mica-Interview mit Hella Comet

Hella Comet ist schon vor über zehn Jahren in Graz gelandet, doch legte mit „Celebrate Your Loss“ (Pumpkin Records / Schnapsidee Records) erst Anfang 2010 das Debütalbum vor. Damit rollt die Gruppe den Post-Rock neu auf, ohne ihn zu zerstören. Das Gespräch über die fruchtbare Szene in Graz, Italo-Western und das Sisi Top Studio führte Clemens Marschall.

Ich habe verschiedene Wahrheiten über den Beginn von Hella Comet gefunden: Eine setzt 1997, eine 1999, eine 2006 – welche davon entspricht der Wirklichkeit?

Franz „Frente“ Gurt: Es stimmt alles (lacht). 1997 hat es Hella Comet schon gegeben – allerdings mit einem anderen Schlagzeuger. Der hat dann aufgehört, der Bassist wurde auch aufgehört, Lea war dann ein paar Jahre nicht in Graz. Der Proberaum blieb aber bestehen und somit haben Jürgen und ich mit zwei Gitarren einstweilen als Duo weiter an Songs gearbeitet. 1999 haben wir dann mit dem angefangen, was wir heute machen und 2006 ist mit Maex endlich ein Schlagzeuger dazugekommen, der das gleiche Verständnis wie wir für unsere Musik hat. 2007 haben wir das erste Konzert in dieser Besetzung gespielt.

Eure Platte „Celebrate Your Loss“, die im Februar 2010 erschienen ist, war dann nach 13 Jahren Bandgeschichte das erste Lebenszeichen in Form eines Tonträgers?

Markus „Maex“ Sworcik:
Ja, ein massives Lebenszeichen (lacht)! Wir haben zuerst vier Konzerte in diversen Locations in Graz gehabt und an uns gearbeitet, gemerkt, dass wir mehr herausholen wollen.

Die Songs, die auf der Platte sind – sind da auch welche dabei, die schon seit 1997 existieren?

Jürgen „Jure“ Hochsam: Einer ist dabei, der 1997 entstanden ist und bis heute mitgetragen wird, eigentlich in der Form, wie wir ihn jetzt spielen. Insgesamt haben wir also ziemlich lange an dem Album herumgefeilt. Konkret haben wir 2008 angefangen, Songs aufzunehmen, 2009 waren die Aufnahmen auf Band, 2010 ist das Album herausgekommen.

Markus „Maex“ Sworcik: Man muss auch sagen, dass Bernd Heinrauch, unser Mischer,  das Album dann noch ein bisschen verfeinert hat und seine eigene Handschrift durchgezogen hat. Wir haben einen Song, „Hellek“, da merkt man das besonders deutlich, den spielen wir jetzt live so, wie er im Studio beim Mischen entstanden und am Album zu hören ist. Das finde ich schon auch interessant, dass alle Songs eine unterschiedliche Geschichte tragen: Wir haben Jams, uralte Songs, neue Songs, die erst im Studio entstanden sind – alles dabei.

Franz „Frente“ Gurt: 2009, als wir die Songs oft gespielt und aufgenommen haben, da gab es schon Passagen, die wir eigentlich dann nicht mehr spielen wollten, weil sie noch aus dem vorigen Jahrtausend mitgenommen worden sind. Das war dann eine Art Abschluss dieser Phase und wir wussten, dass wir einzelne Stücke nach dem Aufnehmen nie wieder spielen würden. Deswegen auch der Name, „Celebrate Your Loss“…

Markus „Maex“ Sworcik: Franz hat eine kleine Peitsche in die Hand genommen und hat gemeint: Wir müssen weiter tun, wir müssen das aufnehmen! (lacht)

Der Komet hat dann ordentlich eingeschlagen, die Resonanz auf „Celebrate Your Loss“ war durchwegs sehr positiv…

Franz „Frente“ Gurt: Wir haben eigentlich ein super Netzwerk rundherum in Graz, das hat uns sehr geholfen. Wir haben Pumpkin Records, Schnapsidee Records als Kooperationslabel – das hat schon mal viel gebracht. Dann haben sich noch in Wien ein paar Leute gefunden, denen unser Zeugs gefiel.

Wie seid ihr zu den zwei Labels gekommen, zu Pumpkin und Schnapsidee Records?

Jürgen „Jure“ Hochsam: Pumpkin ist eine Kulturinitiative aus der Südsteiermark, die man einfach kennt, die auch einen Verlag namens Edition Kürbis haben. Die veröffentlichen regelmäßig Bücher und Platten. Wir haben dort angeklopft, weil wir gedacht haben, dass das gut passen könnte.

Franz „Frente“ Gurt: Ja, genau, es läuft alles über persönlichen Kontakt, auch mit den Labels. Pumpkin Records kennen wir schon seit Ewigkeiten – sie uns auch. Und da war das dann für beide Seiten gleich ein ganz anderer Zugang, als wir die Platte fertig hatten. Es sind auch von anderen Leuten, die wir nicht persönlich gekannt haben, Anfragen gekommen – aber mit denen hat es im Endeffekt nie funktioniert.

Jürgen „Jure“ Hochsam: Thalija sind auch auf Pumpkin, und die waren uns immer ein Begriff, also hatten wir da ein gutes Gefühl. Schnapsidee hat sich durch eine Freundschaft mit den Betreibern, Arne und Brodi, ergeben. Außerdem haben Arne und Franz auch mal in einer Band gespielt, die es mittlerweile nicht mehr gibt. Und die haben auch ein Studio gebaut, das Sisi Top Studio, das wir alle verwenden. Und diese Möglichkeit, ohne Zeitdruck im Studio Musik aufzunehmen, hört man glaube ich auch bei dem Album heraus. Und der Sound ist wirklich gut geworden! Im Proberaum könnte man das nicht so gut aufnehmen, ein Studio zu mieten könnten wir uns nicht leisten. Die Peripherie um uns herum in Graz ermöglicht sehr viel für uns.

Lea Sonnek: Andere Bands, die um uns herum sind, die quasi mit uns proben, können oft auch inspirierend sein. Bernd haben wir über die Striggles, Reflector und Code Inconnu, bei denen Maex Schlagzeug spielt, kennen gelernt. Das ist die Arbeitsweise, die uns am meisten liegt: Dass man die Leute schon irgendwie kennt, die wiederum uns kennen, und man von vornherein weiß, worauf man sich einlässt.

Markus „Maex“ Sworcik: Das mit dem Netzwerk hat sich sehr gut entwickelt, auch mit Maru von Chmafu Records, der wiederum mit Schnapsidee zusammenarbeitet, und ich glaube, das bringt der ganzen Szene ziemlich viel. Ich kann mich erinnern, vor 10-15 Jahren gab es in Graz Sans Secours und dann war lange nichts. Weil wir nichts gemacht haben oder noch nicht so weit waren. (schallendes lachen)

Graz ist jetzt auf jeden Fall wieder sehr interessant und präsent. Euch gibt es etwa so lange wie die Institution Reflector, die spielen seit jeher oft in Graz und mindestens einmal pro Jahr in Wien. Die hat man immer kontinuierlich mitbekommen, bei euch kommt jetzt alles geballt, ein ziemlicher Schub.

Markus „Maex“ Sworcik: Damit haben wir eigentlich gar nicht gerechnet, also meine Erwartungen sind weit übertroffen worden, was die Reaktionen angeht.

Lea Sonnek: Aber für uns in der Band war Hella Comet immer da – immer, all die Jahre hindurch.

Seid ihr seit 1997 immer drangeblieben, immer geprobt, oder waren da auch Jahre, wo nichts passierte?

Jürgen „Jure“ Hochsam: Es hat schon ein Jahr gegeben, wo wir nicht geprobt haben – aber ganz bewusst. Ewig das gleiche Programm spielen und proben, ohne es je abzuschließen, ist auf die Dauer nicht befriedigend.

Franz „Frente“ Gurt: Aber Jürgen und ich haben immer miteinander gespielt, wenn auch nur zu Hause im Wohnzimmer mit unseren zwei Gitarren. Zwischendurch vielleicht ziellos, bevor der Maex gekommen ist.

Lea Sonnek: Aber ich finde, das war alles immer sehr organisch, wie im richtigen Leben. Es gab Zeiten, wo viel geprobt worden ist, wo viel gespielt worden ist, dann wieder, wo viel Ruhe war. Wir haben uns selbst nicht unter Druck gesetzt. Wenn Franz im Studio war, hat er Gitarre aufgenommen, wenn Maex Zeit hatte, hat er das Schlagzeug eingespielt, dann habe ich Bass gespielt und gesungen.

Sind die Texte alle von dir?

Lea Sonnek: Ja, die sind von mir, teilweise auch schon sehr alt.

Markus „Maex“ Sworcik: Worauf ich erst vor gar nicht allzu langer Zeit draufgekommen bin, ist, dass bei Hella Comet die Aufgaben total gut auf die einzelnen Mitglieder verteilt sind. Da kommt dazu, was jeder vorher beruflich und privat gemacht hat. Jürgen ist eher unser tonführender Charakter, dann haben wir mit Franz einen Soundmenschen, der super produzieren kann, Lea mit einer super Stimme, ich bin eher der energetische und bring ein bisschen Gas rein. Ich komme von der grafischen Schiene, Hardware und Webseitenentwicklung, Franz kann gut managen, Jürgen haben wir eher juristisch eingespannt – das finde ich alles wirklich gut! Wo hat man das bei einer Band schon?

Einige von euch können da ja direkte Vergleiche ziehen, weil sie auch in anderen Bands spielen. Könnt ihr eure musikalischen Beschäftigungsverhältnisse aufklären?

Markus „Maex“ Sworcik: Also, ich habe gerade mit Code Inconnu die dritte Platte gemacht, da spiel ich auch Schlagzeug. Wobei wir da noch keinen Masterplan haben, wie es weitergehen soll… Aber dort Schlagzeug zu spielen, war und ist eine gute Schule, das ist ein anderer Zugang als bei Hella Comet. Code Inconnu sind oft sperrig, Hella Comet ist eher Bauchmusik.

Franz „Frente“ Gurt: Ja, das ist wichtig, ich scheiß auf Musik, die nur aus dem Kopf kommt und zwanghaft Kunst sein will. Kunst macht man eh, das braucht man nicht noch extra betonen.

Gibt es bei euch einen Chefkomponisten?

Jürgen „Jure“ Hochsam: Die meisten Lieder sind so entstanden, dass ich mit Franz gespielt hab, wir einzelne Ideen hatten und die dann als Band ausbauen. Da jammen wir und lassen dann unsere Ideen los, ohne zu sagen, dass die nicht im Jam entstanden sind, sondern dass wir sie schon mitgenommen haben (lacht). Und irgendwann machst du aus dem ganz was anderes, als die Grundidee war. Wir komponieren und arrangieren immer über sehr lange Zeit, bis es allen vier von uns gefällt.

Markus „Maex“ Sworcik: Der Komet ist wie die Kugel in einem Flipperautomaten, und wenn die Kugel ihren Lauf nimmt, dann fliegt sie ihre Bahnen. Und dort sind wir gerade. Ich denke, dass die nächsten Songs zusammen, zu viert, entstehen werden. Früher war es mehr so, dass Jürgen und Franz mit Ideen gekommen sind, dann sind erst Lea und ich dazu gekommen.

Franz „Frente“ Gurt: Jetzt freuen wir uns eigentlich alle, dass wir endliche eine richtige Band sind. Lea spielt jetzt seit zwei Jahren Bass, das war ursprünglich nur zur Live-Umsetzung geplant. Und jetzt sind wir an einer Stelle angelangt, wo wir zu viert schneller und besser arbeiten können als früher.

Mir gefällt das sehr gut, Lea, dass du Bass und nicht zweite Gitarre spielst. Das wäre ja sonst so der Klassiker: Sänger/in spielt Rhythmusgitarre.

Lea Sonnek: Ja, wobei man sagen muss, dass es bei uns in dem Sinne keine zweite Gitarre gibt, keine Rhythmusgitarre.

Beim Hören eurer Platte dachte ich mir manchmal, dass die Gitarre nach einem Italo-Western klingt, so im Stil von Ennio Morricone, „A fistful of dollars“…

Jürgen „Jure“ Hochsam: Ja, das stimmt schon, so eine Art Wüstensound. Wir wollten keinen   klassischen Post-Rock machen. Es gibt einzelne Bands, die das ziemlich gut machen und auch bekannt sind, und es gibt tausende Bands, die das versuchen, aber da einfach nie rankommen. Dieses Post-Rock-Genre ist schon so aufgeblasen, jede halbwegs moderne Instrumental-Band geht in diese Richtung.

Lea Sonnek: Das ist der leichteste Weg, das kommt raus beim Jammen und macht Spaß – aber dann beim Anhören wird das schnell langweilig und wir sagen: „Aber jetzt machen wir was Gscheites!“ (lacht) Es gibt dann immer die kleinen Momente, die spannend sind – die muss man ausbauen, den Rest wieder vergessen.

Franz „Frente“ Gurt: Als Jürgen und ich immer zu zweit Gitarre spielten und Ideen sammelten, sind wir draufgekommen, dass das, was wir am besten können, Übergänge sind. Wir haben verschiedene Ideen zusammengestoppelt – und was wir immer am besten konnten dabei, waren die Übergänge dazwischen. Diese kurzen Übergänge waren uns dann auch immer am meisten wert (lacht). Wir spielten dann acht Mal ein Riff, 1-2-3-4, aber dann kam erst der Übergang, auf den wir uns am meisten freuten (lacht).

Jetzt herrscht einmal tabula rasa bei Hella Comet, nachdem das Album fertig ist, die alten Songs abgeschlossen. Was kommt als nächstes?

Franz „Frente“ Gurt: Das wissen wir noch nicht und wir legen sicher nicht fest, dass es jetzt so oder so wird – wir möchten für die Band alles offen halten. Wir gehen ins Studio und probieren dort aus.

Jürgen „Jure“ Hochsam:
Wir wollen keinen Masterplan, sind absolut keine Konzeptband, die sich überlegt, was am nächsten Album passieren soll.

Markus „Maex“ Sworcik:
Ich will beim nächsten Mal am Schlagzeug völlig andere Sachen ausprobieren, nicht die ewigen Hi-Hat-Fotzereien und Becken-Fotzereien, sondern auch andere Möglichkeiten ausschöpfen. Wir probieren viel herum, wenn wir jammen, viel Neues, versuchen alles, was wir schon kennen, wegzublenden.

Franz „Frente“ Gurt: Das wollen wir im Grunde alle: was Neues und nicht das wiederholen, was wir schon eingesetzt haben. Aber ob es ein Pop-Album wird oder eine Metal-Scheibe, das können wir jetzt nicht sagen. Wir müssen das ausprobieren und ich denke, nächstes Jahr wird es dann eine neue Platte geben.

(Arne Glöckner von Schnapsidee Records, der bisher aufmerksam zugehört hat, mischt sich in das Gespräch ein)

Arne Glöckner: Ich war ja im Aufnahmeprozess im Sisi Top Studio involviert, und als die Frage kam, ob Schnapsidee Records bei der Hella Comet-Scheibe mitmachen will oder nicht, war das keine Entscheidungsfrage, sondern: Wie machen wir das? Wie können wir uns beteiligen?

Jürgen „Jure“ Hochsam: Schnapsidee war auf jeden Fall ein Glücksgriff, weil die unseren Merchandise-Stand betreuen und die Platten ziemlich gut verchecken. Das mit Schnapsidee ist eine Win-Win-Situation, und dahinter steht eine langjährige Freundschaft. Die machen das aus persönlicher Überzeugung, wollen Musik rausbringen, die ihnen einfach gefällt. Für uns ist es ideal, wenn wir mit Leuten zusammenarbeiten, mit denen wir uns sowieso gern treffen und mit denen wir gut auskommen. In Graz haben die sich wirklich alle Beine ausgerissen, die verkaufen so viele Platten, da muss man wirklich danke sagen.

Arne Glöckner: Das ist ein ziemlich natürlicher Umgang, wir gehen nicht so aufeinander zu: „Ich bin der Labelboss.“ – „Ich bin die Band.“, sondern setzen uns ganz gleichwertig zusammen und haben enge Bindungen zwischen Schnapsidee, Hella Comet, Code Inconnu, Heifetz.

Franz „Frente“ Gurt: Von Graz aus sind wir gerade in der glücklichen Position, dass ordentlich was geht und wir uns gegenseitig nach oben schrauben.

Wobei das ja sehr verschiedene Bands und Stile sind…

Franz „Frente“ Gurt: Ja, aber man respektiert sich gegenseitig: Reflector, Striggles, Code Inconnu, Heifetz, Hella Comet, Waikiki Star Destroyer, Slobodan Kajkut hat jetzt mal einen Bratschisten vom Klangforum Wien mitgenommen, alles, was sich so im Sisi Top Studio trifft – das passt gut. Und das Coole ist auch, dass wir uns nicht gegenseitig überschneiden, weil wir ja nicht das gleiche machen, sondern uns gegenseitig befruchten. Es macht auch sehr viel Spaß, dann miteinander Konzerte zu spielen, weil keine Band wie die vorherige klingt.

Markus „Maex“ Sworcik: Es gibt ja auch Bands deren größtes Ziel es ist, auf riesigen Festivals zu spielen, die auf einen Zug aufspringen wollen, der schon vor Jahren abgefahren ist. Ich find es oft schade, dass die dort hängen bleiben.

Franz „Frente“ Gurt: Wobei man sagen muss, dass wir im Grunde auch nichts Neues machen und wahrscheinlich auf einem Sommerfestival auch funktionieren würden.

Markus „Maex“ Sworcik: Ja, aber ohne, dass wir gezielt darauf hingearbeitet hätten – ich glaube, das ist der Unterschied.

Franz „Frente“ Gurt: Ja, das wäre ja, wie ein großes Bild zu malen, um in einem großen Museum zu landen.

Vielen Dank für das Interview.

Foto 1: Matthias Piket
Foto 2: Christopher Mavric
Foto 3: Marlén Mieth

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