Porträt: Raphael Wressnig

Raphael Wressnig ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass es auch abseits der musikdidaktischen Trampelpfade Wege und Möglichkeiten gibt, in der Musikwelt Fuß zu fassen, ja mehr noch, international für Aufsehen zu sorgen. Seine Karriere erinnert ein wenig an den großen Joe Zawinul, der einst in die USA auswanderte und als gefeierter Star zurückkehrte. Dabei ist den beiden nicht nur die intensive Beschäftigung mit Tasteninstrumenten gemein, sondern auch die Liebe zum Soul-Jazz der frühen 1960er Jahre.

Raphael Wressnig wurde in Bad Radkersburg nahe der slowenischen Grenze geboren und spielte bereits im Kindesalter Klavier. Weil das Klavierspielen für ihn wie er sagt aber „zutiefst langweilig“ war, spielte er immer wieder mit dem Gedanken damit aufzuhören. Erst mit 15 oder 16 Jahren streckte er langsam seine Fühler nach Musikstilen aus, die ihn auch wirklich interessierten. So begann er sich nach und nach mit Blues, Soul, Funk und Jazz auseinanderzusetzen und auf seinem Keyboard vor allem mit den genrespezifischen Sounds wie etwa des Wurlitzer Electric Piano, Fender Rhodes, Hohner Clavinet oder der Hammond B3 Orgel zu experimentieren. Der charakteristische und facettenreiche Sound der Hammond B3 hat es ihm schlussendlich angetan. „Die Hammond ist wie ein Virus für mich. Das Wesentliche an ihr ist, dass man eine Band „fett“ klingen lassen kann. Gerade in der Triobesetzung (ohne Bassisten) ist die Hammond ideal. Der etwas breitere, undefinierte Orgelbass in Verbindung mit einem knackigen Schlagzeug, da kann man so richtig dahinkochen!“ Bereits mit 19 Jahren tauschte Wressnig dann sein Keyboard gegen eine echte Hammond B3 inklusive dem dazugehörigen Leslie (Rotationslautsprecher).

Anders aber als das Gros der MusikerkollegInnen seiner Generation, beschäftigte sich Wressnig –abgesehen von der Klavierausbildung in seiner Kindheit – auf autodidaktischem Wege mit seinem Instrument, indem er die Aufnahmen seiner Vorbilder wie Jimmy Smith, Jack McDuff, Jimmy McGriff, Groove Holmes, Hank Marr wie ein Schwamm in sich aufzog  und so Phrasen, Wendungen und Spielweisen zu seinem eigenem musikalischen Vokabular vereinte. Neben diesen Pionieren der Hammond B3 im Jazz, Soul und Funkbereich lernte er vor allem von zeitgenössischen Großmeistern wie etwa John Medeski, Larry Goldings, Billy Preston, Joey DeFrancesco und weiteren namhaften Hammondorgelspielern bei ihren zahlreichen Liveauftritten. Obwohl es Wressnig wie er selbst sagt durch diese Herangehensweise an die Musik sicherlich etwas an theoretischem Background mangelt, sieht er seinen musikalischen Schaffensprozess losgelöst vom akademischen Korsett, welches einen oft lähmen kann in dem man „zu sehr an Harmonien und Skalen festklebt und weniger auf natürliche Weise kommt.“ Für den Zuhörer sei es ohnehin „Wurscht“ in welchem Zusammenhang die eine oder andere coole Phrase mit dem Akkord steht. „Viele Kollegen, die studiert haben – wie etwa Lukas Knöfler und Georg Jantscher aus meinem Trio –,   erzählen mir immer wieder, dass sie sich während des Studiums dem [Unterricht] so intensiv gewidmet haben, dass sie dann ein paar Jahre brauchten, um sich wieder davon lösen zu können. Und dann erst können sie frisch und frei als Musiker starten, wie man sich das so vorstellt, wo´s wirklich um die Musik geht.“

Der Weg zum Profimusiker ereignete sich dann auch fast wie von selbst. Die Auftritte mehrten sich von Mal zu Mal bis Wressnig schließlich davon leben konnte und so mit 22 Jahren den Entschluss fasste, endgültig die Musikerkarriere einzuschlagen. Seither ist Wressnig mit unterschiedlichen Formationen quer über den Erdball von den USA bis Dubai, von Mexiko bis Nordafrika, von Russland über die Karibik und zurück nach Europa unterwegs.

Zu seinem zentralen Projekt zählt das Soul-Jazz-Bluesige „Organic Trio“ zusammen mit Georg Jantscher an der Gitarre und Lukas Knöfler am Schlagzeug, mit dem 2002 das Debütalbum „Manic Organic“ veröffentlicht wurde. Daneben betreibt Wressnig mehrere Trio- und Quartettkollaborationen u.a. mit Sax Gordon, Alex Schultz, Jim Mullen, Enrico Crivellaro oder Harry Sokal, mit denen das weite Feld des Soul, Jazz, Blues und Funk beackert wird. Ergänzt um Horst-Michael Schaffer, Christian und Robert Bachner sowie Luis Riberio wird das „Organic Trio“ kurzerhand zu einem schnaufenden, wilden Funk-Groove-Monster – oder auch „Raphael Wressnig’s Party Factor“ genannt – verwandelt. Ähnlich geschehen auch bei seiner zweiten größeren Formation „Raphael Wressnig & The Big Boogaloo Hornz“ – wenn auch mit abgewandelter Besetzung mit u.a. Josef Burchartz, Markus Ecklmayer, Sebastian Grimus, Gerald Pöttinger, Peter Legat und Silvio Berger – wo  R&B, Jazz und Boogaloo auf großorchestralen Funk und Soul stößt. Verstärkt bluesorientiert arbeitete Wressnig mehrere Jahre intensiv mit dem Doyen des steirischen Blues „Sir“ Oliver Mally zusammen, wo im Duo als auch mit dessen „Blues Distillery“ die komplette Bandbreite des akustischen bis hin zum modernen, elektrischen Blues abgedeckt wurde. Die musikalischen Früchte dieser Zusammenarbeit wurden gekonnt auf den fünf erschienen Alben und einer DVD kredenzt. Darüber hinaus machte Wressnig international mit zahlreichen Touracts wie zum Bespiel dem Blues-Sänger und Gitarristen Larry Garner, einer All Star Blues Band aus Chicago u.a. mit Billy Flynn, Kenny „Beedy Eye“ Smith und Felton Crew sowie weiteren Blues- und Jazzgiganten wie Louisiana Red, Phil Guy, Sugar Blue, Craig Handy oder Pete York von sich reden.

Raphael Wressnig veröffentlichte bislang an die 15 CDs und wurde bereits mehrfach im Poll des Magazins „Concerto“ in den Kategorien „Bester Blues Act des Jahres“, „Bestes Album Jazz“, „Bester Jazz Act des Jahres“ oder „Bester Jazzmusiker des Jahres“ ausgezeichnet. 2003 belegte Wressnig den 2. Platz beim Jazz Organ Poll des International Archive for the Jazz Organ (IAJO). „Ein tolles Gefühl und eine große Ehre für mich!“ Wir dürfen nur noch auf viele weitere, üppige groovig-kochende Jazz-Soul-Schmankerl hoffen. Nur weiter so!
Georg Demcisin

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