„Ich wollte die Trompete einmal aus einem anderen Blickwinkel zeigen.“ – ALEX KRANABETTER im mica-Interview

ALEX KRANABETTER (u.a. MONTH OF SUNDAYS, FAINSCHMITZ, VOODOO JÜRGENS) taucht auf seinem Soloalbum „textures“ (Smallforms) mit seiner Trompete tief in das Klangexperiment und die Improvisation ein und bringt sie in einer Art zum Erklingen, die wenig mit dem musikalischen Kontext zu tun hat, in der sie sonst zu Gehör gebracht wird. Der gebürtige Vorarlberger im Interview mit Michael Ternai über seine Liebe zum Experiment, seinen Umgang mit der Trompete und warum er sich dazu entschieden hat, ein Soloalbum herauszubringen.

Man kennt dich eigentlich aus musikalisch sehr unterschiedlichen Projekten. Du spielst unter anderem bei Voodoo Jürgens mit, bei Months of Sundays und Fainschmitz. Nun ist dein Solodebüt „Textures“ erschienen. Im Vergleich zu allem, was du vorher gemacht hast, kann man es als ein musikalisches Experiment bezeichnen.

Alex Kranabetter: Das kann man schon so sehen. Ich habe in den vergangenen Jahren abseits meiner anderen Projekte immer schon viel an der Trompete herumexperimentiert. Mich hat einfach interessiert, was die Trompete sonst noch so zu bieten hat. Irgendwann habe ich dann auch begonnen, mich mehr und mehr mit Effektgeräten zu beschäftigen, was mir mit dem Umgang mit dem Instrument wiederum neue Möglichkeiten eröffnete. Ich wollte auf dem Album die Trompete einmal aus einem anderen Blickwinkel zeigen und habe sie eigentlich auch wirklich nur als Klangerzeuger verwendet. Ich spiele im Grunde genommen nur sehr wenige Töne, Noten und Melodien. Im Grunde genommen sind es eher die Nebengeräusche, die man sonst nicht wahrnimmt, die man zu hören bekommt. Klopfen auf das Instrument, Klappengeräusch, viel Luft usw. Die habe ich extrem verstärkt und sie über die Effektgeräte in Loops und Delays eingeschliffen.

Warst du überrascht davon, was die Trompete noch alles hergibt? Hast du neue Sachen an ihr entdeckt? 

Bild (c) Alex Kranabetter

Alex Kranabetter: Ja, es gab schon Dinge, die mich überrascht haben. Vor allem, was alles herauskommen kann, wenn man mit Effektgeräten arbeitet, wie dicht und flächig man den Klang der Trompete machen kann. Wobei ich schon auch dazusagen will, dass ich mich auf diesem Gebiet jetzt nicht als Pionier sehe. Es hat schon andere gegeben, die in diesem Bereich experimentiert haben.
Ich mag Drones und Flächen einfach und arbeite gerne mit ihnen. Es ist schön zu beobachten, was aus Klängen entsteht, wie aus ihnen plötzlich holprige Beats hörbar werden, schickt man sie durch einen Resynthesizer, durch Grain Delay und Freezer. Dieser Ansatz hat mir extrem getaugt. Ich höre zum Bespiel sehr viel Thom Yorke. Er macht zwar Songs, die Popstrukturen folgen, aber in denen rumpelt es auch ordentlich.

Weil du gerade Thom Yorke erwähnst. Was sind sonst so deine Einflüsse? Was inspiriert dich? 

Alex Kranabetter: Bei Thom Yorke ist es vor allem seine Klangsprache, die mich inspiriert. Generell würde ich sagen, dass ich schon sehr von improvisierter und auch elektroakustischer Musik beeinflusst bin. Ich mag sie einfach sehr gern. Eine Band, die mir von der Soundarbeit her extrem taugt, ist das Duo Schtum. Es ist einfach wahnsinnig spannend, wie mächtig und extrem Manu Mayr und Robert Pockfuß mit Drones umgehen.

Hört man sich durch das Album, gewinnt man schnell den Eindruck, dass du dir absolut keine musikalischen Grenzen gesetzt hast. 

Alex Kranabetter: Nein, das habe ich wirklich nicht. Wie gesagt, ich experimentiere generell sehr viel mit der Trompete. Auch akustisch. Ich versuche, viel mit Luft zu spielen, und probiere unterschiedliche Ansetztechniken aus, um den Klang zu verzerren und zu manipulieren. Da habe ich mir sicher einiges von Franz Hautzinger abgeschaut, mit ich viel herumgehangen bin. Ich habe sogar meine Bachelorarbeit über alternative Spieltechniken geschrieben. In dieses Thema bin ich so richtig hineingekippt.
Was mir bei diesem Projekt auch wichtig war, war, alle live einzuspielen. Das Album ist nicht produziert, sondern wirklich von Anfang bis Ende in der Live-Situation entstanden. Aufgenommen wurde es im Rahmen der „Smallforms Session“ vom Tontechniker Gustavo Petek. Da ist nichts geschnitten.

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„Je mehr man die Kastln beherrscht, desto klarer ist im Vorhinein, was passieren wird.”

Du bist also nicht noch einmal drübergegangen und hast Dinge ausgebessert. Du hast das Ergebnis als das genommen, was es ist. Hattest du dennoch schon anfangs eine gewisse Vorstellung davon, wie das Ergebnis am Schluss klingen wird? 

Alex Kranabetter: Nun, es ist halt improvisierte Musik. Ich hatte ein paar Anhaltspunkte und grobe Skizzen in meinem Kopf und aus denen heraus habe ich es einfach passieren lassen. Und ja, ich hatte schon eine gewisse Ahnung, wohin es klanglich geht. Je mehr man die Kastln beherrscht, desto klarer ist im Vorhinein, was passieren wird. Ich traue mich schon zu behaupten, dass ich mittlerweile eine gewisse Ahnung davon habe, was passiert, wenn ich ein bestimmtes Knopferl drücke.

Wie war es für dich, einmal solo an einem Projekt zu arbeiten? 

Alex Kranabetter: Es war interessant, wirklich einmal allein zu sein und, ohne jetzt groß und lange zu diskutieren, das zu machen, wozu ich Lust hatte. Das war schon auch eine recht coole Erfahrung.

Bild Texture Cover Art

Texture Cover Art (c) Ina Fasching 2021

Hattest du eigentlich schon länger vor, ein Soloalbum zu machen, oder hat es sich aufgrund von Corona und der frei gewordenen Zeit ergeben? 

Alex Kranabetter: Es war auf jeden Fall Corona geschuldet. Ich war in den letzten Jahren vor der Krise mit den verschiedenen Gruppen eigentlich nur unterwegs. Mit Voodoo Jürgens, Months of Sundays, Fainschmitz und anderen. 2019 habe ich an die 200 Konzerte gespielt, was eigentlich fast schon zu viel war. Mit der Pandemie erfolgte dann der Cut. Und dieser ermöglichte es mir, dieses Album in Angriff zu nehmen. Ohne diesen hätte ich das Album vermutlich nicht gemacht.

Wie lange hast du eigentlich gebraucht, dich nach diesem Cut zu sammeln und dich neu auszustellen? Bist du in ein Loch gefallen? 

Alex Kranabetter: Eigentlich nicht, weil ich damals annahm, dass die Krise auch bald wieder vorbei sein wird. Wenn ich im Frühjahr des vergangenen Jahres gewusst hätte, dass die ganze Sache über ein Jahr dauern wird, hätte ich wahrscheinlich vieles anderes gemacht [lacht]. Und der Sommer war dann auch nicht so schlimm, weil ich da wieder relativ regelmäßig gespielt habe.
Ich kann daher jetzt nicht sagen, dass es bei mir ein Loch war. Ich dachte mir einfach: „Durchatmen und weitermachen.“ Als immer mehr klar geworden ist, dass die ganze Sache doch eine längere wird, habe ich mich dann dazu entschlossen, das Album ernsthafter in Angriff zu nehmen. Dann ist noch Gustavo auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich nicht bei Smallforms eine Session spielen möchte. Das war dann praktisch die Initialzündung.
Aufgenommen haben wir das Album dann Ende Oktober im rrr!, dem ehemaligen Au. Das wurde renoviert und mit einer echt fetten Anlage ausgestattet, was die Session wirklich zu einem echten Vergnügen gemacht hat.

Das Album erscheint auch als limitierte Edition von 30 Stück mit speziellen, von der Malerin Ina Fasching gestalteten Plattencovern. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?

Alex Kranabetter: Mein Gedanke war schon, dass ich aus dem Album mehr machen will. Es sollte nicht nur einfach digital veröffentlicht werden. So kam mir die Idee mit Ina Fasching. Ich bin mit ihr in die Schule gegangen und wir haben uns so vor zwei, drei Jahren wieder einmal getroffen. Ich habe sie einfach gefragt, ob sie nicht vielleicht das Artwork für das Album machen möchte, wozu sie sich auch bereit erklärte. Entstanden sind letztlich eben diese 30 Plattencover, die von der Künstlerin und Musikerin Katarina Maria Trenk mit dem Vinylograph [ein Kunstprojekt von Natascha Muhic, Katarina Maria Trenk und Michelle Karussell; Anm.], einem Schallplattenschneideautomaten, geschnitten wurden. Ich finde, dass sie wirklich cool geworden sind. Die Idee ist auch, dass die Werke im Herbst auch im Rahmen einer Ausstellung gezeigt werden sollen.

Herzlichen Dank für das Gespräch! 

Michael Ternai

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Alex Kranabetter live
19. Mai beim “blöden dritten mittwoch“ im Rhiz
Facebook-Event

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