„MEIN WUNSCH WÄRE, DASS DAS PUBLIKUM BEI MEINER MUSIK EINSCHLÄFT UND TRÄUMT“ – ANGÉLICA CASTELLÓ IM MICA-INTERVIEW

In einem geisterlosen Raum kann man sich nicht wohlfühlen: Da ist sich ANGÉLICA CASTELLÓ sicher. Ohne Spuren von Leben, von Geschichte, ohne das, was sie „Geister“ nennt, werden Räume zu glatten Oberflächen ohne Erinnerung und Vergangenheit. Deswegen zieht es CASTELLÓ lieber in alte Wiener Kaffeehäuser als in sterile Universitätsräume. Dort, zwischen dem Klingen der Löffel und dem Murmeln der Gespräche, findet sie Inspiration. Dort verweben sich Alltagsbeobachtungen mit Erinnerungsfetzen zu Klang – zu Musik, die zugleich zart und düster, verspielt und radikal sein kann. In diesem Jahr wurde die Komponistin, Klangkünstlerin, Blockflötistin und Professorin mit dem Ernst-Krenek-Preis ausgezeichnet – eine der höchsten musikalischen Ehrungen der Stadt Wien. Ein schöner, überraschender Moment, wie sie im Interview mit Ania Gleich erzählt. Und gleichzeitig nur ein weiterer Knotenpunkt in einem künstlerischen Geflecht, das sie seit ihrer Jugend in Mexiko kontinuierlich weiterspinnt.

Vielleicht ist der Ernst-Krenek-Preis ein guter Einstieg – wie hast du davon erfahren und was ging dir dabei durch den Kopf?

Angélica Castelló: Ich kenne den Preis schon lange. Früher war es so, dass man sich mit einem Werk bewerben musste. Und dieses Jahr war es das erste Mal anders – es wurde jemand von einer unabhängigen Jury ausgesucht. Das heißt, ich habe mich gar nicht beworben. Plötzlich war einfach diese Nachricht da, und ich dachte nur: Aha, wie? Es war wirklich eine schöne Überraschung und ich war extrem berührt. Obwohl ich schon ein paar Preise bekommen habe, ist es für mich nie selbstverständlich, dass es einfach so weitergeht. Es kann ja gut sein, dass in der Karriere irgendwann mal tote Hose ist. Das passiert oft – eine Musikkarriere verläuft nie geradlinig. Insofern bin ich immer sehr dankbar und freue mich, dass es weitergeht. 

Wenn du jetzt auf dein Werk zurückblickst oder auch in die Zukunft schaust: Wo stehst du gerade künstlerisch und ideenmäßig? Was sind deine wichtigsten Standbeine?

Angélica Castelló: Ich sehe meinen musikalischen Weg als etwas Durchgehendes. Konkret begonnen habe ich mit 14 Jahren, am Konservatorium in Mexiko. Es ist nicht geradlinig, aber ein kontinuierlicher Weg. Ob ich nun in der Mitte davon stehe, weiß ich nicht – vielleicht stehe ich morgen schon woanders. Keine Ahnung, wo die Mitte ist. Aber es ist alles das gleiche Universum, das sich nicht von meinem Leben trennt: mein Alltag, diese Stadt, andere Städte, meine Ausbildung, meine Arbeit als Lehrende, als Kuratorin – alles ist eins. Der Ernst-Krenek-Preis ist zwar ein Kompositionspreis, aber sie haben bei der Verleihung auch viel über Vielfältigkeit gesprochen. Und ich glaube, das trifft auf mich zu. Ich bin natürlich Komponistin – das ist eine der Hauptsäulen meines künstlerischen Universums –, aber alle anderen Rollen sind genauso wichtig: die Performerin, die Lehrende, die Kuratorin und das Menschsein in der Stadt. Man bekommt vielleicht keinen Preis als Bürgerin, aber ich „gebe“ ihn mir trotzdem, wenn du verstehst, was ich meine. Ich sehe da also keinen Mittelpunkt, kein „das war vorher“ und „das kommt jetzt“. Natürlich entwickelt man sich technisch, stilistisch, ästhetisch – man verfeinert seine Sprache. Und das hört nie auf.

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Könnte es sein, dass in der Komposition all diese Anteile irgendwie zusammenfließen? 

Angélica Castelló: Ja, schon. Aber man könnte das auch leicht missverstehen. Wenn jemand meine Musik nicht kennt und ich so etwas sage, könnte man sich vorstellen, dass ich auf der Bühne performe, mein eigenes Leben erzähle und dazu live Musik mache. Aber so ist es nicht. Teilweise ist meine Musik komplett abstrakt – oft sogar. Sie hat eine ganz eigene, sehr verträumte Sprache. Alles fließt ineinander.

Inwiefern prägen denn verschiedene Orte oder das Reisen generell deinen Klang oder deine Arbeit?

Angélica Castelló: In verschiedenen Ländern zu leben, formt eine bestimmte Persönlichkeit. Man lernt verschiedene Sprachen, viele Kulturen – und das bringt, zumindest bei mir, eine gewisse Offenheit in die Musik. Aber dass Orte mich direkt klanglich prägen? Das glaube ich weniger. Ich werde oft gefragt, ob Mexiko eine Rolle in meiner Musik spielt – und denke mir: Naja, nicht wirklich. Klanglich nicht. Und Wien, wo ich jetzt länger lebe als ich in Mexiko gelebt habe, eigentlich auch nicht.

„Ich brauche auch viel Luft und Freiheit.“

Ich wollte in meiner Frage auch eher auf das Reisen hinaus – weil viele Orte auch den Raum der Erinnerung anders prägen. 

Angélica Castelló: Ja, ich bin sehr viel unterwegs. Ich brauche auch viel Luft und Freiheit. Ich muss mich bewegen – dabei lerne ich so viel, und diese Dynamik prägt meine Arbeit. Es macht auch, dass ich gut im Zug, im Flugzeug oder in Hotelzimmern komponieren kann. Und das ist sehr praktisch. Es gibt ja viele Menschen, die das gar nicht können – die brauchen absolute Ruhe und ihr Zuhause. Ich hingegen kann sogar im Kaffeehaus arbeiten. Ich mische das gerne. Das macht definitiv etwas mit der Art, wie ich arbeite.

Du hast irgendwo mal vom „Weaving of Memory“ gesprochen – also vom Verweben von Erinnerungen. Wie funktioniert dieser Prozess für dich: aus einer gelebten Erinnerung Klang oder Komposition zu machen?

Angélica Castelló: Mich interessiert sehr, was zerbrechlich ist. Und Zerbrechlichkeit findet man oft in der Vergangenheit. Niemand will, dass die Zukunft zerbrechlich ist. Es geht um das, was verschwindet. Diese Spannung mag ich sehr – auch diese Angst vor dem Verschwinden. Ich arbeite viel mit obsoleten Maschinen, mit Analoggeräten, mit Kassettenrecordern, alten Radios, kaputten Instrumenten. Aufnahme ist für mich ein zentrales Medium. Ich arbeite viel mit Sampling, nehme auf, spiele die Aufnahmen wieder ab. Ich spiele außerdem ja auch Blockflöte – und der englische Name „recorder“ hat mich da auf etwas gebracht: „Record“ kommt vom italienischen recordare, was „sich erinnern“ bedeutet. Du nimmst wahrscheinlich auch auf, was wir gerade sagen, damit du dich erinnern kannst – oder? Dabei geht es darum, sich zu erinnern.

„VIELLEICHT LEBEN WIR TATSÄCHLICH STÄNDIG IN EINER ART AUTOFIKTION“

Wenn wir schon über Erinnerung sprechen: Vergangenheit ist ja oft nicht verlässlich, weil die Erinnerung sich ständig verändert. Sie ist nie statisch – jedes Mal, wenn man eine Geschichte erzählt, formt sie sich neu. Das macht die Vergangenheit auch unzuverlässig. Wie gehst du mit dieser Vergänglichkeit um?

Angélica Castelló: Ja, ich beschäftige mich sehr mit dem Vergänglichen – aber ich bin auch sehr interessiert an der Gegenwart und der Zukunft. Ich lebe nicht nur in der Vergangenheit. Mein Leben ist ganz stark zukunftsorientiert. Das ist mir wichtig zu sagen, damit man nicht denkt, ich hätte damals, irgendwann, aufgehört Musik zu machen oder wäre dort stehen geblieben. Ganz im Gegenteil.

Nein, das wollte ich damit nicht implizieren: Ich habe nur dein Interesse am Zerbrechlichen aufgegriffen. Durch die Erinnerung wird das ja auch in die Gegenwart übersetzt, oder? Und dann spinnt es sich weiter in die Zukunft.

Angélica Castelló: Ja, das ist eine sehr schöne Frage. Ich glaube, diese polymorphe, fiktive Qualität von Erinnerung: Das interessiert mich sehr. Weil: Was ist schon wirklich? Vielleicht leben wir tatsächlich ständig in einer Art Autofiktion. Das ist ja vielleicht sogar die Wahrheit. Wie war es wirklich? Es gibt unzählige Bücher über Geschichte, aber das sind letztlich nur verschiedene Perspektiven. Und selbst in der eigenen Familie gibt es zu einer einzigen Episode – zu Weihnachten oder wann auch immer – drei oder fünf völlig unterschiedliche Versionen. Und das liebe ich. Auch meine eigene Vergangenheit ist völlig polymorph, weil viele meiner Arbeiten autobiografisch sind. Und in diesem Erinnern verformt sich die Realität ständig neu.

Ich habe mich gerade gefragt, wann für dich ein Raum oder ein Objekt beginnt, zu sprechen. Vielleicht ist das eine etwas romantische Vorstellung, aber ich stelle mir vor: Du hörst in deine Erinnerung hinein – und plötzlich klingt etwas. Wie nimmst du das wahr?

Angélica Castelló: Ich bin definitiv eine Objektfetischistin. Ich arbeite ja mit Maschinen – Kassettenrecordern, alten Radios – und habe eine sehr enge Beziehung zu ihnen. Auch, weil sie fragil sind. Ich habe oft das Gefühl, sie sprechen von selbst. Ich kommuniziere ständig mit ihnen, weil nie alles genauso funktioniert, wie man will. Ich bin kein Kontrollfreak, ganz im Gegenteil – ich lasse zu, was von den Maschinen oder den Räumen selbst kommt. Und manchmal ist das nicht lustig, wenn sie zum Beispiel gar nicht funktionieren wollen.

Bild Angelica Castelló
Angelica Castelló (c) Monika Gold

Gibt es Räume, mit denen du gar nicht arbeiten konntest – weil sie zu still oder zu unangenehm waren?

Angélica Castelló: Oh ja, es gibt viele solcher Räume. Man spürt das körperlich – dass man dort nicht sein kann. Ich erinnere mich an einen Auftritt in Marseille, in einem super kleinen, netten Underground-Ort. Der Backstage-Raum war gleichzeitig das Schlafzimmer einer Frau, die dort lebte. Und dieser Raum war für mich furchtbar. Ich kann das kaum beschreiben. Ich wollte sofort wieder raus. Ob es ihre Präsenz war oder der Raum selbst, weiß ich nicht. Auch an der Universität, wo ich unterrichte, passiert mir das oft – in diesen oft sterilen Räumen ohne eigene Persönlichkeit. Da kann mir sogar schwindelig werden. Vielleicht liegt es daran, dass dort niemand wirklich wohnt. Vielleicht brauche ich Geister. In Marseille zum Beispiel – da war der Raum sicher voll von bösen oder schwierigen Geistern. Und auch hier in Wien gibt es Orte. Deswegen liebe ich auch diese klassischen Wiener Kaffeehäuser, weil die so beseelt sind.

Ich war neulich wieder in der Seestadt – da ist mittlerweile viel mehr los als noch vor zehn Jahren. Aber irgendetwas daran hat mich immer noch gestört. Vielleicht ist es genau das: diese Geisterlosigkeit. 

Angélica Castelló: Ja, das glaube ich auch! Vielleicht sind dort einfach noch nicht genug Menschen gestorben. In einem alten Haus, da wurden Menschen geboren, sie haben gestritten, waren eifersüchtig – all diese Gefühle sind in den Wänden gespeichert. Und in den neuen Gebäuden fehlt das noch. Aber vielleicht kommt das mit der Zeit.

Wenn wir jetzt über die Qualität oder Stimmung deiner Musik sprechen – es gibt für mich ein Spannungsfeld zwischen etwas Zartem und etwas sehr Düsterem. Wie siehst du das?

Angélica Castelló: Doch, meine Musik ist sehr düster und teilweise sehr noisig. Manchmal spiele ich super laut und sehr zerstörerisch. Aber das ist genau mein Umgang mit dem Zerbrechlichen: Ich erhebe es und zerstöre es dabei. Das gehört für mich zusammen.

ICH ZERSTÖRE NICHT MEINE MUSIK, ABER ICH ERZEUGE DIESEN MOMENT DER DESINTEGRATION“

Zerstörung als künstlerischer Akt?

Angélica Castelló: Ja. Ich liebe die Idee – wie bei Kindern, die einen Turm aus Bauklötzen bauen, nur um ihn dann umzuwerfen. Ich zerstöre nicht meine Musik, aber ich erzeuge diesen Moment der Desintegration. Und das Düstere… ja, ich bin von Natur aus eine melancholische Person. Ganz einfach. Ich bin der Typ Mensch, der bei Noise entspannen kann. Neulich hat mich ein Student gefragt, wie man sich so etwas antun kann. Diese Musik, die auch noch super laut ist. Er konnte das nicht verstehen. Und ich musste ihm erklären, was das mit mir macht. Andere haben es auch nicht verstanden. Es ist schon ein bisschen selbstzerstörerisch – weil man sich dabei auch die Ohren kaputt machen kann. Aber es hat etwas.

Ich kann das gut nachvollziehen. Es ist eine Art von Empfänglichkeit, die nicht alle Menschen haben. 

Angélica Castelló: Ich glaube, es gibt etwas an dieser fast beklemmenden Art von Sound, die mir sehr liegt. Ich höre aber fast alle Arten von Musik. Als Konsumentin höre ich extrem viele verschiedene Sachen. Manche kann man länger hören, andere kürzer. Lauter Noise – das höre ich zwar gern, aber zu Hause will ich das nicht stundenlang laufen haben. Grundsätzlich gilt für mich aber: Die Musik, die ich mache oder konsumiere, geht für mich mit dem ganzen Leben einher. Das fließt ineinander.

Gibt es Themen oder Klänge, die dich gerade besonders beschäftigen?

Angélica Castelló: Im Moment beschäftigen mich sehr stark Themen wie Natur – aber nicht im Sinne von „Wald“, sondern unserer eigenen Natur. Weiblichkeit, Feminismus, Sexualität. Ich weiß nicht, ob das immer explizit in meiner Musik vorkommt, aber es spielt definitiv eine Rolle.

Inwiefern, würdest du sagen?

Angélica Castelló: Das ist nicht so leicht zu beantworten. Es schockiert mich ein bisschen, aber ich habe das Gefühl, dass die Sichtbarkeit von Frauen in der Kunst gerade wieder abnimmt. Obwohl es mir persönlich im Moment sehr gut geht, sehe ich rundherum, dass sich da etwas zurückentwickelt. Das finde ich erschreckend. Ich will nicht unbedingt, dass meine Musik eine Message hat oder explizit politisch ist – aber ich will meine eigene Weiblichkeit spürbarer machen. Weiblichkeit, Sexualität, Körper, Natur – das sind die Themen, die mich beschäftigen. Und klanglich – ja, da habe ich einen ganz konkreten Sound im Kopf, den ich anstrebe. Ich kann ihn schwer beschreiben, aber ich weiß, wie er sich anfühlen soll. Zum Beispiel mache ich demnächst ein Orchesterstück, und mein Wunsch wäre, dass das Publikum bei meiner Musik einschläft und träumt. Das wäre mein Traum.

Das ist sehr schön gesagt. Ich wollte noch einmal aufgreifen, was du vorher angedeutet hast – dass sich die Situation für Frauen in der Kunst wieder verschlechtert. Wie erlebst du das speziell in deinem Genre, also Klangkunst oder experimenteller Musik?

Angélica Castelló: Es lässt sich schwer verallgemeinern, weil wir uns ja alle in Bubbles bewegen. Aber unsere Musik – also die experimentelle, elektroakustische Szene – ist noch bubbliger. Und sie ist extrem männlich dominiert. Die meisten meiner Kolleg:innen, ob an der Uni oder bei Konzerten, sind Männer. Ich würde sagen, 80 Prozent. An der Uni zum Beispiel wurden kürzlich vier neue Professuren besetzt – alle Männer. Alles tolle Leute, wirklich – aber trotzdem. Und das passiert nicht zufällig. Vor vier Jahren war ich bei einem Symposium an der Uni, das hieß „50/50 Gender Balance in Composition and Conducting by 2030“. Das sollte ein Ziel sein – in fünf Jahren wäre es so weit. Aber wir sind überhaupt nicht dort. In manchen Festivals habe ich das Gefühl, es gibt mehr Frauen als früher, das ist toll – wie heuer bei Wien Modern. Aber es gibt immer noch viele Programme, wo genau eine Frau dabei ist, und man weiß sofort: Die ist nur da, weil sie das machen müssen, nachdem es ohne Frau halt nicht mehr geht. Und dann gibt es Festivals, wo nur Frauen auftreten und das wird dann groß an die Glocke gehängt: „Frauenfestival!“. Ich bin so fucking fed-up damit. Ich will einfach, dass es normal ist, dass zwei oder drei Frauen dabei sind und ein Mann – und niemand es extra erwähnen muss. Wir sind schon so weit. Ich habe auch Studentinnen – leider weniger als männliche Studierende. Ich versuche, ihnen Mut zu machen. Ich sage ihnen: „Bitte, hört nicht auf. Macht einfach weiter. Lasst euch nicht unterkriegen.“

Was sind denn aktuell deine konkreten Projekte – woran arbeitest du gerade?

Angélica Castelló: Ich mache gerade ein Orchesterstück – eigentlich drei. Es ist eine Trilogie, die über die nächsten drei Jahre entsteht. Drei zehnminütige Lieder für Barbara Heindlmeier – eine Sängerin und Dirigentin, die ich sehr schätze. Es ist ein wunderschönes Projekt: Gesang und Orchester. Dann arbeite ich an einem Film mit der spanischen Regisseurin Meritxell Colell. Ich bin darin nicht nur als Komponistin, sondern auch als Darstellerin zu sehen. Es ist ein sehr schönes Projekt, das sich gerade entwickelt – vielleicht wird es sogar feministisch, mal sehen.

Außerdem arbeite ich an einem Musiktheaterstück – auch eine Trilogie über eine Frau, die vielleicht allein ist, vielleicht verrückt, vielleicht spricht sie mit Engeln oder mit Gott … man weiß es nicht genau. Eine sehr schöne Geschichte. Und dann natürlich Konzerte, Uni, und ein Forschungsprojekt, das nächstes Jahr abgeschlossen wird: Spirits in Complexity. Wir erforschen darin die Seele von Maschinen oder überhaupt die Frage, ob Maschinen eine eigene Persönlichkeit haben.

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Eine letzte Frage habe ich noch zum Orchesterstück. Was macht es für dich besonders, für Orchester zu komponieren – im Unterschied zu deiner sonstigen Arbeit?

Angélica Castelló: Ich mache elektroakustische Musik, also meistens instrumental-elektronisch. Alle meine Projekte – elektroakustisch, performativ, instrumental – verbinden sich eigentlich sehr gut. Aber für Orchester zu schreiben, ist das Komplexeste. Du musst über ein Blatt Papier mit vielen Menschen kommunizieren – ganz unterschiedlichen Menschen. Und dieses Blatt – die Partitur – muss so klar wie möglich sein. Das ist eine eigene Kunstform. Aber der Klang, den ich anstrebe, soll nicht weit entfernt sein von dem, was ich in der elektroakustischen Musik mache.

„Ich müsste eigentlich eine ganze Library machen, um zu zeigen, wie viele Arten von Stille es gibt.“

Vielleicht noch eine letzte Abschlussfrage: Wie klingt für dich Stille?

Angélica Castelló: Es gibt so viele Arten von Stille. Welche meinst du? Ich habe zum Beispiel gerade „noise cancelling“ Kopfhörer an – das ist auch eine Form von Stille, oder? Und dann gibt es diese Ultra-Stille, wo wirklich nichts passiert – das klingt für mich wie die Stimme in meinem Kopf. Weil die hört einfach nicht auf. Dieses „Nichts“, also absolute Stille, habe ich eigentlich noch nie erlebt. Stille kann auch wie ein Geräusch klingen – wie ein Sound. Ich müsste eigentlich eine ganze Library machen, um zu zeigen, wie viele Arten von Stille es gibt.

Danke dir für das Gespräch!

Ania Gleich 

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Termine:

Dienstag, 18. November 2025
castello & noetinger
cafe wolf / graz

Samstag, 22. November 2025
castello / noetinger
alternativa festival / praha

Sonntag, 23. und Montag, 24. November 2025
dislocation
@ wien moderntheater am werk / kabelwerk / vienna

Donnerstag, 4. Dezember 2025
angelica castello & tom malmendier & émilie škrijelj + augustė vickunaitė & suzan peeters + sholto dobie
les ateliers claus / brussels

Freitag, 12. Dezember 2025
Klangmanifeste Tag 4
echoraum / wien

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Links: 
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Angélica Castelló (Soundcloud)
Angélica Castelló (Bandcamp)
Angélica Castelló (music austria Musikdatenbank)
Ernst-Krenek-Preis 2025