“Eine Frage der Pop-Kultur…” Für Stootsie, Gitarrist und Sänger der lang gedienten Salzburger Gitarrenpop-Band The Seesaw, ist das ganze Jahr über Sommer. Sunny Side Up! Und das seit nunmehr fünfzehn Jahren. Mit dem mica sprach er über das Feedback zu seinem neuen Album, unangemeldete Straßenkonzerte und die trend- und geschmacksfreie Liga, in der er musiziert.
Hallo Stootsie. Wie läufts mit dem neuen Album?
Hallo. Ich hab nicht mal eines, das ich Dir geben könnte.
Macht gar nichts. Ich hab schon eines. Aber deshalb hab ich auch gar nicht gefragt.
Tatsächlich läuft es so gut, dass gestern Peter Winkler von der Plattenfirma bei uns war und gemeint hat, wir müssten schon jetzt nachpressen lassen.
Wie viele Exemplare habt ihr denn ursprünglich machen lassen?
1.500 Stück erst einmal. Da waren wir sehr vorsichtig.
Und die sind nach einem Monat schon weg?
Naja. Weg nicht wirklich. Sie sind halt mal ausgeliefert. Ob sie dann auch tatsächlich gekauft werden, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Vieles davon ging auch nach Deutschland. Gerade heute musste ich an die Zeitschrift “Gitarre & Bass” schon eines meiner eigenen Promo-Exemplare verschicken.
Auf welchem Label ist die neue Platte denn erschienen?
Auf Wohnzimmer Records. Wie auch unsere letzte schon. Wohnzimmer releast das neue Album jetzt auch in Deutschland und der Schweiz.
Und welchen Vertrieb habt ihr?
Sony BMG
Wie kam es dazu?
Ganz einfach über Wohnzimmer.
Das heißt: Dein Label FreeFall und Wohnzimmer kooperieren. Wohnzimmer macht die Promo?
Genau
Wie lief das früher?
Die Platten erschienen auf FreeFall und die Promo haben wir selbst gemacht
Und im Eigenvertrieb?
Genau
Richtig professionell läuft das Business also erst seit den letzten beiden Platten ab?
So kann man das sagen. Ja.
Wie viele Exemplare habt ihr vom letzten Album verkauft?
Gute Frage. Keine Ahnung eigentlich. So um die 2.000 haben wir gehabt. Wenn ich mich nicht irre, ist davon nichts mehr da…
Ist das immer so die Größenordnung, in der ihr pressen lasst. Zwischen 1.500 und 2.000 Stück?
Genau. Erst mal so um die 2.000 Stück. Und wenn der Verkauf wirklich stimmt, dann lässt man halt nachpressen. Das letzte Album hat schon super funktioniert. Dass sich das mit dem jetzigen noch toppen lässt, hab ich mir eigentlich nicht vorstellen können. Die Kritiken sind ja derzeit so euphorisch, dass es eigentlich einhellig heißt: Vergesst das letzte Album und kauft das neue! Dabei war der Entstehungsprozess ein unglaublich mühsamer. Die letzte und eigentlich alle unsere Platten sind immer so schnell entstanden, dass ich teilweise nicht mehr gewusst hab, wie die Nummern eigentlich gehen. Eine Nummer, ein Tag. Aufgenommen, gemischt. Passt schon. Im Gegensatz dazu haben wir dieses Mal jede Nummer so oft umgedreht, dass ich zum Schluss nicht mehr wusste, ob das Ergebnis gut oder schlecht ist.
Wie kam es dazu?
Das ist eine witzige Geschichte. Wohnzimmer hat uns für die Abgabe des fertigen Albums eine Deadline für Mitte Februar gesetzt. Dabei waren sie offenbar der Meinung, dass wir das wohl ohnedies nie schaffen würden. Dann haben wir aber eine Woche vor der Deadline abgeliefert. Das hat die Jungs überrascht, weil sie das einfach nicht gewohnt waren, dass es da tatsächlich eine Band gibt, die Deadlines einhält. Eigentlich bräuchten sie das fertige Album erst Ende April, hieß es dann. Naja. Dann haben wir uns überlegt, was wir die zweieinhalb Monate bis zur tatsächlichen Abgabe machen. Und da beschlossen wir, an einzelnen Songs noch ein bisschen herum zu feilen. Ganz allgemein wirst du ja immer etwas finden, was sich verbessern lässt. So “fertig” ist keine Aufnahme. Da gehört die Stimme leiser, dort lässt sich am Gitarrensound noch was verbessern etc. etc. Jedenfalls war uns nicht im Ansatz klar, was für eine Lawine man mit so einer Überarbeitung los treten kann. Kurzum: Die Situation erwies sich schon bald als völlig außer Kontrolle geraten. Ende März, Anfang April fanden wir uns in einem Alptraum wieder. Wir konnten alle nicht mehr wirklich schlafen. Tagsüber arbeiteten wir in unseren Jobs, abends trafen wir uns im Studio, um meistens bis gegen 2 Uhr weiter an den Songs zu arbeiten. Teilweise haben wird die Tracks hundert Mal angehört, etliche Male umgemischt…
Und hat sich der Aufwand ausgezahlt?
Auf jeden Fall.
Habt ihr euch dem direkten Vergleich ausgesetzt?
Klar.
Und?
Kein Vergleich. Die neuen Abmischungen sind um Längen stimmungsvoller. Aber da sind wir wirklich bis an die Grenze des menschlich Möglichen gegangen.
So lange im Studio zuzubringen muss enorm viel Geld kosten. Wie habt ihr das finanziell bewältigt?
Max arbeitet in einem Studio, das unserem gemeinsamen Freund Wolfgang Schrammel gehört. Abends und nachts, wenn nichts los ist, dürfen wir da rein und arbeiten, so lange wir wollen.
Aber doch nicht gratis, oder?
Nein, aber fast gratis. Obwohl dadurch, dass wir dann letztlich so enorm lang dort waren, ist doch eine recht hübsche Summe zusammen gekommen.
Wie viel bleibt euch denn über, wenn ihr alle 1.500 oder 2.000 Stück verkauft? Wahrscheinlich nicht viel?
Nein. Da schneiden ja auch ziemlich viele Leute mit. Wir Musiker, die Plattenfirma, der Vertrieb…
Wie hoch sind eure Produktionskosten?
Das ist alles relativ, weil eigentlich jeder von uns ein Studio hat. Unter normalen Bedingungen könnten wir uns das auch nicht wirklich leisten, so lange im Studio an Arrangements herumzufeilen. Wenn wir pro Tag 400 Euro abdrücken müssten, wäre es undenkbar, drei Monate im Studio zu tüfteln. Vergiss es.
Was habt ihr jetzt kurz-, mittel – und langfristig mit dem Album geplant?
In zwei Wochen kommt es in Deutschland heraus. Die erste Single war “Love for Sale”, das Video läuft auf GoTV. Fm4 hat dann aber statt “Love for sale” einen anderen Track in die Rotation aufgenommen.
Zeebee und Chris von Chris & The Other Girls haben mir beide Ähnliches erzählt. Wenn im Radio schon eine Single gespielt wird, wäre es doch hilfreicher, jeder weitere Sender würde die schon funktionierende spielen und damit zusätzlich pushen.
Das ist schon wahr. Fm4 hat aber seine eigenen Gesetze. Da kannst du dich auf den Kopf stellen. In diesem konkreten Fall hatte fm4 aber schon auch recht, weil “Cold Sweat” unser aller Meinung nach auch die bessere Nummer ist als “Love for Sale”. Wir hätten genau so entschieden. In Deutschland haben die Radios wieder eine andere Nummer favorisiert. Da haben wir aber jetzt eingelenkt. Wir können ja nicht jedem Land seine eigene Single geben. Das wäre doch Quatsch.
Wird es auch eine richtige Auskoppelung geben?
Ja. “Cold Sweat” kommt mit einem Remix und zwei, drei anderen Nummern raus.
Auch auf Vinyl?
Nein, darüber brauche ich nicht einmal nachzudenken. Das können wir uns nicht leisten. Wenn man wirklich Vinyl machen will, dann muss auch die Pressung stimmen. Qualität und Optik haben einfach ihren Preis.
Ich kann mich aber daran erinnern, dass ihr früher schon auch Vinyls habt machen lassen.
Ja, zu Weihnachten haben wir immer eine Spezial-Pressung heraus gegeben. Aber schon im zweiten Jahr ist die Firma, bei der wir pressen ließen, mit den Preisen um 50% rauf gefahren. Insgesamt hat uns der Spaß dann statt 13.000 sage und schreibe 20.000 Schilling gekostet. Um die Platten an seine Freunde und Fans zu verschenken, ist das ein ziemlich teurer Spaß. Andere Leute lassen für eine solche Summe eine ganze CD produzieren.
Ohne die näheren Umstände, die Du vorher erläutert hast, zu kennen, ist mir bei eurer neuen Platte aufgefallen, dass ihr – im Vergleich zu den vorangegangenen Produktionen – die Liebe zum Detail, zur ausgefeilten Produktion entdeckt habt.
Ganz klar. Das beruht einmal auf dem enormen Einsatz, den ich schon beschrieben habe. Vieles haben wir aber auch einfach durch Weglassen, durch das Ausschalten von Spuren erreicht. Der Effekt war, dass die Nummern nicht mehr von Anfang bis Ende durchbrettern, sondern einen Spannungsaufbau haben, je nach Stimmung einmal stärker, einmal schlanker werden. Da haben wir uns irrsinnig viel damit herum gespielt. Während unsere ersten Alben soundmäßig also eher wie ein Brett daher kamen, ist die neue einfach eine Spur diffiziler und dynamischer ausgefallen.
Ist eine Tour geplant?
Im September sind wir 14 Tage in Deutschland und davor und danach spielen wir einige Male in Österreich.
Habt ihr im Sommer auch das eine oder andere Festival mitgenommen?
Das war leider einfach nicht möglich. Die Platte ist ja jetzt erst raus gekommen. Nur Nova Rock haben wir gespielt, weil eine Band ausgefallen war. Da wurden wir kurzfristig gefragt, ob wir nicht als Ersatzband einspringen könnten.
Und wie wars?
Sehr lässig.
Wann habt ihr gespielt?
Als zweite Band am ersten Tag. Vielen Vorurteilen zum Trotz ist das an sich eine super Zeit, finde ich. Die Leute freuen sich, dass das Festival beginnt. Oft ist da mehr los als irgendwann in der Mitte, wenn sich beim Publikum bereits die ersten Ermüdungserscheinungen bemerkbar machen.
Habt ihr da die neuen Nummern getestet?
Getestet eigentlich weniger. Natürlich bist du auf den neuen Nummern noch nicht so fit – die alten kannst du teilweise schon im Schlaf spielen – und es ist sicher spannend zu sehen, wie sie funktionieren. So gesehen ist das schon auch immer ein Test. Aber seit wir in der Band drei Sänger sind, macht das Live-Spielen einfach noch viel mehr Spaß.
Drei? Ich dachte Du und Max singen. Wer ist der Dritte?
Unser Schlagzeuger ist eigentlich der beste Sänger von uns dreien, weil er es einfach schon am längsten macht.
Wie ist die Aufteilung auf dem Album?
Ich singe sechs, Max vier und der Arnold zwei Nummern.
Mir ist es beim Durchhören des Albums manchmal schwer gefallen auszumachen, wer nun singt.
Wir klingen alle nicht unähnlich, aber wenn du genauer hinhörst, merkst du schon den Unterschied.
Wieso kommt es jetzt auf einmal zu so vielen guten Kritiken? Ist das nur die Qualität des Albums oder ist dafür auch euer Ruf, nun einmal eine der besten Gitarrenbands des Landes zu sein, ausschlaggebend?
Wie das genau geht, kann ich auch nicht sagen. Insgesamt gab es eigentlich nur eine schlechte Kritik im Skug. Und von der – ich glaube, der Paul Poet hat sie geschrieben – weiß ich eigentlich auch nicht, ob sie jetzt wirklich schlecht war. “Mit diesen Texten kriegst du dein Mädel nie” hieß es da unter anderem. Ich fand das außerordentlich witzig.
Sebastian Fasthubers Kritik im Falter etwa war geradezu schwelgerisch.
Man muss in diesem Zusammenhang schon auch eines sagen: Wir arbeiten in einer Art trend- und geschmacksfreien Liga, wo sich keiner wirklich ein Urteil erlaubt. Wir sind nicht Ö3, sind dort auch nie gelaufen, machen aber trotzdem Pop-Songs, die auf ihre Art zum Mitsingen wären. Man kann unsere Musik schwer kritisieren. Wir machen schlicht und einfach Pop.
Bewegt eine solche Kritik denn etwas?
Unglaublich viel. Die erste Kritik von Karl Fluch im Standard war der reine Wahnsinn. Mir kommt vor, als hingen alle anderen Musikjournalisten an seinen Lippen. Wenn Karl Fluch eine Lobeshymne absondert, traut sich keiner mehr, wirklich negative Kritik zu üben. Auch die Salzburger Nachrichten haben uns dieses Mal abseits jeglichen Lokalkolorits gelobt.
Du bist im Britpop verwurzelt. Ist nicht immer dann am meisten weiter gegangen, wenn der Britpop gerade nicht Saison hatte?
Nein, das würde ich so nicht sehen. Nimm die Arctic Monkeys, die Editors, Franz Ferdinand, die Kaiser Chiefs – das ist schon eine riesige Britpop-Welle, die uns da neuerlich erfasst.
Aber zugleich auch eine völlig neue Generation…
Stimmt. Den Querverweis verstehe ich aber so oder so nicht. Denn in Wirklichkeit sind wie eine urharte Band. Breitbeinig, in Rockpose. (lacht)
Im Ernst: Eure Bandbreite auf dem neuen Album ist enorm groß: Von Singer- Songwirter-Stuff über Gitarrenpop hin zum Rock. Eine Nummer hat mich sogar ein wenig an Roy Orbison erinnert.
Ich weiß, was Du meinst. Definitiv. Unser Schlagzeuger klingt ab und an ein wenig wie Roy.
Eine Nummer, die Du singst, hat mich dann wieder an Lloyd Cole erinnert.
Das haben schon viele gesagt. Vor allem in den Medien. Cole ist einer meiner ganz großen Helden. Leider kennen ihn heute nur noch die wenigsten.
Neulich war er ja live zu sehen.
Ja, gemeinsam mit Christian Kjellvander und Dirk Darmstädter. Bei dem Konzert hat es mich fast umgehauen, weil er eine Nummer gespielt hat, die 1:1 so klingt wie eine unserer Nummern. Anfangs hab ich gedacht: Das gibt’s nicht, dass Lloyd Cole uns plagiiert. Aber er schwor Stein und Bein, dass er´s von wo anders her hat.
Du hast ihn gefragt?
Natürlich. An der Rockhouse-Bar nach dem Konzert. Ich hab ihm eine unserer CDs geschenkt und ihn dann auf die Ähnlichkeit aufmerksam gemacht, die wirklich frappierend ist: Melodiebogen, teilweise sogar der gleiche Text. Was für ein Zufall.
Ist der Standort Salzburg eigentlich ein Nachteil?
Aus meiner Sicht ist der Standort hier ganz eindeutig ein Vorteil, weil es keine Konkurrenz gibt und deshalb das gesamte Interesse immer auf dich gerichtet ist. Du hast einfach nicht diese Streuung wie in einer Großstadt.
Und die Auftrittsmöglichkeiten?
Ach, das spielt keine Rolle. Wir spielen überall. Erst letzten Freitag haben wir im Musikladen (kleiner Plattenladen in Salzburg, Anm.) gespielt, am Montag im Radio, am Sonntag spiel ich unten an der Salzach. Dort ist am Wochenende so eine Art Jahrmarkt. Von eins bis sechs immer wieder kleinere Gigs. Auftreten kann man überall. Wenn das Wetter passt, dann spiel ich am Sonntag auch hin und wieder sogar vor meiner Haustür.
Gabs da nicht auch ein Video, in dem ihr auf der Leopoldskronstraße gespielt habt?
Ja. Das war das Video zu “Generation Love”.
Da hat auch die Polizei vorbei geschaut, oder?
Ja, klar. Die lustigsten Szenen sind aber bedauerlicherweise nicht mehr gefilmt worden. Da war ja teilweise die ganze Straße gesperrt, weil plötzlich so viele Leute da waren, die zuhörten.
Was hat euch der Spaß letzten Endes gekostet?
Nichts. Wir haben irgendwann aufgehört, weil es einfach zu gefährlich war. Die Leute saßen auf der Straße und die Autos haben sich an ihnen vorbei geschlängelt. Und bis die Polizei, die ganz hinten gestanden ist, sich zu uns durchgekämpft hatte, war alles schon vorbei. Da hatten wir schon abgebaut und stellten uns einfach dumm. Hat bestens funktioniert.
Das Interview wird kurz unterbrochen, weil Stootsie einen Anruf bekommt. Angeblich wird die neue Seesaw-Single gerade auf fm4 gespielt. Der Barkeeper versucht daraufhin verzweifelt, fm4 zu finden. Vergeblich. Eingespeichert ist nur Ö3 und der Sendesuchlauf lässt sich nicht betätigen.
(erklärend)
Die Single wird zwar öfters gespielt, ich selbst hab sie aber noch nie gehört. Und derzeit funktioniert auch das fm4-trackservice, das ja unter anderem auch den Dienst anbietet, dich per sms zu benachrichtigen, wenn eine bestimmte Nummer läuft, einfach nicht.
Was bringt eigentlich so eine Rotation?
“All the same” ist so um die 260 Mal gespielt worden.
Zahlt sich das auch finanziell aus?
Ja, schon. Na ja, dafür, dass es so oft gelaufen ist… Aber es ist schon ok. Besser als nichts.
Verleitet so ein Radioerfolg nicht dazu, es noch ein zweites Mal auf die gleiche Art und Weise zu probieren. Also am einmal erfolgreichen Rezept fest zu halten?
Natürlich probiert man das, aber man kommt dann auch schnell drauf, dass es schlicht und ergreifend nicht funktioniert. Auf dem neuen Album haben wir die Vocoder-Effekte zum Beispiel völlig weg gelassen.
Wäre das nicht auch billig, den selben erfolgreichen Effekt noch einmal zu bringen?
Einerseits ist es billig, andererseits ist es, wenn du damit Nummer 1 warst, schon auch so etwas wie ein Markenzeichen. Nichtsdestotrotz waren wir uns einig, den Vocoder dieses Mal ganz weg zu lassen.
Welches Ziel habt ihr jetzt mit dem Album?
Ich hab mich mittlerweile daran gewöhnt, keine Ziele zu haben. Max etwa hat da viel mehr Ambition. Vielleicht hat das auch mit dem Alter zu tun. Ich mache immerhin seit dreizehn Jahren Platten und hab mich mittlerweile schon auch daran gewohnt, dass jedes Mal im Grunde genommen nichts passiert. Abgesehen von fm4 vielleicht: Dort passiert halt ein bisserl was. Aber sonst passiert einfach nichts. Trotzdem hab ich mittlerweile auch kapiert, dass man sich mehr rein knien muss, wenn man in diesem Business etwas erreichen will.
Ich hatte immer irgendwie das Gefühl, ihr spielt zu wenig live. Gerade in Wien wart ihr früher nur sehr selten zu hören.
Damals gab´s auch nicht so viele Locations wie heute. Das Chelsea und dann vielleicht noch das Bach. Und vorbei war´s auch schon wieder.
Wenn nichts passiert, wieso macht man dann überhaupt noch weiter?
Ich beschäftige mich einfach mit nichts anderem als Musik. Den ganzen Tag lang. Wie soll ich da aufhören damit?
Was machst Du im bürgerlichen Beruf?
Ich führe immer noch die Gitarrenabteilung im Key-Wi (Musik-Fachgeschäft und PA-Verleih in Salzburg, Anm.)
Heute heißt es eigentlich, man kann mit dem CD-Verkauf kein Geld mehr machen. Was bleibt übrig? Das Live-Geschäft und die alternative Verwertung in Werbung udgl mehr…
Augenauswischerei. Das Live-Geschäft ist in dieser Musikrichtung zumindest in Österreich auch nicht vorhanden. Fürs Spielen bekommst du ja überall “next to nothing”. Und nicht weil es den Veranstaltern so schlecht ginge. Das hat sich bei uns einfach so eingebürgert. In Deutschland sind die Veranstalter da um einiges generöser.
Dass ihr so viel in Bayern unterwegs seid, bringt´s also?
Voll. Vor allem kann man bis rauf nach Regensburg und München und rüber bis zum Bodensee fm4 empfangen. Da kennt uns wirklich jeder. Eigentlich hätten wir damals auch in Kroatien spielen sollen. Auf mich ist nach einem Konzert einmal ein Kroate zugekommen und hat mich gefragt, von wem die Nummer, die wir da gerade gespielt hatten, denn eigentlich ist. “Na von uns” hab ich ihm geantwortet. Das hat er nicht glauben wollen und uns erzählt, dass die Nummer ein riesiger Hit in Kroatien sei.
Und ihr habt nie Tantiemen bekommen?
Nein, nicht dass ich wüsste.
Aber die Kroaten müssten doch eigentlich auch eine Verwertungsgesellschaft haben, die mit der AKM abrechnet?
Keine Ahnung. Geld kam jedenfalls nie eines. Das System funktioniert doch nicht einmal mit Italien einwandfrei. In diesem Lokal (in dem das Interview stattfindet, Anm.) haben wir übrigens auch unsere Nummer 1 gefeiert.
Ihr wart mit “It´s all the same” auf Nummer 1?
Genau. Im Dezember. “All the same” ist vom Oktober weg jeden Tag mehrmals gelaufen. Das erste Mal in Robert Rotifers Sendung “Heartbeat”. Da sind wir alle hier gesessen und haben gewartet, weil wir gewusst haben, dass er´s spielen wird. Es war damals das erste Mal seit Jahren, dass wieder einmal eine Nummer von uns im Radio läuft. Wir haben einfach ein paar selbst gebrannte CDs verschickt. So eben auch an den Robert Rotifer.
Der ja so eine Art Seelenverwandter von Dir ist?
Genau, wir sind gute Freunde. Wohnzimmer hat damals gemeint, selbst gebrannte Singles würden erst einmal reichen. “Wenn der Track nicht läuft, dann braucht ihr die Nummer auch nicht pressen lassen.”
Und dann ist der Track aber gelaufen…
Kann man wohl sagen. Zwei drei Wochen später schon tagtäglich. So bis Mitte Dezember ist dann erst die Single erschienen. Und erst als die Single da war, sind wir in die Charts eingestiegen. Von da ab ging es erst recht los. Eingestiegen bei null, dann auf zwölf und dann auf drei oder vier. Bei den darauf folgenden fm4-Charts haben wir uns dann hier im “Sog” getroffen, um – egal welche Position – gemeinsam zu feiern. Dann kam der vierte, der dritte Platz. Nichts von Seesaw. Wir dachten, das kann doch nicht sein, dass wir überhaupt raus aus der Wertung gefallen sind. Mein Kreislauf war zu dem Zeitpunkt schon völlig am Semmerl. Ich hatte bereits unzählige Biere intus. Auf einmal sagt der Sprecher, die neue Nummer eins ist Seesaw aus Salzburg. Mein emotionales Kostüm ist völlig gekippt. Ich hab nicht mehr gewusst, wo links und rechts ist. Hier im Lokal ist es zugegangen, das kann man sich gar nicht vorstellen. Alle haben mitgefeiert.
Album hattet ihr damals noch keines draußen?
Nein.
Hat der Chart-Erfolg für den Album-Verkauf dann etwas gebracht?
Sowieso, auf jeden Fall. Die Single hat dem Album den Weg geebnet.
Habt ihr extra Singles von “It´s all the same” gepresst?
Ja. Aber nur Spaß halber. Das Album kam ja dann erst vier Monate später raus.
Zurück nach Salzburg. Wer sind da so Deine Partner, die Dir helfen bei Deinem Projekt Seesaw?
DasRockhouse war immer da für uns, früher die Jugend-Servicestelle.”Salzrock” hat von Anfang an funktioniert. Jetzt ist es WolfgangDeschos “Local Heroes”-Serie, die jungen Bands zu Auftritten verhilft.Auch die ARGE, die Salzburger Nachrichten und die Krone, das SalzburgerFenster. Eigentlich standen immer alle hinter uns…
Wie fing damals vor 15 Jahren eigentlich alles an?
Eigentlich sehr unspektakulär. Ich wollte einfach eine Band haben.
Welche große britische Band stand da Pate? The Jam? Wolltest Du Paul Weller sein?
Nein,eigentlich wollte ich anfänglich Pete Townsend sein, weil ich gemerkthab, dass schon Paul Weller sehr wie Pete Townsend ist. Dann hab ichmich aber doch auf den Weller gestürzt und eine Mod-Band gegründet.Erst Anfang der 90er Jahre ist es aber dann mit der Album-Produktionlos gegangen. Zuerst mit dem Drum-Computer und dann kam im Sommer`91″Take the best, leave the rest”. Das war ein Band- undProduzentenkollektiv, mit dem zwei Sampler mit junger österreichischerMusik entstanden. Rossori und Spritzendorfer haben da mit 1010 City-Beat mitgemischt.Der Sampler wurde dann im Salzburger ORF-Landesstudio vorgestellt. Aufder anschließenden Party – es war einer der ersten Abende übrigens, andenen Red Bull ausgeschenkt wurde – hab ich Rossori und Spritzendorferkennen gelernt. Zwei Monate später fand dann in Wien dieGegenpräsentation statt. Und da hatte ich bereits meine erste Plattefertig. Anschließend waren wir in der Fledermaus. Und irgendwann habich dort fallen lassen, dass ich so ein großer Angelika Lang-Fan bin.Lang war Musicbox-Redakteurin und hat mit ihrer wunderbaren Stimmeeinfach alles in mir zum Schmelzen gebracht. Da ging jedes Mal meineMännerphantasie mit mir durch. Wie es der Zufall so will, fing ihreSendung nur eine halbe Stunde später an. Walter Gröbchen hat uns dannins Funkhaus zu ihr geschickt. Dort haben wir sie – dem Portier seidank – kennen gelernt und sind schließlich bis sechs Uhr früh mit umdie Häuser gezogen. Einen Freund hatte sie leider schon. Am darauffolgenden 23. Dezember, als in einer Mitternachtssendung dieLieblingsplatten des Jahres vorgestellt wurden, raunte dieseunvergleichliche Stimme auf einmal: “Die junge Band Seesaw ausSalzburg…” Niemand hatte uns Bescheid gesagt. Es war purer Zufall,dass ich gerade zuhörte. Wenn ich mich zurück erinnere, war das wohleiner der schönsten Momente überhaupt.
Unser zweites Album wurdeschließlich ansatzlos zweitbestes österreichisches Album des Jahres.Damals nur von Falco geschlagen. Noch vor dem Ostbahn Kurti und anderenAustropop-Größen. Unser drittes Album entstand schließlich in nur dreiWochen. Ich hatte bereits die CD-Präsentationsparty angesetzt und bisdrei Wochen vor dem Termin noch keinen einzigen Track eingespielt. Dereinzige Ausweg war, meinen Lieblingsschlagzeuger zu mir nach Hauseeinzuladen und ihm irgendwelche Bänder vorzuspielen. Er hat danneinfach drei, vier Minuten dazu gejammt. Dann hab ich “Stop. Danke”gesagt. Die Schlagzeugspur war im Kasten. Zu den Schlagzeug-Parts habich dann Musik komponiert.
Eigenartiger Zugang zu dieser Art von Musik…
Ja,aber im Nachhinein muss ich sagen: Es hat super funktioniert. Alszweiten Schlagzeuger hab ich dann den Didi Neidhart eingeladen.Abgesehen davon, dass sein Stil mehr groove- als rockorientiert war,haben wir´s genau so wie beim ersten Mal gemacht. Innerhalb von drei,vier Tagen Nummern fertig produziert
Am Tag der Produktion habe ichdie Platten vom Sony-Werk abgeholt. Cover, Inlay und CDs separat. Allesauszupacken und zusammenzufügen – dafür war einfach keine Zeit mehr.Wenn ich mir das jetzt überlege, war das eigentlich ein Wahnsinn:Innerhalb von drei Tagen texten, aufnehmen, mischen, mastern…
Wie hieß die Platte noch gleich?
“Love Revisited”
Und wann war das?
`92
War das nicht auch die Zeit, als “Die Brüder” groß wurden?
Nein, die waren etwas vor uns.
Ein Einfluss?
OhneFrage. Die Brüder waren eine großartige Band. Interessanterweise habich den Sänger in Malibu kennen gelernt, als er das Haus vom DieterMeier (Yello) hütete. Überhaupt lernte ich insgesamt mehrösterreichische Musiker in den USA als in Österreich kennen.
Ironie des Schicksals…
Undlogische Konsequenz. Als österreichischer Musiker musst du früher oderspäter ins Ausland gehen. Bei uns ist ja auch erst was weiter gegangen,nachdem man im Ausland auf uns aufmerksam wurde. Das liegt an derKleinheit Österreichs.
Und inwiefern bringt´s das Ausland?
Dadurchbekommst du Breitenwirkung. Wir haben in den USA immer super Kritikenbekommen und uns durch diese Auftritte – davon bin ich felsenfestüberzeugt – aus diesem underground-nebulosen Status auf die nächsthöhere Ebene gehievt. Wir waren am Wochenend-Cover der Los AngelesTimes, das darf man nicht vergessen. Barbara Streisand und wir, obwohlauf dem Festival, auf dem wir spielten, auch Tom Petty und Bon Joviauftraten.
Aber was bringt das konkret für den österreichischen Markt?
Glaubwürdigkeit.
Und wie erfahren die wesentlichen Entscheidungsträger hier von einer solchen medialen Sensation?
Ganz einfach: Ich erzähle es ihnen. Auf dem Festival hab ich übrigens auch Brian Wilson kennen gelernt…
Ein Vorbild?
Eingroßes Vorbild. Leider hab ich vor lauter Überwältigung wenig rausbekommen, als wir uns gegenüber standen. Das Foto, das ein Japaner vondieser Begegnung schoss, erschien dann auch im Standard. Groß mitBericht. Wir wurden damals zur wichtigsten Band des Festivals gekürtund auf die Bühne gebeten. Zu Brian Wilson, der uns gartulierte. Danachbin ich mit meinem Auto in die Hollywood Hills rauf gefahren. Zu demHaus, in dem die Betales wohnten, als sie in L.A. waren und habe amHang in der Wiese geschlafen. Ein magischer Abend.
Duhast vorher von Deiner Bekanntschaft mit Rossori und Spritzendorfererzählt. Wieso seid ihr eigentlich nie zu einem größeren oder gleicheinem Major-Label gegangen?
Angebote gab´s. Aber das hatnie wirklich gepasst. Nach unserem ersten Hit etwa, einer RogerWhitaker-Cover-Version, die auf fm4 und Ö3 lief, waren einige Leuteinteressiert. Am meisten der damalige Emi-Chef Erich Krapfenbacher, mitdem ich mich sehr gut verstehe. Der Vertrag, den er uns damals anbot,war auch echt korrekt. Aber wir haben uns und unsere Musik einfach niedort gesehen. Dann hab ich auch viele Bands scheitern sehen. Ballyhoozum Beispiel. Die wurden schlicht und ergreifend verheizt. Das hat michzusätzlich vorsichtig gemacht. Heute bin ich heilfroh darüber.
Was müsste passieren, dass eine Band wie ihr oder Robert Rotifer wirklich Erfolg haben?
Wirhaben gerade gestern über das schwedische Phänomen diskutiert.Englischsprachige Indie-Bands verkaufen dort 40.000 bis 50.000 Stück.Das ist eine Frage der Pop-Kultur. Die Leute dort haben einen anderenZugang zur eigenen Musik.
Daran allein kanns ja wohl nicht liegen, oder?
Undan der Sprache. Wir Österreicher sprechen viel schlechteres Englisch,woran nicht nur die deutschen Synchron-Fassungen sind, sondern auch dieoffenkundig schlechtere Schulbildung.