie es etwa bei großen Filmförderungen bereits üblich ist. Peter Baumüller berichtete bereits, dass Förderungen der Stadt Linz schon an einen Katalog an Nachhaltigkeitszielen gebunden, von denen zwei erfüllt werden müssen, um eine Förderung zu erhalten.
Arne Forke meint, dass die österreichische Wirtschaft auch mehr Verantwortung übernehmen müsste, etwa indem sie mehr Geld der Gesellschaft zurückgeben würde. Förderungen von Stiftungen, die von der Privatwirtschaft finanziert werden, zu erhalten ist zum Beispiel in Deutschland üblich, fehlt aber in Österreich. Forke hebt auch hervor, dass auch die künstlerische Auseinandersetzung mit der Klimakrise produktiv und fördernd sein kann.
Arne Forke merkt an, dass die Covid-Krise gezeigt hat, dass bis dato unvorstellbare gesellschaftliche Veränderungen in der Tat schnell möglich werden können, also bleibt die Hoffnung, dass wir eine Klimawende in der notwendigen Geschwindigkeit vollziehen können, aufrecht.
Die Pandemie hat bereits zu einem Umdenken angeregt, was Mobilität angeht; viele Reisen werden jetzt durch Zoom-Meetings ersetzt und auch, was Festivals angeht, wird oft nachhaltiger gedacht und der Flugtourismus durch langfristigere Residencies oder dem erhöhten Fokus auf Nationalem ersetzt, schließlich ist Nachhaltigkeit auch Lebensqualität.
Nachhaltigkeit ist als Thema angekommen und wird nicht mehr verschwinden, denn auch wenn es sich oft nicht so anfühlt, stehen wir nicht nur metaphorisch an der Klippe. Es stehen Ressourcen und Organisationen zum Handeln zur Verfügung, man kann sich vernetzen, andocken und beginnen.
Samuel Obernosterer
Links:
Music Declares Emergency
Julies Bicycle Green Rider für Artists wie von Music Declares vorgeschlagen
ÖkoEvent
Umweltzeichen
OekoBusiness Wien