Geschlafen hat er heute wenig. Dafür schon eine Wurzelbehandlung hinter sich. MANUEL CYRILL BACHINGER hält eine Tasse in die Kamera: Kaffee, schwarz, in medias res: Der in Wien lebende Künstler (Angewandte und eine schöne Homepage) macht nämlich als A_Phan auch Musik. Demnächst erscheint „Wishlist” auf A.T.C. Records – vier eigene Tracks, vier weitere von Electric Indigo oder Kobermann. Die Szeneköpfe dürfen erahnen, wohin der ehemalige Grelle-Forelle-Mitarbeiter und Meat-Market-Master damit will. Der Rest folgt klassisch der Plauderei.
Du machst schon lange Musik, die aber nur selten öffentlich. Fangen wir also am Anfang an: wieso Techno?
A_Phan: Ich hab mir schon früh einen breiten musikalischen Background angeeignet. Zu Techno bin ich aber nicht gekommen, weil mich die Musik von Anfang an begeistert hat. Zu Techno bin ich gekommen, weil es eine Möglichkeit war, sich am und durch den Computer auszudrücken. Elektronische Musik hat mich all meine Interessen verbinden lassen. Dadurch bin ich irgendwann dort gelandet, wo es um Grundprinzipien der elektronischen Musik geht.
Grundprinzipien?
A_Phan: Techno hat eine inhärente Logik. Es geht um Energie, weil: Im Ursprung fließt Strom. Man gestaltet ihn. Das ist quasi ein Zitat von Caterina Barbieri, dem ich mich einfach mal anschließe.
Machen wir noch einen Schritt zurück: Was war davor?
A_Phan: Mit 14 hab ich in einer Punkband Gitarre gespielt. Via Kassettenrekorder haben wir in meinem Kinderzimmer Lärm aufgenommen. Das war … Na ja, ich bin ein Kind der Vorstadt, bin in Perchtoldsdorf aufgewachsen. Da wird man wütend, wenn man anfängt, seinen Platz in der Welt zu suchen. Gleichzeitig gab es dort viel Raum. Und Zeit. Beides musste ich irgendwie füllen.
Die Dorfpunk-Story.
A_Phan: Ich war aber nicht allein. In der Zeit haben sich tiefgreifende, bis heute anhaltende Beziehungen ergeben. Ich muss aber dazu sagen: Vor Niederösterreich habe ich in Feldkirch in Vorarlberg gewohnt. Dort war es ganz anders. Die Berge haben den Horizont eingeengt. In Perchtoldsdorf war die Landschaft offen, dafür habe ich mich durch mein Umfeld eingeengt gefühlt. Das hat mir Probleme bereitet. Erst als ich ins HiB nach Wien gewechselt bin, habe ich gemerkt: Ich muss nicht mehr gegen Widerstände in meiner Umgebung ankämpfen.
Nietengürtel gegen Ableton Live?
A_Phan: Eh, aber der Punkethos ist mir trotzdem erhalten geblieben. Mit Julian Derkits habe ich damals ein Techno-Projekt gestartet: Stock Projects. Das war sehr DIY. Wir haben modulare Synthesizer gelötet, Cases gebaut, vieles selbst gemacht.
Das war schon ziemlich, ich sage mal: undergroundiger Techno.
A_Phan: Von Punk bin ich nicht linear bei Techno gelandet. Dazwischen hatte ich auch eine Metalphase, auch wenn das eher komischer Metal war. Außerdem hörte ich Grunge und Sonic Youth und generell: Alternative Musik aus den USA. Ich kann mich aber auch erinnern, wie prägend Philip Glass für mich war. So wurde es langsam elektronischer.
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Deine erste Aufzeichnung beginnt 2012 – mit dem Publikumspreis von Golden Wire an der FH in St. Pölten. Damals hat das schon sehr nach heute geklungen.
A_Phan: Eine künstlerische Arbeit ist heute wie damals eine kuratorische. Die Frage ist nämlich immer: Welche Einflüsse verwende ich, um etwas auszudrücken, das eigen ist? Ich weiß: Ich war jahrelang auf der Suche nach meinem Ausdruck. Allerdings weiß ich mittlerweile auch, was ich kann. Und das beschränkt sich nicht auf Techno.
„DEN SOUND IN DEN VORDERGRUND ZU STELLEN, MACHT EINFACH SINN.”
Du hast später viel gemastert. Zum Beispiel für das Wiener Technolabel Meat Market.
A_Phan: Mich hat es immer gefreut, wenn ich im Auto sitze, Radio höre und zufällig einen Track von Gerald [VDH, Anm.] höre. Warum? Weil nie die Rede von mir war. Das habe ich genossen.
Also quasi: die 90er-Techno-Idee von Anonymität als Ideal?
A_Phan: Ja, ich finde es charmant, nicht präsent zu sein. Den Sound in den Vordergrund zu stellen, macht einfach Sinn. Dadurch ist die Energie im Fokus – damit meine ich keine esoterische Energie, sondern tatsächlich: der Strom und seine Power.
Circa das Gegenteil dessen, was heute in der sogenannten Technoszene passiert, nein?
A_Phan: Na ja, mein Anspruch ist immer Energie. Ich möchte schon guten Techno machen. Das hat sein Publikum, auch weil ich mich Richtung Club orientiere, aber einen experimentellen Zugang bewahre. Außerdem macht es einen Unterschied, ein analoges Set-up wie meines auf einem fetten Soundsystem zu hören. Es klingt anders als ein DJ-Set. Es ist raw.
Rohe Energie?
A_Phan: Ja, und ein Risiko, das mit improvisierter Musik einhergeht. Es kann sich verlieren oder umgekehrt: extrem rewarding sein. Eben weil diese Energie eine andere Qualität hat.
Inzwischen wird viel leere Energie fürs Jetzt produziert.
A_Phan: Das sehe ich nicht so. Meinen Ansatz verfolge ich nur, weil es – platt gesagt – echt ist. Vielleicht bin ich aber deshalb so unbekannt.
Du hast kein Influencer-Gen.
A_Phan: Dabei habe ich kein Problem, all meine Freunde anzuschreiben, um ihnen meinen Release zu schicken. Nur: Darüber hinaus habe ich nicht das Bedürfnis, meinem Umfeld ständig auf die Nerven zu gehen. Und das ist ok, ich muss ja nicht für die Masse produzieren. Es reicht mir, wenn es quality ist. Auf meiner Festplatte liegen ja nicht umsonst hunderte Tracks. Ich habe mich in alle Richtungen verdreht, wahrscheinlich auch im Kreis gedreht. Aber man könnte ja meinen, dass es bei Techno …
Genau darum geht.
A_Phan: Ja, ist so. Trotzdem muss der Sound passen. Darin habe ich viel Erfahrung gesammelt, dafür aber jetzt auch etwas in den Händen.
Also nicht mehr: Bare Hands.
A_Phan: In jeder Hinsicht. Neben dem Techno-Projekt arbeite ich mit meiner Partnerin seit sieben Jahren an einem Album, das zugängliche Musi…
Tschuldige, sieben Jahre?
A_Phan: Ja, aber es hat zeitlich Bestand, weil es keinem Trend folgt. Außerdem kommt alles aus meiner Hand.
Ist dir das wichtig? Die Kontrolle zu haben?
A_Phan: Du hast mich erwischt. Gleichzeitig ist ja nicht alles aus meiner Hand, weil ich mit meiner Partnerin arbeite. Inzwischen habe ich auch Wolfgang Schlögl einbezogen. Eben um mir eine Last von den Schultern zu nehmen, weil …
Es angenehmer ist …
A_Phan: Manche Dinge zu delegieren. Deswegen mögen wir doch alle ChatGPT. Man gibt was ein und etwas ab. Auch weil man nicht alles selbst machen muss.
Du grinst, ich merke schon: Es geht dir schon auch um den Spaß.
A_Phan: Ja, das ist mein Zugang, ein spielerischer Take – man kann Spaß haben und trotzdem einen guten Techno-Release machen!
Gehst du noch oft in den Club?
A_Phan: Das ist schon länger her. Das letzte Mal war ich auf einem Festival.
Auf welchem?
A_Phan: Das sag ich nicht öffentlich, aber sag ma so: Ich hab noch nie so viele nackte Menschen auf einem Haufen gesehen. Eh nett. Aber aus musikalischer Sicht eine Experience, die ich nicht nochmal machen muss. Dafür waren die Momente, die für mich eine Nacht im Club ausmachen, einfach zu selten. Wenn die Energie nur leer ist, bin ich jedenfalls nicht mehr die ganze Nacht auf den Beinen.
Danke für deine Aufmerksamkeit.
Christoph Benkeser
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Links:
A_Phan (Bandcamp)
A_Phan (Soundcloud)
A_Phan (Instagram)
Manuel Cyrill (Homepage)