Unter dem verbindenden Thema der Bergpredigt präsentiert Imago Dei in seinem heurigen Programm zwei Kulturen, wie sie unterschiedlicher wohl kaum sein könnten. Denn neben dem hiesigen Musikschaffen gilt ein weiterer Schwerpunkt den hierzulande nur wenig bekannten kroeanischen Musiktraditionen. Ob sich in dieser Verbindung ungeahnte Ähnlichkeiten oder doch unüberbrückbare Unterschiede ausmachen lassen, lässt sich unter anderem verfolgen, wenn Hannes Löschel mit seiner Band Exit Eden und dem Stimmkünstler Phil Minton mit seinen “Songs of Innocence” bei einer Schifffahrt entlang der Donau improvisierend auf eine Gruppe koreanischer Musiker trifft. Was sich Hannes Löschel davon erwartet und was das alles mit der Bergpredigt zu tun hat, darüber gab er im Gespräch mit Doris Weberberger Auskunft.
Die diesjährige Ausgabe von Imago Dei steht unter dem Thema Bergpredigt. Dabei triffst du mit deiner Band Exit Eden feat. Phil Minton auf koreanische Musiker. Wie geht gehst du an die Sache heran?
Hannes Löschel: Ich nehme zum ersten Mal bei Imago Dei teil. Den Bergpredigt-Überbau heuer finde ich spannend, also wo die Bergpredigt überall in sozialpolitischen Aspekten von unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Martin Luther King, Mahatma Gandhi oder in der ehemaligen DDR immer wieder zitiert wurde. Die Schifffahrt unter dem Titel „on a slow boat to China“ ist die Verbeugung vor der Bedeutung von Ausläufern der Bergpredikt im asiatischen Raum; zugleich gibt es in Krems ein Artists-in-Residence-Programm, mit koreanischen MusikerInnen zu Gast. Auf dem „slow boat to China“ sollen wir die „Songs of Innocence“ und die Musik von vier koreanischen MusikerInnen verbinden. Wie wir das realisieren, ist noch offen. Ich bin neugierig, welches Publikum kommen wird – ob es sich für den Bergpredigt-Überbau interessiert, für Weltmusik oder einfach nur für eine kurze Schiffsreise auf der Donau…
Inwiefern greift ihr die Bergpredigt auf?
Hannes Löschel: Wir sind hier die Vertreter der ersten Welt (lacht), weil William Blake in London im 18. Jahrhundert Gedichte über das Paradies geschrieben hat. Soviel ich weiß, war dies der erste Versuch, „Unschuld“ in der abendländischen Literatur zu formulieren. Danach folgten bei ihm ja als „Spiegel“ die „Songs of Experience“. Die musikalschen Songs of Innocence sind die Gedichte Blake´s in variable Liedformen gegossen. Für Phil als Sänger für diese Songs habe ich mich schon immer interessiert, weil auch in seinem Leben London als Mittelpunkt zentral ist, weil er ein Verehrer der Poesie Blake´s ist und stilistisch zwischen den Genres wechselt. Phil war, als ich ihm die Lieder zum ersten Mal vorspielte, fast ein bisschen schockiert, in was für triviale Liedformen diese zyklischen Gedichte auf einmal gegossen waren. Ein kleines „Rütteln“ am Blake-Denkmal, das in London in sehr vielen Kontexten vorkommt und in unterschiedlichen Stilen gewürdigt wird. Dadurch, dass die Songs von Musikern in der Band gespielt werden, die in den unterschiedlichsten musikalischen Szenen arbeiten, entsteht ein interessanter Brechungsmoment: Country, Rock, Ballade – all das ist da und doch durch den Filter unterschiedlich gepolter Musiker gebrochen, Phil singt mit seiner verruchten, verkommenen Stimme über die Unschuld. Natürlich lachen wir heute über einen lieblichen achtzeiligen Text über ein kleines Lamm. Eine Unschuld, die wir als Naivität entlarven wollen und eigentlich nicht annehmen können; das Düstere dahinter zu erwarten wird fast Verpflichtung. Das Unschuldige reibt sich an der Erfahrung.
Zu einer Brechung wird es auch zwischen deiner Musik und jener der koreanischen Musiker kommen. Gerade die koreanische Kultur kennt man hier sehr wenig – hast du dich damit auseinandergesetzt?
Hannes Löschel: Mit einzelnen Instrumenten und mit dem Gesang. Zu wenig. Aus verschiedenen Quellen kenne ich Notationen und Spieltechniken asiatischer MusikerInnen. Z. B. Improvisationsketten über Ziffern – ein mündlich überliefertes System – sehr authentisch klingend und voller Reichtum. Möglicherweise spielen wir in kleinen Konstellationen miteinander, so dass wir nicht immer blockweise aufeinander prallen. Unser eigenes Improvisationsrepertoire – Phil´s und unser aller – beherbergt jedenfalls alle Möglichkeiten, sich der Musik unserer koreanischer KollegInnen annähern zu können und daraus eigenes zu entwickeln.
Diese Beziehungen entstehen, obwohl man das andere System wahrscheinlich gar nicht kennt und es anders wahrnimmt, als es gedacht ist.
Hannes Löschel: Wir können darauf nur über Hören reagieren. Vielleicht missinterpretieren wir vieles zuerst. Das ist das Einstiegsrisiko. Ein höfliches Treffen in der Mitte will sowieso niemand – wenn schon, dann wäre es spannender, ein mögliches Scheitern offen auf den Tisch zu legen …
Werdet ihr euch vorher absprechen?
Hannes Löschel: Im Groben sicher. Wir sind vorher auf dem Schiff, sehen uns an diesem Tag aber zum ersten Mal. Das Schiff legt um elf Uhr ab und wir haben davor noch Aufbau. Wenn das Publikum auf das Schiff kommt, wollen wir mit dem Soundcheck für uns und unsere Gäste fertig sein. Dann erst haben wir etwas Zeit, diesen Austausch miteinander etwas zu planen …