Die bereits seit 2006 umtriebigen Tiroler von OUR CEASING VOICE standen seinerzeit und eigentlich immer für ausufernden Post-Rock der klassischen Marke: lange Kompositionen, dynamisches Wechselspiel zwischen Laut und Leise und zahlreiche delay-getränkte und atmosphärische Gitarren-Sounds. So etwas wie eine Kehrtwende haben sie nun am neuen Album „Free Like Tonight“ vollzogen: verstärkt durch den neuen Sänger Dominik Dörfler wurde paradoxerweise eine Reduktion im Sound vollzogen.
Die Band selbst bezeichnet ihren adaptierten Stil als ‚Ambient Rock’, was die Reduzierung von Post-Rock zu Indie Rock eigentlich ganz gut beschreibt – man nimmt die Atmosphäre des erstgenannten Genres einfach mit in die Gefilde des zweiten. Auch wenn OUR CEASING VOICE bereits auf Vorgängern mit Gesang gearbeitet beziehungsweise experimentiert hatten, ein integraler Bestandteil wie auf „Free Like Tonight“ war dieser nie. Sich eines gewissen Alleinstellungsmerkmals, wie der (vordergründig) gesangsfreien Ausführung von Rock Musik, zu entledigen funktioniert nur dann, wenn man sich ein weiteres solches Merkmal aneignet und dieses findet sich in der Stimme von Sänger Dominik Dörfler. Es handelt sich um eine tiefe, raue Charakterstimme, die zwischen Sprechgesang und richtigem Singen oszilliert. Der Sänger trägt dadurch auf interessante Weise dazu bei, dass man der Atmosphäre und Stimmung des Post-Rock auf gewisse Art und Weise treu bleibt, obwohl man ihm den Rücken kehrt. Erwähnenswert ist auch die prominente Positionierung im Mix des Albums, die den Neuankömmling auch akustisch an die vorderste Front bewegt.
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Raue Stimme, emotionales Piano
Des Weiteren schimmern im neuen Sound und im Laufe von „Free Like Tonight“ auch immer wieder Singer-/Songwriter-Einflüsse durch. Einerseits sowohl durch die sehr direkten, offenen Texte, in denen man sich gegebenenfalls wohl schnell wiederfindet, andererseits durch die teils regelrechte minimalistische Begleitinstrumentierung. Diese Instrumentierung weiß allerdings zu überzeugen: gefühlvolle Pianoeinlagen, die sich zwar bei üblichen Akkord-Schemata bedienen aber im Kontext trotzdem überzeugen sowie gekonnt filigranes und dynamisches Schlagzeugspiel, welches dafür zuständig ist, dass sich in den Kompositionen nebst Melodie immer etwas tut. In vielen Kompositionen findet sich übrigens ein Fokus auf emotionale Themen und die Melodien sind nicht selten gefühlsgeladen wie etwa in „Delusion of Love“. Zu den Highlights von „Free Like Tonight“ gehören außerdem Songs wie das gekonnt arrangierte und eingängige „The Arsonists“, der sympathische Titeltrack „Free Like Tonight“ oder das mit elektronischen Drums veredelte und in weiterer Folge energische „Monochrome“. OUR CEASING VOICE haben auf ihrem neuen Album eine erfolgreiche Wiedergeburt vollzogen, welche die Band über die bisherigen Genre-Grenzen bekannter machen dürfte – aufgrund eines Händchens für Melodien und der Fähigkeit die Tränendrüsen gekonnt zu bedienen womöglich umso mehr. Dies macht „Free Like Tonight“ überdies zu einem prädestiniertes Herbst- und Winteralbum.
Sebastian J. Götzendorfer
Our Ceasing Voice live:
9. Dezember 2017: PMK, Innsbruck