BERNHARD EDER singt, schreibt Songtexte, vertont diverse Theaterinszenierungen, und steht gelegentlich – wenn auch ein wenig gegen seinen Willen – selbst auf Theaterbühnen. Nach seinem musikalischen Debüt im Jahr 2007 und einer obligatorischen Berlin-Erfahrung hat der Allroundmusiker wieder in Wien Fuß gefasst und pendelt nun zwischen Max Reinhardt Seminar und Tonstudio hin und her. Jetzt veröffentlicht er mit „Golden Days“ (VÖ: 2.2.2024) sein mittlerweile neuntes Studioalbum. Im Café Rüdigerhof hat sich BERNHARD EDER mit Katharina Reiffenstuhl über miserable Zukunftsaussichten und seine Hass-Liebe zu den BEATLES unterhalten.
Du hast bereits unzählige Alben veröffentlicht, teilweise im Jahrestakt – dein neuer Release „Golden Days“ hingegen hat ein bisschen länger gebraucht. Wieso hast du dir diesmal mehr Zeit gelassen?
Bernhard Eder: Die Grundstruktur von “Golden Days” ist während einer Studiosession im Radiokulturhaus entstanden. Damals habe ich mich mit meiner Band getroffen, wir haben geprobt und sind ins „Studio 2“ ins Radiokulturhaus und haben dort ein paar Songs aufgenommen. Ich habe damals parallel schon an einem anderen Album gearbeitet und habe das dann fertig gestellt. Danach wollte ich mit dem jetzigen Album beginnen – da kam aber dann der erste Lockdown. Dann ist es kompliziert geworden. Zwischen den ganzen Lockdowns habe ich dann begonnen, an einem anderen Album zu arbeiten, das dann 2021 erschienen ist. Wir haben zwar immer wieder zusammen weiter an “Golden Days” gefeilt, aber so wirklich intensiv daran zu arbeiten begonnen haben wir vor circa einem Jahr.
Wieso hast du zwischendurch noch mit einem weiteren Album begonnen, obwohl das andere noch nicht fertiggestellt war?
Bernhard Eder: Weil es für mich keinen Sinn gemacht hat, ein Album zu veröffentlichen, das mit einer Band entworfen und aufgenommen wurde, wenn man nicht wusste, ob man auf Tour gehen kann. Das andere war einfach ein reduziertes Solo-Album, das viel besser in diese Zeit gepasst hat.
„IN DEN LETZTEN JAHREN IST DIE WELT RADIKALER GEWORDEN“
„The golden days, they have been gone“ heißt es im Titelsong des Albums, das sich thematisch um alle möglichen gesellschaftlichen Konflikte dreht. Was waren für dich die „golden days“?
Bernhard Eder: Ich kann es nicht genau sagen. Ich glaube, diese goldenen Zeiten sind die 90er-Jahre. Dann hat ganz viel zu kippen begonnen. Es sind einfach diese Zeiten, wo man nach vorne geschaut hat und sich gedacht hat “Da gibt es eine Zukunft”. Jetzt haben wir ganz andere Probleme: Krieg, Klimawandel und Pandemie. Das ist nicht so leicht aus der Welt zu schaffen. In den letzten Jahren ist die Welt radikaler geworden. Die Art und Weise, wie die Menschen kommunizieren, Social Media, und so weiter. Ich habe auch viel mit Theater, Film und Schauspielerei zu tun, da gibt es ein ganz anderes “Ellbogensystem”. In der österreichischen Musikszene kennen wir uns alle, man ist vernetzt. Das ist definitiv besser, als es früher war. In der Hinsicht gibt es mehr Offenheit und Menschlichkeit, habe ich das Gefühl. Aber ansonsten, Trump wird vielleicht zum zweiten Mal Präsident, Kickl vielleicht Volkskanzler, in Deutschland oder Frankreich sieht es auch nicht besser aus. Wenn mir vor zehn Jahren jemand gesagt hätte, was alles passieren wird, hätte ich das nicht geglaubt.
Apropos Deutschland – du hattest Mitte der 2000er eine „Berlin Period“, wie deine Biografie sie nennt. Was hat dich nach Berlin gezogen?
Bernhard Eder: Studium fertig, Tapetenwechsel. Vor allem hat mich Berlin sehr gereizt, weil es einfach eine wahnsinnig spannende Stadt ist, wo viel passiert. Es gibt dort nach wie vor eine extrem bunte Szene. Das ist die beste Stadt.
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Und was hat dich dann wieder nach Wien zurückgebracht?
Bernhard Eder: Exfreundin. [lacht]
Der Klassiker.
Bernhard Eder: Oh ja.
Aber du bist ja dennoch nie wieder nach Berlin zurückgezogen.
Bernhard Eder: Nein, es hat sich dann all das mit dem Theater ergeben. Da bin ich immer mehr hineingerutscht und hatte plötzlich ein zweites Standbein, wo ich nicht jedes Jahr ein neues Album veröffentlichen musste, sondern auch einfach mal zwei, drei Jahre warten konnte.
Schreibst du nur Musik fürs Theater oder schauspielerst du auch?
Bernhard Eder: Nein, ich mache nur Musik.
Aber in der Vergangenheit bist du doch schon ab und zu auf Theaterbühnen zu finden gewesen?
Bernhard Eder: Ja, ich werde benutzt von manchen Regisseur:innen. [lacht] Ich bin ja doch ein Musiker, der auch gerne auf der Bühne steht. Da stellen sie mich dann einfach hin und sagen “Komm’, du kannst das eh!”. Aber hauptsächlich mache ich Theatermusik.
Lässt sich das gut trennen, wenn man Musik fürs Theater komponiert und privat auch noch in Albumform?
Bernhard Eder: Ja. Man kann es aber auch mischen.
Tust du das?
Bernhard Eder: Bei “Golden Days” jetzt nicht, aber beim Album davor zum Beispiel, ja. Da wurden mehrere Songs auch im Theater verwendet. Die zwei Alben davor auch, die waren irgendwie eine Findungsphase für mich, mal weg von Gitarren, um zu schauen, wo ich hingehen kann.
Bekommst du vom Theater Vorschriften, wie das musikalisch sein muss?
Bernhard Eder: Ich bekomme manchmal Vorschriften, an welchen Stellen Musik hingehört. Meistens habe ich sonst vollkommene Freiheit. Am Landestheater beispielsweise habe ich einfach machen dürfen. Das kommt immer darauf an, mit wem man zusammenarbeitet.

Laufen deine Musikproduktionen fürs Theater und fürs neue Album dann einfach nebeneinander?
Bernhard Eder: Ja, mehr oder weniger. Ich habe jetzt seit einem halben Jahr auch eine neue Band, LOW LIFE RICH KIDS. Zu denen bin ich über eine Theaterproduktion am Burgtheater gekommen, wo ich ein Stück schreiben musste. Wir haben dann einen Text davon in Liedform gebracht und eine Studioversion gemacht. Ich habe das an ein paar Sender geschickt, unter anderem an FM4. Und normalerweise passiert da nichts. In dem Fall ist das voll gut gegangen, war dann auf Platz 2 der FM4-Charts und dann haben wir uns gedacht, wir machen weiter.
„ICH GLAUBE, ICH GEHE GERADE WIEDER DAHIN ZURÜCK, WO ICH HERGEKOMMEN BIN“
Es ist ja mal grundsätzlich bewundernswert, wie unfassbar viel Musik du in deinem Leben schon geschrieben hast. Gehen einem da nie die Ideen aus?
Bernhard Eder: Ja, das denke ich mir auch immer. Es gab irgendwann mal einen Punkt, wo ich gemerkt habe, ich kann keine Songs mehr auf der Gitarre schreiben. Da hatte ich schon alles durch. Deswegen auch die vorher erwähnte Findungsphase. Es ist jetzt das neunte Album, dann gibt es noch diverse EPs und Theaterstücke, da kommt schon einiges zusammen. Irgendwann habe ich dann begonnen, mit anderen Mitteln Musik zu machen, mit Synthesizern. Jetzt schreibe ich zum Beispiel Popsongs mit deutschen Texten. Ich dachte eigentlich, das kann ich gar nicht, aber es funktioniert super.
Manchmal muss man einfach ein bisschen durchwechseln. Wie hat sich aus deiner Perspektive deine Musik über die Jahre verändert?
Bernhard Eder: Ich glaube, ich gehe gerade wieder dahin zurück, wo ich hergekommen bin. Indie. Auch, wenn ich dieses Wort nicht mag. Aber eben mit ganz anderen Mitteln. Ich mache einfach das, was ich möchte, mir ist ziemlich egal, was irgendwelche Schubladen vorgeben. Ich war lang genug in der Songwriter-Schublade, da will ich raus.
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Der letzte Song auf deinem Album, „Nowayout“, ist über sieben Minuten lang. Hat der Song diese Länge gebraucht?
Bernhard Eder: Der ist eigentlich viel länger, das ist nur ein Teil davon. [lacht] Einen Teil der Session haben wir nicht veröffentlicht, da gab es eigentlich ein Intro mit Gesang. Dann hat sich das ein bisschen in Richtung PINK FLOYD entwickelt und wir haben einfach geschaut, wo es hingeht. Also ziemlich progressiv. Ursprünglich hätten auf diesem Album mehrere Teile dieser Session landen sollen, aber ich wollte dann schon auch ein kommerzielles Album machen und nicht so “Ich schmeiße da jetzt noch eine paar 15-minütige Songs hin, die niemand hören will”.
Du bist ein offiziell geouteter Fan von den BEATLES.
Bernhard Eder: Das steht schon wieder überall, ge.
Tatsächlich überall, ja. Ist das nicht mehr so?
Bernhard Eder: Ich weiß nicht, ich war es mal total. Irgendwann gab es einen Cut, wo ich das Gefühl hatte, ich kann sie nicht mehr hören, es geht nicht mehr. Dann habe ich aufgehört und aber irgendwann auch wieder angefangen. Jetzt zum Beispiel haben sie einen neuen Song, den ich natürlich angehört habe und natürlich nicht gut gefunden haben. [lacht] Aber ich habe ihn mir dann immer wieder angehört und bin am Ende zu dem Schluss gekommen, dass ich wieder mehr BEATLES hören muss.
„ES GIBT BEI MIR NIX PROGRAMMIERTES“
Was macht sie in deinen Augen besonders?
Bernhard Eder: Die Vielseitigkeit und die Entwicklung. Und den Mut zum Experiment. Das liebe ich ja auch. Ich arbeite irrsinnig gerne mit irgendwelchen Mitteln, um Sounds zu erzeugen. Teilweise hört man das gar nicht raus.
Welche Mittel sind das zum Beispiel?
Bernhard Eder: Ich bearbeite meine Musik mit allen möglichen Dingen nach, die ich aufnehme: Mit Flaschenhälsen, irgendwelchen Metallteilen. Ich arbeite generell sehr analog. Es gibt bei mir nix Programmiertes.
Dein neues Album ist draußen, die nächsten Wochen gehst du auf Tour. Was steht danach am Plan?
Bernhard Eder: Ich werde dieses Jahr hoffentlich auch ein paar Festivals spielen, weil es diesmal doch ein bisschen festivaltauglicher ist als alles der letzten fünf Jahre. Und dann muss ich lernen nein zu sagen.
Zu?
Bernhard Eder: Theaterproduktionen.
Ich hoffe, das gelingt. Danke für das Interview!
Katharina Reiffenstuhl
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Bernhard Eder live
15.02.2024 TAG, Wien – Releasekonzert (A)
22.02.2024 Arge, Salzburg (A)
23.02.2024 Komma, Wörgl (A)
24.02.2024 Die Bäckerei, Innsbruck (A)
29.02.2024 Kap Schaufenster, München (D)
01.03.2024 Kulturforum Klosterkirche, Traunstein (D)
16.03.2024 Mülikoasahof, Haag am Hausruck (A)
17.03.2024 Mülikoasahof, Haag am Hausruck (A)
26.03.2024 Neue Kammerspiele, Kleinmachnow (D)
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28.03.2024 Deichdiele, Hamburg (D)
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