„Jetzt sind wir frei, es kann alles Mögliche geschehen“ – CHRIS SCHLAMADINGER (NAXXOS) im mica-Interview

Das Grazer Duo NAXXOS ist seit seinem Hit „New Orleans“ nicht mehr aus der House-Szene wegzudenken. Mit seinem Release „Thief“ schlägt es nun eine neue Richtung ein. Lea Spiegl sprach mit CHRIS SCHLAMADINGER unter anderem über die Gründe dafür.

Ihr Sound hat sich mit dem letzten Release „Thief“ merklich verändert. Warum?

Chris Schlamadinger: Das war zu neunzig Prozent eine persönliche Entscheidung, um sich wieder beim Musikmachen wohlzufühlen. Es gibt mehr Freiheiten, für uns und die Musik selbst. Bei House ist man ja an Geschwindigkeit und Beat gebunden, jetzt kann alles Mögliche geschehen. Der Sound hat sich verändert, ein paar Eigenschaften sind gleich geblieben, um den Naxxos-Charakter beizubehalten.

 „Mit dem neuen Sound haben wir einen Kompromiss zwischen Popmusik und dem, was uns wirklich gefällt, gefunden.“

Vor einem Jahr haben Sie die Single „On & On“ veröffentlicht, die bereits anders klang als ihre vorherigen Veröffentlichungen. Wie würden Sie Ihren jetzigen Sound definieren?

Chris Schlamadinger: Mit „On & On“ gingen wir bereits weg vom alten Sound des Chill Melodic House, aber uns ist es nicht wichtig, zu definieren, was wir tun. Hauptsache, wir können dazu stehen. Außerdem haben wir „On & On“ unter anderem aus einem Druck heraus produziert, einfach um ein Signal zu setzen, dass es uns noch gibt, und gleichzeitig zu sehen, was alles musikalisch möglich ist. Es war ein großer Schritt, von der einen zur anderen Musik zu wechseln. Fanverlust hatten wir nicht wirklich, eher einen Zugewinn, wahrscheinlich hatten schon alle „die Ohren voll“ von der Art von Musik, mit der wir begonnen haben [lacht]. Der neue Sound ist gut rübergekommen, eher als Weiterentwicklung. Für mich war es noch immer wichtig, Musik zu machen, die sich verkaufen lässt. Mit dem neuen Sound haben wir einen Kompromiss zwischen Popmusik und dem, was uns wirklich gefällt, gefunden. Ich will ja trotzdem davon leben und dazu stehen können.

„Du musst erst auf den Zug aufspringen, um dich zu etablieren, und dann musst du vor allem aufpassen, dass du dich nicht in dem Zug verlierst.“

Von der Musik leben zu können, ist ein großer Traum von vielen Musikerinnen und Musikern. Gibt es ein Naxxos-Erfolgsrezept?

Chris Schlamadinger: Ich war an einem gewissen Punkt in meinem Leben einfach motiviert zu sagen: „Ich will jetzt wirklich davon leben.“ Der Trick ist, auf einen Zug aufzuspringen, wenn du es anders machst, dann hast du etwa Extraordinäres geschaffen, etwas, was vor dir noch niemand gemacht hat, à la Skrillex oder Bilderbuch. Es gibt fast jedes Jahr einen neuen Trend und die Wahrscheinlichkeit, dass genau du derjenige bist, der diesen neuen Sound entdeckt, liegt bei eins zu einer Million. Falls es aber so ist, dann heißt es: Einfach raus damit! Bilderbuch ist das perfekte Beispiel, sie haben etwas entwickelt, was davor einfach noch nicht da war bzw. was es in der Form noch nicht gegeben hat. Aber du musst mal irgendwo starten. Bilderbuch sind auch damals auf den Indie-Rock-Zug aufgesprungen, um sich zu etablieren und dann ihr eigenes Ding zu machen. Du musst erst auf den Zug aufspringen, um dich zu etablieren, und dann musst du vor allem aufpassen, dass du dich nicht in dem Zug verlierst. Das wäre uns fast passiert …

„Ich bin im Bett gesessen, habe die Nachricht auf Facebook gelesen und mich hat es total ausgehängt!“

Hat sich in den Jahren etwas verändert oder glauben Sie, der Naxxos-Weg würde heute auch noch so funktionieren?

Chris Schlamadinger: Ich glaube, der Weg ist noch immer derselbe. Bei uns war das so: Wir haben auf SoundCloud Songs hochgeladen, die nur unbedeutende House-Tracks waren, dann haben wir uns entschlossen, Sax-House-Tracks im monatlichen Takt hochzuladen. Je nach Einfluss der Stadt wurde der Song benannt. Nach „New Orleans“ haben wir eine Nachricht auf Facebook von unserem Management – „Unity“ aus Frankreich – bekommen, danach auch von anderen. Was retrospektiv klar ist, denn, wenn etwas explodiert, dann schreiben dich die Leute einfach an. Im Endeffekt haben wir aber „Unity“ zugesagt, weil sie einfach die Ersten waren. Wir waren überwältigt. Ich bin im Bett gesessen, habe die Nachricht auf Facebook gesehen und mich hat es total ausgehängt!

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Wie kann man sich eine Produktion bei Ihnen vorstellen?

Chris Schlamadinger: „On & On“ und „Thief“ sind in London bei einem Writing Camp entstanden, das von unserem Management organisiert wurde. Wir hatten viel Spaß, aber auch wirklich viel Arbeit. Du sitzt zusammen und fängst von Grund auf etwas Neues an. Ich wollte Content mitbringen, damit wir auf etwas zurückgreifen könnten, falls etwas nicht klappen würde. Alles, was ich davor gemacht habe, war im Endeffekt total umsonst, das Beste ist spontan aus dem Moment heraus entstanden. Man muss dazusagen, dass es Profis waren und wir nur positive Vibes und Input bekommen haben.

Ist dort Ihr Album entstanden oder einzelne unabhängige Tracks?

Chris Schlamadinger: Es ist die EP entstanden. Wir denken in einem Konzept, nicht nur einzelne Singles. Naxxos soll durchdachter und größer werden, denn wir haben die Vision, als Live-Act aufzutreten. Wir wollen ein Schlagzeug-Set, Synthie und einen Bass. Toll wäre es auch noch, wenn die Sängerinnen bei den Live-Shows dazu performen könnten. Bis jetzt war es kein Live-Set, sondern eine reine DJ-Performance.

Bis jetzt haben Sie nur weibliche Sängerinnen präsentiert. Glauben Sie, dass ein Mann nicht zu Ihrem Sound passt?

Chris Schlamadinger: Lustig, dass Sie das ansprechen, auf unserer EP haben wir zum ersten Mal ein Feature mit einem Mann. Das wird dann eher eine soulige Nummer. Aber zuerst zeigen wir mit der nächsten Nummer, was es noch so gibt von dem neuen Sound, danach kommt die „coole“ Nummer mit dem Sänger – die 3-Single-Strategie eben.

„Für mich ist das auch nur so ein Jargon-Gschichtl. Wir sind eine Mischung aus allem Möglichen.“

Sehen Sie sich als Produzent oder ausübender Künstler?

Chris Schlamadinger: Für mich verschwimmen die Sphären mittlerweile. Der Produzent ist derjenige, der mit dem Laptop Musik macht, und der Musiker ist derjenige, der spielt. Künstler ist der Überbegriff für beides. Für mich ist das auch nur so ein Jargon-Gschichtl. Wir sind eine Mischung aus allem Möglichen. In London habe ich mich als „Dirigent“ gesehen, habe Input gegeben und gesagt, wohin es gehen solle. Es ist eine Zusammenarbeit, in der wir das letzte Wort haben.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Lea Spiegl

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