mica-Interview mit Dust Covered Carpet

Was als Homerecording-Projekt von Volker Buchgraber begann, ist heute längst eine der vielversprechendsten heimischen Bands. Das aktuelle Album „A Cloud Pushed & Squeezed“ fand medial großen Anklang, eigentlich sind die Carpets aber eine klassische Live-Band. Volker Buchgraber, Armin Buchgraber und Magdalena Adamski über den anderen Alltag, orchestralen Touch, Zwiespälte und Zwiespältiges. Das Interview führte Markus Deisenberger.

Ihr seid eine Band, die viel live unterwegs ist.
VB: Wir spielen mit einer gewissen Regemäßigkeit, ja. Man könnte auch sagen: Es rollt. Wir spielen, ein, zwei Mal im Monat. Im Februar waren wir in Österreich und Deutschland auf Tour.

Wer hat die Tour organisiert?
VB: Wir uns selber. Das heißt: Alles selber buchen und ungefähr hundert E-Mails am Tag schreiben, auf die man keine Antwort bekommt.

Aber es scheint doch zu funktionieren, denn dafür, dass ihr Newcomer seid, waren das nicht unbedingt wenig Gigs, die ihr gespielt habt.
VB: Es ging gut, ja. Eine schöne flüssige Runde mit wenigen Pausen war das.

Eine Booking Agency zu bekommen, die einem die Arbeit abnimmt, gilt gemeinhin als eine der schwierigsten Angelegenheiten.
VB: Ja, wir haben das auch schon vielfach probiert. Aber dort, wo wir schon spielten, wird es kein Problem sein, wieder einen Gig zu bekommen.
MA: Das wurde uns auch schon oft wörtlich gesagt: Wenn ihr wieder bei uns spielen wollt, kein Problem!
VB: Und jetzt geht es nach Griechenland für drei Auftritte.

Wie kam es dazu?
VB: Über einen Innsbrucker, der nach Athen ging und dort seitdem Konzerte veranstaltet. Dieses Mal veranstaltet er einen Abend mit Bands des Labels „See You“, wo Paper Bird und Sir Tralala unter Vertrag stehen, und am zweiten Tag ist beatismurder mit Liger und uns an der Reihe.

Wie kamt ihr zu beatismurder?
VB: 2006 haben wir im rhiz gespielt: Daraufhin hat uns der Dino angesprochen und seitdem sind wir dort. Unser letztes Album haben wir mit ihm aufgenommen, er hat auch bei uns in der Band gespielt, und überhaupt sind wir Freunde geworden.

Wie habt ihr sechs als Band zusammengefunden?

VB: Mein Bruder und ich haben schon lange gemeinsam Musik gemacht und alle anderen haben uns beide dann in Wien kennen gelernt. Es hat sich gut ergeben, und es war auch nicht nur so, dass wir krampfhaft Musiker gesucht hätten, sondern es ergab sich einfach auf einer freundschaftlichen Ebene. Magda zum Beispiel kam dazu, als ich das erste Album bei mir zu Hause aufnahm. Sie kam vorbei, es passte recht gut und von da an war sie dabei.

Eines der vielen freundschaftlichen Kollektive, die hin und wieder auch Musik machen, seid ihr aber nicht?

MA: Nein, Wenn wir nicht in einer Band spielen würden, würden wir ins vielleicht hin und wieder treffen, aber sicher nicht so eng miteinander sein, wie wir es in der Band sind. Wir mögen uns, sind auch befreundet, haben aber schon auch sehr unterschiedliche Interessen.
VB: Und es ist nicht so, dass wir uns treffen und erst mal reden und trinken und dann irgendwann einmal vielleicht auch Musik machen, sondern wir arbeiten konsequent.

Zielorientiertes Arbeiten wurde auch schon in einigen Artikeln über euch thematisiert. Woher kommt es, dass das auch medial ein Thema zu sein scheint?
MA: Vielleicht, weil es beim ersten Album noch unterschiedliche Leute waren, nun ist es anders, jetzt sind wir eine echte Band.
VB: Das stimmt. Unser erstes Album war von den Arrangements und allem anderen her noch viel schwammiger, dieses Album jetzt ist ein wirkliches Band-Album geworden, über das wir uns auch alle definieren. Wir sind keine Spaßpartie, sondern nehmen das, was wir machen, schon auch ernst.

Das Album ist zwar professionell, verfügt aber auch über einen natürlichen, um nicht zusagen räudigen Touch.

MA: Das mag auch daran liegen, dass wir alle unsere Instrumente nicht perfekt beherrschen. Natürlich könnte ich auch stundenlang üben, um einen gewissen Chello-Part perfekt zu beherrschen, aber das läuft halt nicht so.

Ich meinte jetzt aber auch die Aufnahme, die erfrischend echt ist.
VB: Was auch daher rührt, dass wir das Album auf einem Dachboden in Berlin eingespielt haben, weil wir uns ein Aufnahme-Studio nicht leisten hätte können. Es hat sich zufällig ergeben, dass wir dort ein Haus bekamen. Ich fand es auch wichtig, dass wir das nicht in Wien machen, wo dann abends jeder nach Hause geht, in seine Welt eintaucht und am nächsten Tag vielleicht erst mittags wieder kommt, sondern dass es an einem Ort stattfand, an dem ein anderer Alttag herrscht.

Wie lange dauerten die Aufnahmen?

VB: Ein Monat lang.

Und da hatte jeder Zeit? Ist das bei sechs Leuten nicht unheimlich schwer zu koordinieren?
MA: Die Aufnahmen waren im August, da hatte jeder Zeit.
VB: Außerdem ist die Band für uns alle die oberste Priorität. Auch die Griechenland-Tour findet mitten in der Studienzeit statt. Das wissen aber alle rechtzeitig und können es sich daher gut einteilen.
MA: Es geht, auch weil die Professoren an der Uni sehr entgegenkommend sind. Es wird einem mehr Verständnis entgegen gebracht, als man glauben würde.

Liest man die Lyrics durch, hat es den Anschein, als hätten die Texte mindestens den gleichen Stellenwert wie die Musik. Stimmt das?
VB: Mir ist es sehr wichtig, dass da was drinnen steckt, und auch, dass durch die Arrangements etwas vermittelt wird. Ich kann über nichts singen, was mich nicht berührt. Das bringt mich nicht weiter.

Gibt es wiederkehrende Themen?
VB: Freilich. Weil es auch ganz bestimmte Phasen sind, in denen die Lieder entstehen. Insgesamt geht es viel um Probleme und wie sie sich äußern; zwischenmenschliche Beziehungen.
MA: Zwiespälte und Zwiespältiges.

Ihr habt einen Sound, der ziemlich einzigartig ist für eine Wiener Band…

VB: Das hat viel mit der Instrumentierung zu tun und dass bei uns jedes Instrument das gleiche Recht hat, dh Streicher etwa sind nicht nur dazu da, im Hintergrund ein wenig für Stimmung zu sorgen.
MA: Wir alle hören sehr unterschiedliche Musik und haben unterschiedliche Einstellungen, Geschmäcker. Es gibt keinen wie immer gearteten autoritären Einschlag in unserer Band.
VB: Und jeder von uns sechs hat eine eigene Gesangstimme, die Platz haben darf und soll. Dadurch bekommt das Ganze mitunter auch einen sehr orchestralen Touch, der durchaus beabsichtigt ist. Es soll viel passieren.

Und wenn man den wunderbaren Mann-Frau-Zweigesang hört?

VB: Dann bin das meistens ich, gemeinsam mit einer der drei Frauenstimmen.

Fühlt ihr euch als Teil der aktuellen Singer-Songwriter-Szene? Oder anders gefragt: Seid  ihr vernetzt?
VB: Also grundsätzlich machen wir einmal unser Ding. Aber ganz automatisch ist man durch das, was man tut, auch mit anderen Bands vernetzt. Etwa mit den anderen Bands unseres Labels Beatismurder, mit Paperbird, den 9 Volt Batteries…
MA: Vorwiegend sind das aber persönliche Kontakte, die erst im Laufe der Zeit zu Bandkontakten wurden.

Wäre ein Major-Label, das euch „groß raus bringen möchte“ ein Thema für euch?

AM: Dann wäre es mehr ein Job. Ich glaube, das will keiner von uns.
VB: Wir sind recht zufrieden damit, auf einem kleinen Label zu sein. Dadurch haben wir keinen Druck – außer dem, den wir uns selber machen. Wir genießen unsere Freiheit und können künstlerisch arbeiten wie wir wollen. Und verdienen tun wir auch was dabei.

Was nicht so viel sein dürfte, wenn man durch sechs teilen muss…
VB: Nein, aber immerhin kann man einmal für zwei Auftritte nach Griechenland fahren.

Was müsste passieren, damit ihr alle sagt: „OK, wir machen es zu unserem Beruf!“?
VB: Gute Frage. Ich persönlich will nicht reich werden, sondern nur mein ganzes Leben lang die Möglichkeit haben, regelmäßig Alben raus zu bringen. Das muss einen Platz in meinem Leben haben.
AM: Gut ist, das bisher das Studium nebenher ganz gut läuft. Im Juli sind wir alle in Österreich, im August fahren wir auf Urlaub.

Wer bestimmt das?
AM: Das Internet-Forum. Nein, im Ernst: Wir einigen uns. Jeder von uns nimmt das ernst.
VB: Jeder will mitgestalten und es macht jedem Spaß am Wochenende wo hin zu fahren und zu spielen.

Wie habt ihr die bisherigen Videos, die ich übrigens sehr beachtlich finde, finanziert?
VB: Kathi und ich sind auf der Bildenden, viele Freunde von uns auch. An dem Video zu „Guitarstriking Marked Fingerprints““ haben wir eineinhalb Jahre gearbeitet. Wir hatten das Animationsstudio zur Verfügung. Nach normalen Sätzen könnten wir uns das niemals leisten.

Findet das Video Anklang oder steht das damit erzielte Echo in keiner Relation zu dem Aufwand, den man hatte?
AM: Es wird jetzt auch schon in Griechenland gespielt.
VB: Und auf Go TV wird es immer noch gespielt.

Schlägt sich das auch irgendwie in Verkaufszahlen nieder?
VB: Wir verkaufen über amazon in schöner Regemäßigkeit. Seit das letzte Album draußen ist, ist die Aufmerksamkeit enorm gestiegen, was Radio-Airplay, das Spielen von Videos etc anbelangt.

Könnt ihr schon etwas zu den nächsten Schritten sagen? Habt ihr schon ein neues Album im Visier?
AM: Zu Weihachten bringen wir eine Kassette auf einem Grazer Tape-Label raus – gemeinsam mit einer anderen Band.

Wer hört sich das an?

AB: Es gibt auch einen Link zum digitalen Download.
AM: Das Tape-Label hat schon einen gewissen Kult-Status erlangt. Viele heimische, aber auch einige internationale Acts haben auf ihm releast.
VB: Immer mit kleiner Auflage. Auch von daher ist es etwas Besonderes. Ich bin auch schon wieder dabei, neue Songs zu schreiben, und kommenden Sommer werden wir wieder aufnehmen. Also derzeit sind die Pläne: Viel spielen und in zwei Jahre wird es wieder ein Album geben.

Wie sieht es mit den Erwatungen aus. Haben die Reaktionen auf das neue Album eure Erwartungen übertroffen oder sind sie dahinter zurück geblieben?
AM: Als fm4 auf einmal großen Interesse bekundete, habe ich gesagt: Jetzt werden wir berühmt und ich hab gar keine Zeit dazu…
VB: Fritz Ostermaier hat uns viel gespielt, was uns sehr wunderte, weil wir ihm gerade einmal die CD geschickt hatten und sofort kam die Reaktion.
Eine ganze Sendung gab es mit uns und dann auch noch die Studio 2-Session…
AB: Soundpark – da ist schon einiges passiert.
AM: Nach der Studio 2-Session, dachte ich: Das war´s jetzt. Ich hab mir nicht träumen lassen, dass da noch so viel kommt.

Wie seid ihr alle eigentlich zur Musik gekommen?

AM: Ich komme vom Land, aus Lamprechtshausen bei Salzburg. Und im Nachbarort gab es eine Chello-Lehrerin – so einfach war das. Purer Zufall.
AB: Ich hab zuerst steirische Ziehharmonika gelernt und erst danach auf Gitarre und jetzt Schlagzeug erweitert.
VB: Bei uns haben alle in der Familie ein Instrument gelernt.

Ihr habt also alle euren Background in der österreichischen Volksmusik. Eure Musik klingt aber eher nach zeitgemäßer Volksmusik US-amerikanischer Prägung a la Bright Eyes.
VB: Ich finde ja, dass der Musik immer auch ein gewisser volkstümlicher Charakter innewohnt, aber ich will nicht darauf reduziert werden.
Nimm „Pretty Things Happen“: Wenn das im österreichischen Dialekt gesungen wäre, wäre es ein Gstanzl.
AB: Wir haben und auch nie bemüht, sich auf eine Richtung zu einigen. Deshalb wird man auch schnell mit Bright Eyes verglichen, das ist hat sehr präsent.
AM: Viele sagen auch, nachdem sie das erste Mal die zweite Frauenstimme, hören: Arcade Fire. Aber es ist doch nicht so, dass Arcade Fire erfunden hätten, mit zwei Frauenstimmern zu arbeiten.

War es denn nie Thema, auf Deutsch zu singen?

VB: Doch, eine Zeit lang hab ich auch auf Deutsch geschrieben, aber die Gründe, nicht auf Deutsch zu singen, habe irgendwann überwogen. Ein ganz wesentlicher ist, dass mein Hochdeutsch nie so klingen wird wie das von Tocotronic. Im Dialekt möchte ich aber schon gleich gar nicht singen, da die Musik ja dann außerhalb meines Dorfes nur wenig Resonanz erzielen würde. Die Möglichkeit, woanders verstanden zu werden, möchten wir uns nicht nehmen. Zusätzlich hat Englisch den angenehmen Nebeneffekt, dass es nicht so direkt ist.
AB: Englisch funktioniert für uns einfach schöner und runder.

Eure Nummern sind allesamt Slow Burner, dh sie brauchen eine gewisse Zeit, bis sie sich im Gehörgang festgesetzt haben, sind dann aber umso schwerer wieder loszuwerden. Absicht?
VB: Das kommt vielleicht von der Vielschichtigkeit, die Abläufe finden nach keinem 0815-Schema statt. Ein Hook ist aber immer versteckt. Wir wollen es auch nicht jedem leicht machen. Die Musik soll danach schreien, mehrmals gehört zu werden. Gerade die Überfüllung sorgt dafür.

Redet ihr gerne über eure Musik
Dann, wenn es den Gesprächspartner interessiert, schon. Allzu oft aber kommt es vor, dass wir gefragt werden, wie sich unsere Musik denn anhöre, weil sie der Interviewpartner noch nie gehört hat. Über Musik zu reden, die der Gesprächspartner noch nie gehört hat macht aber doch wenig Sinn.

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