Interview mit Attwenger

Reihe motz-art Interviews: Markus Binder, Kopf der österreichischen Kultband Attwenger, über die Zusammenarbeit mit Wolfgang Schlögl im Zuge des Festivals MODERNISTMOZART, über musikalische Opposition, das Mozartjahr und pensionierte Elektroniker.

“Mozart überall”

Was bedeutet Ihnen Mozart, vor allem in Hinsicht auf Ihre Tätigkeit als Mann des Rhythmus?
Ich hab eigentlich nur wenig Mozart gehört. Ich hab mal einen Film gemacht zu Mozartmusik, vom 5. Violinkonzert, da habe ich das Rondo genommen. Da gibt es schon viele Stellen, die sind sehr gut gemacht.

Was ist für Sie das Packende an dieser Musik?
Na ja. Die Violinkonzerte, aber auch die Klavierkonzerte, da gibt es Stellen, die sind sehr dynamisch, sehr mitreißend kann man sagen. Operngesang bei Mozart ist eher weniger das meine. Das ist mir ein bissl zu hart, aber es gibt schon gute Sachen. Ich sag mal: Verhältnismäßig ist Mozart viel zu überrepräsentiert. Da gibt es erstens andere die auch nicht schlecht komponiert haben: Haydn und wie die alle heißen. Zweitens: Warum alte Musik von vor 250 Jahren, heutzutage so eine Überrepräsentanz hat. Das ist ja jetzt quasi so, sie wird andauernd als der Sound der heutigen Zeit dargestellt. Ist aber in Wahrheit eine Musik, die in einer vollkommen anderen gesellschaftlichen Situation entstanden ist. Und da fragt man sich, ob das nicht der falsche Soundtrack ist.

Ist Klassik für Sie reaktionär bzw. wird sie zu reaktionär verkauft?
Wie gesagt: Ich finde es seltsam, dass Musik aus einer Zeit verwendet und gehypt wird, deren gesellschaftliche Umstände man erst bedenken müsste bzw. stellt sich die Frage: Wollen wir einen Soundtrack haben der uns geordnete Verhältnisse vermittelt? Vorbiedermeierliche Sehnsüchte und solche Sachen. Das kommt mir vor, als ob du aus einem Tiefkühlschrank gefrorenes Zeug nimmst und auf den Tisch stellst, auftaust und sagst: So ist das jetzt! Ich frage mich warum das Ablaufdatum dieser Musik so hinausgezögert wird. Da muss irgendwas dahinter sein.

Was könnte da im Konkreten dahinter stecken?
Ganz einfach. Sagen wir mal: Bürgerliche Ärsche.

Mit welchen Gefühlen haben Sie dann das bisherige Mozartjahr beobachtet?
Mit großer Interesselosigkeit.

Attwenger werden im Rahmen von MODERNISTMOZART im Verein mit Wolfgang Schlögl auftreten. Mit welchem Selbstverständnis wird die Sache angegangen?
Noch mit gar keinem (lacht). Wir treffen uns erst in Scheer im Schwarzwald. Dort spielen wir gemeinsam auf einem Festival. Wir haben natürlich bereits gequatscht, wie wir das machen werden: Wir haben ja Beats zu unseren Stücken laufen – nicht bei allen, aber bei den meisten. Diese Beats geben wir Wolfgang Schlögl als einzelne Tonspuren. Und er wird dann schauen, dass er aus unseren eigenen Beats die wir sonst verwenden, eine Unterlage baut, auf der wir quasi die Stücke die wir normalerweise zu diesen Beats spielen, in einer bestimmten Weise auflösen. Also unsere Stücke mit Wolfgangs Hilfe verdrehen, verändern und durch die Mangel nehmen.

Der theoretische Überbau von MODERNISTMOZART besagt, dass die österreichische Elektronikmusik bzw. im Besonderen die Wiener gerade in der Pubertät steckt: Inwiefern nehmen Sie das auch so wahr?
Ich hab immer gedacht, die ist schon in Pension! Ich kenn mich nicht mehr aus … (lacht). Ich hab mir diese Elektro- und Technoexplosion sehr intensiv rein gezogen. Man muss schon sagen, dass in den Neunzigerjahren innerhalb kürzester Zeit extremst viel passiert ist. Eine richtige Explosion. Ich verfolge immer wieder was die Leute von damals heute machen, aber auch was an neuen Elektrogeschichten so passiert. Damals hab ich ja auf Disko B in München ja auch eine Elektroplatte gemacht. Und verfolge nach wie vor was passiert, bekomme auch andauernd viele Sachen geschickt. Aber es scheint so, dass innerhalb von ein paar Jahren so viel passiert ist, dass das schwer fortzusetzen oder zu toppen ist. Deshalb sage ich Pension, weil die wirklich faszinierenden Elektro-Dinge: Auf die stoße ich Moment nirgendwo.

Was hat der Elektronik die Spannung genommen?
Ich hab zwar schon das Gefühl, dass ernsthaft an einer Weiterentwicklung gearbeitet wird. Aber wie gesagt, stoße ich auf keine faszinierenden Sachen. Was mir eh wuarscht ist, weil ich diesen Zustand der Nichtdominanz dieses Genres, in dem wir uns seit ein paar Jahren befinden, eh sehr okay finde. Das heißt man kann nicht mehr davon reden, dass wir in der Grunge, in der Rock oder sonst irgendeiner Phase sind. Es sind all diese Trend-settenden Phasen anscheinend durch. Und jetzt haben wir eine ganze Menge parallele Szenen, Styles und Phasen, sozusagen. Was durchaus sehr der Komplexität der realen Verhältnisse entspricht.

Eine Demokratisierung der musikalischen Genres?
Ich würde eher sagen eine Internetisierung. Weil die elektronische Informationsweitergabe und die elektronische Kommunikation über Email, Internet usw. die torpediert eigentlich das Phänomen eines dominierenden Trends. Kaum würde irgendwer einen Trend propagieren, würden 10.000 andere einen anderen Trend propagieren. Also ist es hinfällig. Das ist im Augenblick schon so die Befindlichkeit. Das Problem dabei ist jedoch, dass man nicht unbedingt feststellen kann ob dahinter nun ein Bewusstsein steckt. Sondern eher durch die nun vorhandene Möglichkeit Waren schnell herzustellen und zu vertreiben, dass diese Struktur einfach genutzt wird.

Attwenger hatten immer eine Art Oppositionsrolle inne. Wie schwierig ist es diese im Wandel der Zeit aufrecht zu erhalten?
Sagen wir mal, es ändern sich die Parameter schon sehr rasch. Stelle ich fest. Die politische Position zu formulieren war in den Achtzigerjahren ganz was anderes als in den Neunzigerjahren. Und jetzt ist es wieder ganz was anderes. Es ändern sich zwar die Parameter, aber was sich nicht ändert sind gesellschaftliche Ungerechtigkeiten, globale Missverhältnisse oder politische Systeme, die immer nach demselben Schmäh funktionieren. Das ändert sich nicht. Was sich ändert ist die Ästhetik und die Art und Weise und die Form von politischer Kritik. Das stelle ich schon immer fest. Das komische daran ist aber, dass politische Kritik einem Trend unterworfen ist – die Frage im Raum steht: Ist das überhaupt stylemäßig angesagt, dass man sich kritisch äußert. Das finde ich sehr übel, dass so eine Frage auf eine solche Ebene heruntergezogen wird. Aber die Art wie wir das über Attwenger machen, diese Art von Kritik scheint von meinen Erfahrungen aus durchaus zu greifen. Da gibt es soviel bzw. so eine Art von Feedback, dass ich mir denke: Das haben wir ganz gut hingekriegt. Es interessiert die Leute und sie finden die Art wie wir das machen gut.

Abschließend noch mal zum Mozartjahr. Wie hätte die ideale künstlerische Lösung ausgesehen?
Das ist eigentlich die falsche Frage an mich. Keine Ahnung. Ich kann nur wiederholen, dass da ganz massive bürgerliche Arschinteressen dahinter stehen, dass das so massiv betrieben wird. Es hat in den letzten 250 Jahren so viele gute Komponisten gegeben, dass es völlig übertrieben ist, diesen einen, diesen Mozart so sehr hervor zu heben. Es gibt hunderttausend Sachen die sehr viel interessanter und wichtiger wären als das. Es ist übertrieben und man weiß auch warum: Es kurbelt den Tourismus an, es kurbelt die Klassikbranche an, die ihre CDs verklopfen wollen und die, die Identitäten suchen, könnten auch Glück haben, dass sie da eine finden.