Der in Deutschland geborene und seit seinem fünften Lebensjahr in Österreich lebende Trompeter Bastian Stein ist schon viel in der Welt herumgekommen, hat für sein Alter, er ist 26, schon erstaunlich viel zu sagen und hat nun auch seine erste CD unter seinem Namen eingespielt. Präsentiert wird die CD am 13. Februar im Porgy&Bess. Mit Alfred Krondraf sprach er über seine Musik, über die Möglichkeiten, als Musiker zu leben und über die Unterschiede in der Ausbildung in Österreich und den Niederlanden.
Du bist ja schon lange in der Szene, hast schon in vielen Ensembles gespielt, warum hat es so lange gedauert bis deine erste CD unter deinen Namen erschienen ist?
Ich habe mir lange Zeit gelassen mit dem Komponieren und ich habe auch Probleme gehabt mit dem Trompetenspiel. Als ich aus Holland zurückkam, ich habe zwei Jahre in Holland studiert bei den drei offiziellen Trompetenlehrern in Holland und zusätzlich habe ich Privatunterricht beim Ack van Rooyen genommen, hatte ich Ansatzprobleme. Ich konnte nie länger als maximal zwei Stunden spielen. Mit einem schwedischen Lehrer, Bo Nilsson, habe ich dann an dieser Umstellung gearbeitet. Ich habe dann ein ganzes Jahr lang ausgesetzt, habe keine Gigs gespielt. Ich musste mich erst wieder mit dem Instrument beschäftigen. Erst dann habe ich mich wieder mit dem Jazzspielen beschäftigt.
Deine CD „Gravity Point“ klingt oftmals traditionell. Ist es eine Reminiszenz an deine Vorbilder?
Ich komme sicher aus der traditionellern Ecke. Was aber nicht meint, anderes würde mich nicht interessieren, ich spiele gerne auch andere Sachen. Trotzdem habe ich viel Traditionelles gespielt und geübt in der Vergangenheit. Über Eigenkompositionen habe ich mich lange Zeit nie drüber getraut. Ich habe es mir nie zugetraut, Nummern zu schreiben die ich dann auch spielen kann. Jetzt hat sich die Situation geändert. Ich traue es mir sehr wohl zu und es macht mir auch sehr viel Spaß.
Du hast gesagt, du kommst aus der traditionellen Ecke, deine Kompositionen klingen auch traditionell, durchaus mit einem zeitgenössischen Touch. Wie würdest du deine Kompositionen einordnen?
Eine oft gestellte Frage. Es ist schwierig diese Frage zu beantworten. Ich würde sagen es ist Contemporary Jazz. Es ist sicher kein „traditionell Straight Ahead Jazz“, es ist aber sicher auch kein „Avantgardejazz“, ich glaube es ist eben Contemporary Jazz, wobei dieser Begriff natürlich auch sehr dehnbar ist. Darunter fällt irrsinnig viel aber mir fällt nur diese Bezeichnung ein.
Von wo hast du deine Einflüsse bezogen?
Es ist schwierig zu sagen wer mich beeinflusst hat. Ich denke da weniger an meine Kompositionen, aber es waren sicher vom kompositorischen her Persönlichkeiten wie Wayne Shorter, Kenny Wheeler, vom kompositorischen und vom Trompetenspiel her waren es sicher Woody Shaw und Chet Baker und Freddy Hubbard.
Chet Baker kann durchaus ein Stichwort sein. du hast einen warmen, geschmeidigen Ton an der Trompete, es oszilliert im Raum und auch der Titel deiner CD, Gravity Point, hat ja auch etwas damit zu tun.
Der Titel hat insofern was mit Gravitation zu tun und ich finde ihn lustig weil es ja einen Gravitationspunkt nicht gibt. Es gibt ja keinen Gravitationspunkt sondern nut eine Gravitationsfläche und da dachte ich mir, dieser Titel wäre ein Aufhänger, ein Stolperstein quasi. An diesem Titel bleibt man eben hängen! Gravitation meint ja die Anziehung von Massen und diese Anziehung hat ja auch in der Musik einen großen Stellenwert. Die Kompositionen bestehen ja großteils aus den Antipoden „Was zieht sich an, was stößt sich ab und wo löst es auf“.
Sind deine Kompositionen fix und fertig gewesen, war alles durchnotiert oder bist du nur mit einer Grundidee ins Studio gekommen?
Ich musste eine ganz klare Vorstellung von den Kompositionen haben, denn wir hatte sehr wenig Zeit. Es war alles durchkomponiert und wir hatten nur drei oder vier Tage Zeit um zu proben.
Deine Mitmusiker, Peter Kronreif, Matthias Pichler, Christian Kronreif, Philipp Jagschitz und Angela Maria Reisinger, standen also unter deiner musikalischen Kuratel?
Ja. Die Kompositionen lassen schon Platz für die musikalische Interaktion aber ich stand immer wieder vor der Frage, wie weit lasse ich meine Mitmusiker gehen. Dafür aber braucht man viel Zeit und die hatten wir nicht. Da ich mir ja schon prinzipiell mit den Kompositionen viel Zeit gelassen habe, ich bin in dieser Beziehung ein absoluter Perfektionist, musste ich nachgerade mit fix und fertigen Kompositionen kommen. Sie lassen natürlich schon Platz für Improvisationen und Interaktion, aber es gab einen bestimmenden Faktor. Mit dieser CD wollte ich etwas machen was meine ureigenste Handschrift trägt und da war es meine Intention alles sehr klar zu definieren und alles so klar als möglich zu machen. Die Grundidee war eigentlich, die Stücke noch weiter auszuarbeiten und bis ins Letzte zu notieren. Aber da ist mir auch die Zeit davon gerannt. Diese Arbeit werde ich aber sicher noch nachholen.
Wie hast du auf diesen Zeitfaktor reagiert?
Es sind Kompositionen die nicht nach einem „alten“ Schema aufgebaut sind. Es wird also kein Thema geben sondern ein Stück und in dem Stück kommt immer wieder ein Solo vor, es soll aber nur ein Solist sein! Also nicht Thema, Solo, Solo, Solo, Thema sein sondern es soll ein Solo sein, dass das Stück fortführt, weiterführt, ein andere Dimensionen transformiert. Es sind also Kompositionen die das Stück inklusive der Solos vorgibt und die Solos sollen das Stück zum nächsten Teil hinführen. Bei drei Stücken ist es mir gelungen, bei den anderen ist mir wieder die Zeit davongerannt beziehungsweise wollte ich nicht nur solche Stücke haben weil es auch für den Zuhörer sehr anstrengend ist. Da wollte ich also auch mal eine „Medium Tempo“ oder „Swing Tune“ machen.
Es klingt nach einem stressigen Leben. Wie bereitest du dich auf deine CD Präsentation im Porgy & Bess vor?
So ist es, aber ich lassen keinen zusätzlichen Stress aufkommen, ich kümmere mich zwar um alles, aber ich freue mich auf die CD Präsentation und ich bin sicher, es wird ein schönes Konzert werden.
Der Zeitfaktor scheint eine große Rolle zu spielen bei deinem Projekt. Sind die Gedanken schon lange in deinem Kopf und mussten dann plötzlich raus oder war es ein stetiges Wachsen?
Ich hatte die Gedanken an sich schon lange im Kopf aber ich bin eben ein unverbesserlicher Perfektionist und habe das Projekt immer wieder hinausgezögert bis ich an dem Punkt angelangt bin an dem mir klar wurde, ich muss es jetzt machen sonst mache ich es nie. Und dann habe ich mich selbst unter Druck gesetzt und einen Studiotermin fixiert. Bis dahin musste das Ding eben fertig sein. Diese Grenze habe ich mir gesetzt und ich wollte ganz einfach wissen wo ich stehe. Jetzt bin ich aber erst am Anfang meiner Reise. Ich bin zufrieden mit dem „Produkt“, ich finde es ist gut gelungen aber ….es ist erst ein Anfang und ich freue mich jetzt auf alles was noch kommt.
Nach welchen Kriterien hast du deine Mitspieler ausgewählt?
Es waren rein musikalische Kriterien. Gute Musiker haben ja oft nicht viel Zeit weil sie sehr beschäftigt sind und darum kann ich sagen, ich hatte viel Glück mit meinen Mitmusikern. Sie hatten alle die notwendige Zeit und es war ein wundervolles Arbeiten mit ihnen. Allein von der Rhythmusgruppe her ist es ein Traum für mich. Sie ist total flexibel, jeder geht im Moment auf die Vorstellungen des Anderen ein, sie bringt den Solisten eine irrsinnige Aufmerksamkeit entgegen und was mir besonders wichtig ist, jeder hört zu und hat die musikalische Fähigkeit, sofort zu reagieren. Diese Interaktion macht sehr viel Spaß. Niemand spielt sich selbst in den Vordergrund, jeder dient der Musik.
Der Zeitfaktor ist ja ein interessantes Phänomen. Viele Musiker können ja nicht von ihrer Musik leben, sie müssen „nebenbei“ unterrichten und im schlimmsten Fall fahren sie Taxi oder liefern Pizzas aus. Kannst du von deiner Musik leben?
Ich kann sicher nicht von meiner Musik leben. Ich würde mir wünschen, zwei bis drei gut bezahlte Gigs pro Monat zu haben um davon leben zu können. Live zu spielen ist ja überhaupt das Wichtigste für einen Musiker denn nur dadurch kann man sich weiter entwickeln. Ich bin mir schon im Klaren darüber, dass ich von meiner Musik nicht leben kann obwohl ich es mir wünschen würde. Ich unterrichte jetzt einen Tag in der Woche und natürlich würde ich es mir wünschen, mehr gut bezahlte Gigs zu haben um davon Leben zu können. Ich spiele halt auch sehr viele kommerzielle Sachen, Hochzeiten, Bälle, Feste und anderes. Seit zwei Jahren etwas weniger aber trotzdem muss ich immer noch zu diesen Festen zuflucht nehmen. Schön wäre es halt wenn sich die Verhältnisse ein wenig ändern würden. Prinzipiell ist es halt so, dass es bestimmte Instrumente ein wenig leichter haben. Schlagzeug und Bass werden immer gebraucht, Bläser sind da seltener gefragt.
Worauf führst du diese „Unterforderung“ der Musiker zurück?
Die positive Antwort wäre, dass es eben sehr viele sehr gut ausgebildete Musiker in Österreich gibt, die negative wäre, dass es vor allem für bestimmte Musikrichtungen, und ich zähle den Jazz da durchaus dazu, trotz allem immer noch zu wenige Möglichkeiten gibt, was natürlich auch am Air Play der Rundfunkstationen liegt.
Zu deiner positiven Antwort. Österreich rühmt sich ja eine großartigen Musiktradition und einer erstklassigen Ausbildung. Du hast einen nicht zu geringen Teil deiner Ausbildung in Holland genossen und kannst einen Vergleich ziehen. Worin unterscheidet sich die Ausbildung?
Der Ausbildungsstandard in Holland ist extrem hoch. Das wichtigste Kriterium ist aber das Ausbildungssystem an sich. In Holland wird fächerübergreifend unterrichtet und was ich heute in im Fach Hörbildung lerne kann ich schon morgen im Fach Komposition umsetzen. Daran krankt es im System hier zu Lande. Auch was die Möglichkeiten des Spielens an sich anbelangt gibt es in Holland mehr und bessere Möglichkeiten. Nehmen wir nur die Anwesenheitspflicht bei Big Band Proben an der Hochschule in Österreich. Natürlich ist mir klar, dass es sein muss aber wenn ich stundenlang bei einer Probe sitzen muss und nur auf meinen Einsatz waren muss anstatt mit Weltklassemusikern einen Gig spielen zu können, bei dem ich das finanzielle vollkommen außer acht lasse aber viel an Erfahrung gewinnen kann, stelle ich mir schon die Frage, ob dieses strikte Korsett im Sinne der Sache ist.
Klingt da Kritik am österreichischen Ausbildungswesen durch?
Ich möchte es nicht in diesem Sinne kritisieren, aber ich habe es an der Hochschule nicht immer leicht gehabt.