Phonofemme: Klangspiegel London/Wien

Die unter dem Motto Klangspiegel London/Wien vom 28. bis zum 29. Oktober in der Brunnenpassage in Wien stattfindende Kooperation zwischen Phonofemme, Wien Modern und der Brunnenpassage wird von der Mia Zabelka und Mike Harding gestaltet. Gemeinsam laden die teilnehmenden Institutionen internationale KünstlerInnen ein, um neue Stücke zu präsentieren und Workshops zu leiten. Klangspiegel London/Wien findet Raum zwischen den tradierten Kunstsparten und beabsichtigt, die vielfältige österreichische und internationale KlangkünstlerInnen‐Szene zu vernetzen, in einen kommunikativen und ästhetischen Austausch zu bringen und darüber hinaus eine gemeinsame ästhetisch/stilistisch/inhaltlich grenzüberschreitende Präsentationsmöglichkeit zu finden.

Das Spannungsverhältnis zwischen uns und unserer natürlichen Umgebung, die wir hören, riechen, genießen, gestalten und auch zerstören, manifestiert und verkörpert sich u. a. im kreativen Gestalten. Der Körper und somit der Mensch sind einer immer künstlicher werdenden Umgebung ausgesetzt, stehen aber immer in Bezug zu einer ursprünglicheren, ewigeren Natur. Im Gegensatz zur postmodernen Auffassung, welche Natur als Antithese zur Kunst versteht, vertritt die zeitgenössische Kunstphilosophie die Ansicht einer Ästhetik der Natur, deren „[…] Objekte und Szenerien wie Kunstwerke erscheinen.“ (Martin Seel: Eine Ästhetik der Natur. Frankfurt/Main 1991. S. 136.) Wir haben nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ästhetische Verpflichtung gegenüber der Natur, die „Schauplatz einer einzigartigen Begegnung mit Formen und Möglichkeiten vergangener, gegenwärtiger und selbst künftiger Kunst“ (ebda) ist.

Im Rahmen von Klangspiegel London/Wien bringt Jana Winderen ein Klangstück aus bisher kaum beachteten Feld‐ und Wasseraufnahmen der Donau zur Aufführung. Die Filmkünstlerin Mia Makela beschäftigt sich mit Algen als Filmobjekte und bedrohte Lebewesen. Die Auseinandersetzung mit Kunst und Natur reicht aber auch in bildhafte, imaginäre Bereiche,wie in die Musik von Hildur Gudnadottir bzw. in die Vielschichtigkeit von Nakaijma Ries Klanginstallation.

Ausgehend von Julia Kristevas Trennung zwischen Geno‐ und Phänotext, definierte Roland Barthes zwei Arten des musikalischen Ausdrucks: Ersteres steht für den unmittelbaren, unbewussten Ausdruck, Letzteres für technische Präzision. Somit kann sich die Auseinandersetzung mit Natur auch in digitaler und elektronischer Kunst manifestieren. Beispielsweise verwendet die britische Klangkünstlerin Zahra Mani Elektronik, um organische Naturgeräusche in musikalisches Ausgangsmaterial für ihre Stücke zu wandeln oder bearbeitet Mia Zabelka mittels live Elektronik die Beziehungen zwischen Körper, Stimme, Gestik, Sound, Maschinen und Raum.

Die KünstlerInnen werden neben der Präsentation ihrer neuesten Projekte als One.Night.Band auch kollaborative, teilweise intermediale Stücke erarbeiten, die im Rahmen von Klangspiegel London/Wien zur Uraufführung gebracht werden. Umrahmt wird das Festival von der Klang‐ und Videoinstallation ‚Plant Drummer’ von Christine Ödlund.

Gleichzeitig besteht für Künstlerinnen und Künstler die Möglichkeit, sich über eine speziell für das Festival eingerichtete Webseite (http://www.phonofemme.at) in Chatspaces und auf Basis der Open Sound‐Technologie, Video‐ und Audiofiles zu tauschen und zu bearbeiten. Das interessierte Publikum und die Digital Community haben im Rahmen der Homepage die Möglichkeit, diesen künstlerischen Art‐in‐Progress mitzuverfolgen und mitzugestalten. Auch finden im Rahmen von Klangspiegel London/Wien am 28. Oktober 2011 Workshops für Jugendliche und Erwachsene zum Thema Klangkunst statt.

Phonofemme versteht sich als internationale Plattform für intermediale zeitgenössische Klangkunst von Frauen. Als solche nimmt sich Phonofemme vor allem die Unterrepräsentation von Frauen als Komponistinnen und Musikerinnen zum Anlass, um die vielfältige Klangkünstlerinnen‐Szene sichtbar zu machen, zu vernetzen und einen kommunikativen und ästhetischen Austausch zu ermöglichen. Um der Allgemeinheit die zeitgenössischen Entwicklungen weiblicher Zukunftsentwürfe, Wissenskraft und Kreativität nicht vorzuenthalten, bietet Phonofemme Klangkünstlerinnen ein Forum, um ihren Anteil an diesen präsentieren zu können.

Klangkunst (engl. Soundart) bewegt sich interdisziplinär in den Bereichen Musik, Theater, Medien und bildende Kunst. Sie ist somit zu allen Seiten offen. Ihre Umsetzung ist keinen traditionell‐kulturspezifischen oder stilistischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Mögliche Facetten der Klangkunst sind elektronische Musik, Klanginstallationen & Ambient Music, Klangkompositionen, Klangskulpturen, Klangarchitektur im öffentlichen Raum, Sound Performances, medienkünstlerische Arbeiten mit Radio, Hörspiel oder Computernetzwerken u. v. m. In diesem Spannungsfeld unterschiedlicher künstlerischer Ansätze wirkt Phonofemme, das 2009 zum ersten Mal erfolgreich präsentiert wurde und im selben Jahr bereits für den österreichischen Staatspreis für Erwachsenenbildung nominiert war, als Forum für innovative interdisziplinäre Projekte von internationalen und österreichischen Klangkünstlerinnen. Neben dem kommunikativen, kulturellen und kreativen Austausch zwischen österreichischen und internationalen Klangkünstlerinnen soll die Diskussion mit WissenschafterInnen sowie ExpertInnen aus Kunst‐ und Kulturpolitik u. a. über nachhaltige und gendersensible Strukturen in den Bereichen Kunst und Kultur gefördert werden.

Satellite Performances finden zuvor am 20. und 22.September 2011 in London und Liverpool in Kooperation mit dem Austrian Cultural Forum London statt. Im Sinne eines Art‐in‐Progress werden die KünstlerInnen bereits verschiedene Kooperationen zeigen, die von den in Wien stattfindenden Uraufführungen unterschiedlich gestaltet werden.

Foto Mia Zabelka © Ulrike Sulzenbacher
Foto Jana Winderen: Jean-Marc Fredette
Foto Mia Makela: Michael Ebert
Foto Hildur Gudnadottir: Alexandre Deschamps

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