Will man Peter Herbert’s Wirken und Werken auf einen gemeinsamen Nenner bringen, dann erweist sich die Phrase „On the road“ als sehr zutreffend. Sowohl was sein eigenes Leben, als auch seine Musik betrifft, befindet sich Peter Herbert auf einer kontinuierlichen Reise zwischen den Kulturen, Musikstilen und Beschäftigungsschwerpunkten. Über Jazz, Klassik, improvisierte und Neue Musik, klassische arabische Musik, Auftragskompositionen von Orchester- oder Kammermusikwerken bis hin zu Avantgarde-Theater und Multimediakompositionen, solange das Betätigungsfeld „unkommerzieller“ Natur ist, ist es wert bearbeitet zu werden.
1960 in Bludenz in Vorarlberg geboren, startete Peter Herbert’s Musikkarriere eher unscheinbar. Mit acht Jahren begann er mit dem Klavierspielen, wechselte dann an den Kontrabass und besuchte von 1976 bis 1978 das städtische Konservatorium in Bregenz. Aufgrund von falschen Instruktionen seines damaligen Lehrers, zog sich Herbert nach ca. eineinhalb Jahren eine Sehnenscheidenentzündung zu. Dieser Umstand veranlasste ihn dazu, das Kontrabassspiel aufzugeben um seine gesamte Energie auf einen gänzlich anderen Schwerpunkt zu fokussieren, nämlich das Sportklettern. In den nächsten drei Jahren trainierte Peter Herber täglich drei bis vier Stunden und bezwang teils als Free-Climber ohne jegliche Sicherung karge Felswände.
Wendepunkt in seinem Leben wurde das Solo-Konzert eines in musikalischer Hinsicht mindestens ebenso waghalsigen „Extremsportlers“. Die Rede ist von Keith Jarrett. Das Konzert im Bregenzer Kornmarkt-Theater traf Herbert wie ein Blitz, woraufhin er sich entschloss, wieder die musikalische Laufbahn einzuschlagen. Unter glücklichen Umständen gelang die Aufnahmsprüfung für Klassik- und Jazzkontrabass an der Musikuniversität Graz, „obwohl [er] damals am Bass noch nicht einmal einen Blues spielen konnte“, was Peter Herbert bei seinen Interviews nie zu erwähnen vergisst. Als einer der besten Jahrgänge studierte Herbert von 1981 bis 1986 u.a. gemeinsam mit Wolfgang und Christian Muthspiel, Alex Deutsch, Andreas Schreiber, Florian Bramböck, Tscho Theissing oder Heinrich von Kalnein und erarbeitete sich innerhalb kürzester Zeit einen Ruf als solider Sideman.
1987 begann für Peter Herbert ein neuer Lebensabschnitt. Zu seiner Verwunderung wurde ihm ein Fullbright-Stipendium an der weltweit wohl einflussreichsten Jazzschmiede, der Berklee School of Music in Boston zuerkannt, für das er sich eher nebenbei beworben hatte. Eigentlich auf zwei Semester beschränkt, verlängerte Peter Herbert um ein weiteres Jahr und schloss dort seine musikalische Ausbildung ab. Schon während seines Aufenthalts in Boston, war Herbert oft in New York City wo er zunächst versuchte in der Mainstreamszene Fuß zu fassen. Bereits 1989 – 91 engagierte ihn kein geringerer als Trompeten-Großmeister Art Farmer für seine regelmäßigen Auftritte im Jazzclub Sweet Basil. Ein weiterer klingender Name mit dem Herbert u.a. auch auf Europatournee war, ist der Gitarrist John Abercrombie mit Pianist Marc copland und der Pianist Aydin Esen. Trotz dieser sehr vielversprechenden Engagements merkte er jedoch sehr bald, dass das Spielen „simpler“ Walking-Bass-Lines nicht seine Erfüllung ist und je sein wird. Es müsste doch noch mehr geben, als einfache Viertelnoten zu zupfen.
Und das gab es auch. Rund um den Schlagzeuger, Komponisten und Bandleader Phil Haynes schlitterte Peter Herbert Anfang der 1990er Jahre in die „Free-Improvising-Brooklyn-Szene“ mit der Knitting Factory als Kristallisationspunkt. In den nächsten Jahren arbeitete Herbert u.a. mit Bobby Previte, Ellery Eskelin, der M-Base-Funkband „Mental Images“ des Posaunisten Robin Eubanks, aber auch mit dem aus Israel stammenden Violinisten und Oudspieler Simon Shaheen oder dem in Paris ansässigen Tuareg Baly Othmani. Daneben begann Peter Herbert eigene Bands zusammenzustellen und Musik für diverse klassische kammermusikalische Formationen und Orchester zu komponieren. Parallel zu Jazz und improvisierter Musik beschäftigte sich Herbert in dieser Zeit auch intensiv mit zeitgenössischer Musik u.a. von John Cage, Morton Feldman oder Charles Yves. Besonders deren unbeschwerter Zugang zur Musik imponierte Herbert sehr und stellte für ihn einen gravierenden Bruch zum vergleichsweise traditionsbewussten Komponieren in Europa dar. Wichtiges Anliegen für Herbert war, moderne Musik zu schreiben die sowohl zugänglich für das Publikum ist, als auch Spielfreude bei den ausübenden MusikerInnen erzeugt. Daneben war Herbert u.a. für das Aktionstheater in Wien, Theater Kosmos Bregenz, Theater k.l.a.s. oder das La Voz Festival of the Americas, Santa Fe, New Mexico im Bereich Film- und Theatermusik kompositorisch tätig. Neben Musik ist die Literatur ein fast genauso wesentliches Element in Peter Herbert’s Schaffenskosmos. So arbeitet er etwa seit 1991 regelmäßig mit dem Schriftsteller Wolfgang Mörth zusammen.
Seit 2003 verlagerte Peter Herbert seinen Lebensschwerpunkt nach Paris. Dieser Ortswechsel ist auch Sinnbild für seine veränderten künstlerischen Prioritäten, denn mit Jazz als solchem hat seine Musik schon lange nur mehr marginal etwas zu tun bzw. stellt nur einen geringen Anteil seines gesamten Wirkungsbereichs dar. Einen Großteil des Jahres ist der 2001 mit dem Hans Koller-Preis in der Kategorie „Musiker des Jahres“ ausgezeichnete Bassist unterwegs und gibt entweder eines seiner ungefähr 100 Konzerte als Solokünstler sowie in variierenden Besetzungen, arbeitet als Studiomusiker, komponiert, oder leitet Workshops im In- und Ausland. Daneben war Peter Herbert von 2004 bis 2008 künstlerischer Leiter des JIMS (Summer acadamey for Jazz and Improvised Music Salzburg). Seit 2008 ist er Dozent am Institut für Jazz und improvisierte Musik an der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz.
Zu seinen aktuellen Projekten zählen das Wiener Kontrabasssextet „bass instinct“ mit vier klassischen und zwei improvisierenden Bassisten, “Joni”, songs von Joni Mitchell für das Koehne-Streichquartett, electronics (Wolfgang Mitterer), Stimme (ena) und Duoformationen mit den Pianisten Huw Warren und Peter Madsen, dem Slide-Gitarristen David Tronzo, der Bassklarinettistin Carol Robinson oder dem libanesischen Sänger und Oud-Meister Marcel Mhalife. Weiters arbeitet er in Trios mit der Sängerin Agnes Heginger und Christoph Cech oder dem Pianisten Chris Culpo und Saxophonisten Jean-Charles Richard. Einen besonderen Schwerpunkt stellt außerdem Herbert’s Soloprojekt „Naked Bass“ dar, in dem er sich ausschließlich dem schier unerschöpflichen Forschungsobjekt „Kontrabass“ widmet und intensiv an der Weiterentwicklung der extended techniques – über die gängige Spielweise weiterführenden Techniken und Sounds – und einem Standardwerk für dazugehörige Notationssymbole arbeitet. Daneben kollaboriert Peter Herbert u.a. mit Eric Watson, Joachim Kühn, Christine Tobin, Steve Lacy, Art Blakey, “Little” Jimmy Scott, Sunny Simmons, Franz Koglmann, Lucas Niggli, Samuel Rohrer oder Karl Ratzer u.v.a mehr.
Sein mittlerweile kaum zu überschauendes Betätigungsfeld hat Peter Herbert auf mehr als 120CDs sowie auf zwei Filmen – „Peter Herbert – a portrait in music“ und „Peter Herbert – a portrait in motion“ von Gerhard Klocker – gebannt, die teilweise auf seinem 1999 gegründeten Internetplattenlabel Aziza Music erschienen sind. Lässt man Peter Herbert’s bisherige musikalische und künstlerische Reise Revue passieren, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass er noch lange nicht am Ziel ist.
Peter Herbert © Gerhard Klocker
http://www.azizamusic.com/