Porträt: Nataša Mirković – De Ro

Mirkovic – De Ro 1Aus der österreichischen Weltmusikszene kaum noch wegzudenken ist die aus Bosnien-Herzegowina stammende Sängerin und Schauspielerin Nataša Mirković – De Ro. Ihre vielfältigen Projekte entführen sie in die unterschiedlichsten Musikgefilde von Klassik, Rock, Pop, Jazz bis hin zur Volksmusik und noch viel weiter. Daneben macht sie bei zahlreichen Schauspielen an der Grazer Oper, Schauspielhaus Graz oder der Volksoper Wien von sich reden. Und unlängst wurde sogar das von ihr gesungene Lied „When the Heart Dies“ im Filmdebut von Angelina Jolie „In the Land of Blood and Honey“ als Teil der Filmmusik aufgenommen. Bei all ihren Projekten ist sie stets darum bemüht ihren eigenen Weg zu gehen auf dessen Fährte sie erst im Laufe der Zeit gestoßen ist.

In Zenica im ehemaligen Jugoslawien geboren, wuchs Nataša Mirkovic in Sarajevo auf. Bereits in ihrer frühsten Kindheit war sie mit traditioneller Musik des Balkans konfrontiert. „Mein Vater hat zu Hause Akkordeon gespielt, von ihm habe ich diese Musik gelernt, das waren vor allem Volkslieder, am Wochenende waren dazu immer viele Freunde eingeladen. […]“ Später mischten sich dann noch eigene musikalische Vorlieben wie nationale Rock-, Pop- und Punkmusik sowie internationale Großmeister des Rock und Pop wie Pink Floyd, Led Zeppelin, Deep Purple oder Dire Straits hinzu. Mit sechs Jahren entschloss sich Nataša Mirković – De Ro mit dem Klavierspielen zu beginnen, hatte aber wenig Glück mit ihrer Lehrerin die ihr nach und nach den Spaß am Spielen nahm, bis sie zwei Jahre später das Klavier an den Nagel hängte. Nun stellte sich die Frage, wie es in musikalischer Hinsicht weitergehen sollte. Eher durch Zufall wechselte sie dann zu Gesang, der schon immer neben dem Klavier sowohl in der Schule als auch privat praktiziert wurde. Die Crux an der Sache war aber, dass Nataša Mirković – De Ro eigentlich nie Sängerin werden wollte. Singen war für sie etwas Alltägliches das man ja ohnehin macht „was soll man da noch lernen“. In der Mittelschule stand sie dann vor der erneuten Entscheidung welches Hauptinstrument sie wählen sollte, wobei sie sich zunächst wieder für das Klavier entschied, recht bald aber schlussendlich wieder zum Gesang wechselte. Bereits hier arbeitete Nataša Mirković – De Ro nebenbei als Rundfunkmoderatorin und Studiomusikern im Jazz-, Pop- und Rockmusikbereich und war Mitglied mehrerer Bands so etwa des „Collegium Artisticum“ mit einem breit gefächerten Repertoire angefangen bei Renaissancemusik über bosnische Volkslieder bis hin zu zeitgenössischem Jazz. Der starre klassische Gesangsunterricht auf der Mittelschule war aber ein derart krasser Kontrast zu ihrem bisherigen Gesangstil, dass sie beim Wechsel auf die Hochschule den Entschluss fasste eine weitere musikalische Ausbildung abzubrechen und stattdessen ab 1991 Musikwissenschaft in Sarajevo zu studieren.

Mirkovic – De Ro 2Dabei kam sie mit Musikethnologie in Berührung auf die sie sich mit voller Hingabe und Begeisterung stürzte. Während dieser Zeit begann Nataša Mirković – De Ro auch mit dem Gedanken zu spielen nach Graz zu gehen, da sich herumgesprochen hat, dass es dort eine gute Jazzausbildung gab. Leider machte ihr aber der Bosnienkrieg einen Strich durch die Rechnung der von 1992 bis 1995 in Bosnien und Herzegowina wütete. 1993 flüchtete Nataša Mirković – De Ro nach Deutschland zu ihrem Cousin wo sie für ca. eineinhalb Jahre als Kellnerin, Rezeptionistin und Zimmermädchen in einem Hotel arbeitete. Der ausschlaggebende Moment für die erneute Rückkehr zur Musik war der Auftritt eines Streichquartetts in der Hotelbar. Wenige Tage danach war Nataša Mirković – De Ro bereits auf dem Weg nach Graz wo sie zunächst Musikwissenschaften inskribierte. Das Studium war ihr aber etwas zu trocken und zu weit entfernt von konkretem Musikmachen, weshalb sie sich mit einer Professorin der Musikuniversität Graz auf die Aufnahmsprüfung in klassischem Gesang vorzubereiten begann. Beim zweiten Anlauf konnte sie das Prüfungskomitee schließlich von sich überzeugen.

Bereits ein Jahr darauf erhielt Nataša Mirković – De Ro ihr erstes Engagement an der Grazer Oper wo sie die nächsten fünf Jahre unterschiedliche Rollen spielte. Darüber hinaus arbeitete sie an zahlreichen anderen Projekten wie etwa mit dem Sandy Lopičić Orkestar, diversen Studioaufnahmen im Popbereich, den Theaterstücken Gypsy’s Lullaby oder der Klagelieder-Revue Kassandra von Ernst M. Binder bis hin zu Musicals und Operetten ohne jegliche Berührungsängste zu anderen Genres. „Die Welt der Musik ist ja so bunt, ich konnte mich einfach nicht festlegen.“ Im Nachhinein stellte sich diese Zeit als sehr wichtig dar, da sie durch ihre gänzlich unvoreingenommene Herangehensweise mit vielen unterschiedlichen Gattungen und Stilen in Verbindung kam und so nach und nach ihre eignen Vorlieben und Präferenzen herauslösen konnte die sie zu ihrem eigentlich Ich führten. Dieser Prozess musste aber noch längere Zeit heranreifen. Nach Beendigung des klassischen Gesangstudiums bei Annemarie Zeller, Kammersängerin Joanna Borowska und Helga Müller-Molinari arbeitete Nataša Mirković – De Ro noch einige Jahre in verschiedenen Opernhäusern und war dabei immer wieder mit Unstimmigkeiten mit manchen Dirigenten unter anderem wegen ihrer eigenwilligen Phrasierung konfrontiert. Schon ihre Gesangslehrerin beschwerte sich immer „ … du verjazzt immer alle Mozartarien, das klingt einfach nicht gut …“. Erst heute hat sie verstanden, dass sie schon immer eine eigene Art hatte mit der Musik umzugehen. Anstatt in diesem oder jenem Stil mitzuschwimmen fehlte ihr einfach der Mut ihren eigenen Weg zu gehen.

Mirkovic – De Ro 3Seither ist Nataša Mirković – De Ro bekannt für ausgefallene Konzertprojekte. Zu nennen wären da unter anderem das Jazz Trio mit Agnes Heginger und Ingrid Oberkanins, die Band „Novi Sacin“ mit Matthias Loibner, Rina Kacinari, Marko Zivadinovic, Sascha Lackner und Jörg Mikula, das Kinderprojekt mit Jon Sass, die Kooperation mit Johannes Berauer im Bereich Alter Musik oder eines ihrer klassischen Projekte mit Liedern von Peter Lackner.  Mit dem bereits erwähnten Matthias Loibner verbindet Nataša Mirković  – De Ro eine bereits länger andauernde musikalische Partnerschaft. Das gemeinsame Duoprojekt „Ajvar & Sterz“ erhielt 2005 den Österreichischen World-Music-Förderpreis gefolgt von der 2010 erschienen und mit hymnischen Kritiken überhäuften Neuinterpretation von Franz Schuberts Winterreise arrangiert für Drehleier und Gesang. Neben ihren ausgiebigen Erkundungen der weiten Musiklandschaft kehrt Nataša Mirković – De Ro aber stets zu ihren Wurzeln zurück. „Für mich als Musikethnologin geht es aber vor allem um die Roots, um die Musik, die aus den Dörfern kommt, das hat mich nicht losgelassen.“ Jüngstes Beispiel stellt etwa die 2011 erschienene CD „Soul Motion“ gemeinsam mit ihrem Landsmann Nenad Vasilić dar. Interpretiert werden dabei Ex-Jugoslawische Pop- und Rock-Hits der 1970er, 80er und 90er Jahre auf gänzlich unorthodoxe Art und Weise und zwar nur mit Kontrabass und Gesang. Diese Reduktion auf das aller Notwendigste nimmt dem Lied jeglichen Schmuck und eröffnet dem/der ZuhörerIn die Möglichkeit einer völlig neuen Perspektive.

Wie auch bei Schuberts Winterreise ist Nataša Mirković – De Ro stets aufs Neue von der Aktualität und Qualität der Lieder fasziniert die eingebettet in ein neues Arrangement auch nach mehreren Jahrzehnten oder teilweise sogar Jahrhunderten modern und zeitgemäß klingen. Ein dazu passendes Zitat von Nataša Mirković  – De Ro lautet: „Ewig ist die Jugend des Liedes wenn sie der Ewigkeit die Tür aufmacht. […] Ein gutes Lied wird durch die Zeit nicht älter, es hat kein Alter. Es wird alt durch ein Arrangement das einer Epoche entsprechend Werte vermittelt die sich aber stets im Wandel befinden.“

Neben ihren zahllosen musikalischen und schauspielerischen Aktivitäten lehrt Nataša Mirković – De Ro an unterschiedlichen Institutionen, gibt Workshops und veröffentlichte jüngst das Buch „Universelle Stimmführung“, eine von ihr entwickelte Methodik wie SängerInnen am optimalsten und leichtesten mit ihrer Stimme umgehen lernen.

Damals wie heute fischt Nataša Mirković – De Ro in vielen Teichen und das mit großem Erfolg. Sei es Klassik, Barock, Zwölftonmusik, Rock, Pop, Volksmusik oder Jazz, auf jeden Fall alles „ […] bunt durchgemischt und ja nicht auf zwei Beinen“. Nach wie vor sieht sie sich aber nicht als typische „Sängerin“ sondern eher als Suchende und Forschende im weiten Feld der Musik. Ich bin mir sicher wir haben noch viel Unerwartetes von Nataša Mirković  – De Ro zu erwarten und kann nur jedem einen ihrer nächsten Auftritte wärmstens empfehlen.
Georg Demcisin

Fotos © http://www.mirkovic-dero.com

 

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