Interview mit Wolfgang Schlögl

“Der Inhalt bestimmt die Form” Wolfgang Schlögl – im Rahmen von MODERNISTMOZART mit Attwenger gemeinsame Sache machend – im Gespräch mit Johannes Luxner über musikalische Sozialisation, Frontalunterricht und Wagnerische Wahnsinnsopulenz.

Ihr Zugang zu Mozarts Musik, abseits des gemeinsamen Vornamens?
Ich hab Mozart eigentlich schon ganz früh entdeckt, weil ich mit Fünf schon Klavier gespielt habe. Über verschiedenste Etüden bin ich irgendwann mal bei den Sonaten von Mozart gelandet. Mein ganzes Leben bis ich Achtzehn war, hab ich am Klavier viel Mozart gespielt, aber auch am Cello, und hab irgendwann mal eine Sinfonie mit dem Kinderorchester aufgeführt. Was mich wirklich fasziniert hat und was mir immer noch taugt: Das ist mir einfach eing’fahren. Das ist einfach so. Wenn du Sechs, Sieben bist und du das siehst, spricht dich das an und das ist schon einmal eine Leistung, ganz abgesehen von all den anderen Dingen. Aber wenn man sich überlegt, dass jemand etwas schöpfen kann das über 200, 300 Jahre später für Kinder immer noch eine Relevanz hat, das finde ich schon bemerkenswert. So gesehen ist mir dieses ganze Salzburger-Überkandidelt-Sein von Mozart relativ wuarscht. Ich muss da ja nicht mitmachen. Dadurch, dass ich von klein auf schon Erfahrungen mit Mozart habe und ich in einem Elternhaus aufgewachsen bin in dem viel Klassik gelaufen ist, ist das für mich schon ein gewisser Einfluss gewesen, der mich dann weiter zur Musik geführt hat. Was nach Mozart für Kinder für mich gekommen ist, war dann ein paar Jahre später, als aus Bayreuth der Ring übertragen wurde und das war dann halt die Wagnerische Wahnsinns-Opulenz und das hat mir als dem kleinen Buben dann noch mehr getaugt. Man sagt ja immer wenn man jung ist, dass man mehr das pompöse Wagnerische oder das Russische mag und dann irgendwann mit dem Alter hin – und das hat mir auch der Roedelius gesagt – kommt man dann mehr zu Mozart.

Ihre Wahrnehmung des Mozartjahres bis jetzt. Haben Sie es verfolgt?
Nein. Ich lese ein bissl nach und mit. Ich weiß, dass in Salzburg versucht wird alle Opern aufzuführen, aber dazu habe ich keinen Bezug. Ich bin ja auch jemand der nicht unbedingt zu Geburtstagen Geschenke überreicht. Ich schenke den Leuten gern auch mal nur so was. Und deswegen muss man Mozart nicht nur im Jubiläumsjahr frönen.

Sie haben sich musikalisch immer schon zwischen den Stühlen bewegt. Vom Slow Club bis hin zu Robert Stolz Bearbeitungen … Wo sehen Sie Ihre Grenzen?
Die Grenzen sind wirklich jene, wenn ich das Gefühl hab: Ich kann nichts mehr miteilen. Ich kann deshalb im Vorhinein nicht sagen, dieser und jener Stil nicht. Das hängt immer mit Initialzündungen zusammen, mit der Fähigkeit zusammen offen zu sein und mit jemandem in einen Diskurs zu treten und wenn da ein Diskurs entsteht, kann ich mir auch vorstellen mich an gewissen Themen abzuarbeiten. So gesehen kann ich im Vorhinein nichts ausschließen. Es muss mich nicht nur im Kopf kitzeln sondern auch in den Bauch treten. Ich hätte mir vor fünf Jahren auch nicht gedacht, dass ich irgendwann mal mit Attwenger gemeinsam ein Sessionkonzert spiele. Und ich fühle mich erst jetzt im Moment in der Lage, das in einer Weise zu machen in der wir drei dann alle Happy sind.

Was zeichnet Attwenger für Sie aus?
Konsequenz, Starrköpfigkeit, Humor, Kaltschnäuzigkeit und Spaß.

Das interessante an der Zusammenarbeit mit Attwenger?
Attwenger haben ja eine ganz andere Sozialisation wie ich. Und das ist ja das spannende, dass die von einem ganz anderen Eck kommen. Ich glaub diese Fähigkeit hab ich mir langsam erlernt, dass ich mit Leuten arbeiten kann die aus einem diametral anderen Eck kommen. Es geht eigentlich sehr stark darum, dass man von politisch bis soziokulturell einen Diskurs fahren kann, der fruchtbar ist.

Um in die Vergangenheit zu blicken: Wie nimmt Wolfgang Schlögl die Neunzigerjahre-Elektronikexplosion mittlerweile war?
Das war natürlich eine super Zeit, vor allem weil ich es super gefunden haben, dass man sich für kurze Zeit dachte: Ha! Man hat wirklich fast alle Produktionsmittel in eigenen Händen. Man macht so gut es geht alles selbst. Das scheiterte anfangs mal gleich an den Vertriebswegen. Das war das erste für das Kooperationen geknüpft werden mussten. Weil du konntest irgendwann mal nicht mehr dafür sorgen, dass in Norddeutschland deine Platte im Laden steht. Uns und mir persönlich war damals wichtig: Ich produziere selbst. Nicht nur der Komponist der Musik zu sein, sondern auch in seinem kleinen Homestudio alles selber produzieren zu können. Und in weiterer Folge zu rocken ohne die Posen des Rocks dafür in Anspruch nehmen zu wollen. Das ist etwas das mich noch immer interessiert. Ganz ohne gewisse Äußerlichkeiten zu arbeiten, die von der Rock ‘n’ Roll Geschichte tradiert werden. Wir hatten ja in den Neunzigerjahren den Luxus ohne Frontmann zu agieren. Wir haben gesagt wir treten als Kollektiv auf. Das wurde damals auch verstanden und da habe ich jetzt das Gefühl, dass ein gewisser Regress eingetreten ist. Dass die Leute lieber wieder Frontalunterricht haben wollen.

Widmet man sich Ihrer Diskographie, fällt auf dass die Musik immer organischer wurde. Fehlt der puristischen elektronischen Musik die Spannung?
Da wurde eher sehr viel mit Ästhetik gespielt. Eigentlich ist es nur die Ästhetik, weil in Wahrheit ebenso viel programmiert wurde und viel Technologie dahinter ist. Mir geht’s eher immer gegen diese Fetischismen. Und dieses “Klicker-Di-Klacker” als Ausweis dafür, dass man zukunftsorientiert ist, finde ich auch irgendwie lächerlich. Einfach ein Markenfetischismus. “Ich verwende den Computer und deshalb bin ich mehr upfront” und so weiter. Obwohl es nicht mehr ganz so arg ist, wie’s mal war. Oder: “Ableton Live ist der neueste Scheiß und ich hab gehört Richie Hawtin verwendet das auch …”

Und überkleben gleichzeitig ihr Apple-Logos am Laptop …
Genau. Dieser Komplex geht mir unglaublich auf den Sack. Weil das kann nicht der Inhalt der Musik sein. Und da bin ich, eher unter Anführungszeichen betrachtet, wertekonservativer geworden was jetzt die Frage betrifft: Was will ich mit der Musik überhaupt sagen? Natürlich bastle ich auch an Tracks die einfach nur funktionieren. Die release ich zwar so gut wie nie, diese funktionalen Basher. Aber vielleicht bring ich ja einmal ein Four to the Floor Album raus. Das kann leicht sein. Aber grundsätzlich geht’s mir um die Frage: Gibt’s irgendwas zu sagen? Oder ganz einfach gesagt: Der Inhalt bestimmt die Form. Wenn’s der Inhalt verlangt arbeite ich ästhetisch organisch.

Erachtet es Wolfgang Schlögl als künstlerischen Luxus oder als Selbstverständnis, sich dermaßen zwischen den musikalischen Stühlen zu bewegen ohne an Authentizitätsmangel zu leiden? Vor allem in Hinsicht auf die Kooperation mit Thomas Rabitsch und Hansi Lang …
Auch da war es so, dass ich es mir nicht gedacht hätte, dass ich das irgendwann mal machen würde. Bis zu dem Zeitpunkt als ich gemeinsam mit dem Thomas und dem Hansi in einem Raum gesessen bin und ich eher das Gefühl gehabt hab, dass sie sehr wohl kapieren um was es mir geht. Und genau aus dem Grund mit mir reden, weil die beiden womöglich auch wissen was sie nimmermehr so drauf haben. Und dass sich da drei Leute treffen die total verschiedene Lebenskonzeptionen haben, ist extrem spannend für mich. Was für mich ausschlaggebend war ist, dass der Hansi eine extrem tolle Stimme hat und wenn er singt nehme ich ihm das einfach so ab. Und da muss man als Musiker sagen: Probieren wir das!

 

Wolfgang Schlögl