„Ich habe es ja bislang immer abgelehnt, Texte von anderen zu singen” – FRANZ ADRIAN WENZL (KREISKY, AUSTROFRED) im mica-Interview

Nach der Prämiere im Oktober 2017 wird nun „Viel gut essen“, die Theater-Koproduktion zwischen der ARGEKULTUR SALZBURG und dem RABENHOFTHEATER WIEN, endlich auch in der Mozartstadt aufgeführt. Dabei kann durchaus von einer Sensation gesprochen werden, treffen mit der deutsch-schweizerischen Schriftstellerin SIBYLLE BERG und der österreichischen Band KREISKY doch zwei Positionen aufeinander, die in ihren sehr genauen Beobachtungen gesellschaftlicher Vorgänge immer wieder sowohl mehrere Perspektiven einnehmen können wie auch die eigenen inneren Widersprüche sprachlich gekonnt und mehrdeutig zu thematisieren verstehen.

Das Stück um einen „Wutbürger“ (Typus „Mittelschichtsmann Mitte 40“) wurde dabei schon letztes Jahr von der Presse in den höchsten Tönen gelobt. Für DIE PRESSE war es ein „schroffer, harter, bestürzender Abend“, der KURIER schrieb „beängstigend gut“ und das PROFIL meinte euphorisch: „Das ist Musiktheater im allerbesten Sinn.“ Didi Neidhart sprach mit KREISKY-Sänger und -Keyboarder FRANZ ADRIAN WENZL über „Viel gut essen“ und Themen wie das Schauspielern und die Rockoper.

Sibylle Bergs Stück „Viel gut essen“ wurde 2014 in Köln uraufgeführt. Wie und wann kam es zur Idee, das Ganze neu zu adaptieren und mit Kreisky quasi als Rockoper aufzuführen?

Franz Adrian Wenzl: Sibylle Berg hatte vor Jahren mal eine Lesung im Rabenhof Theater und da ist wohl die Rede auf dieses Stück gekommen und darauf, dass man da noch etwas mehr daraus machen könnte. Die Leute vom Rabenhof sind ja sehr gute Vernetzer. Vernetzer im Sinne von „unter den Tisch saufen“.

Als ich zum ersten Mal von der Kombination Sibylle Berg/Kreisky hörte, empfand ich das ähnlich naheliegend wie Thomas Bernhard/Tocotronic. Wie sehen Sie das? Gibt es auch in Ihrem Fall eine Art Verwandtschaftsverhältnis?

Franz Adrian Wenzl: Ja, doch. Ich habe es ja bislang immer abgelehnt, Texte von anderen zu singen. Ich bin da recht heikel, störe mich an einzelnen Wörtern. Letztes Jahr haben wir dann eine Nummer für ein Die-Sterne-Coveralbum aufgenommen. Das sind ja nun durchwegs astreine Nummern und sogar da war es gar nicht so einfach, etwas zu finden, bei dem ich mir gedacht habe: „Okay, das bring ich rüber, das kann ich glaubwürdig singen.“ Und mit den Texten von Sibylle Berg ging das dann ganz einfach. Das hat mir sofort gelegen – ihre Mischung aus Übertreibung und Zuspitzung auf der einen Seite und viel Mitgefühl auf der anderen. In unseren Liedern ist ja auch das vorherrschende Gefühl, dass die Menschen scheiße sind, aber jede und jeder für sich eigentlich eh ganz okay ist, wenn man weiß, was sie bzw. ihn antreibt.

Der Spiegel nannte „Viel gut essen“ ein „Troll-Theater“ voller Hass über „missmutige Männer Mitte 40“, denen die Lebensplanung aus den Händen gleitet und die daraufhin „über Ausländer und Schwule schimpfen, über Feministinnen und Künstler“. Wie geht man dramaturgisch an solch einen Themenkomplex heran? Die Kombination Rockband/Rockmusik und Theater birgt ja auch immens viele Fallstricke, oder?

Franz Adrian Wenzl: Was die Musik anbelangt, haben wir schon einmal den Vorteil, dass wir eine Rockband sind und nicht Schauspieler, die das spielen müssen, was sich ein schwindeliger Regisseur unter einer Band vorstellt, denn das ist ja meistens ganz grässlich. Und beim Text ist es ähnlich: Ich versuche einfach, die Geschichte gut zu erzählen, irgendwelche Schauspielvirtuositäten würde mir eh keiner abnehmen. Es gibt auch artifizielle und distanzierende Elemente, etwa einen quasi-griechischen Chor. Aber im Prinzip wollen wir das relativ unmittelbar erzählen. Das passiert ja auch im Theaterrahmen und dort ist ja alles sicher.

„Ich glaube, Theater ist gar nicht so schlecht.“

Im Rahmen des Stücks werden Sie „einen substanziellen Monolog“ halten, der gleichsam als Ihr „offizielles Schauspieldebüt“ angesehen werden kann. Jetzt kennt man Sie ja nicht nur als Sänger von Kreisky, sondern auch als Austrofred, wo Sie im Grunde genommen ja nur monologisieren. Was ist diesmal der Unterschied im Rollenverständnis? Immerhin gibt es da ja auch noch den Kreisky-Song „Scheiße, Schauspieler“.

Franz Adrian Wenzl: Für die Zuschauerinnen und Zuschauer ist der Unterschied womöglich nicht so groß – für mich ist er enorm. Austrofred ist ja quasi eine Stand-up-Figur: Alles richtet sich nach mir bzw. ihm. Wenn mir live ein guter Witz einfällt, dann kann ich alles so umschmeißen, wie ich das will. Hier bei dem Stück ist hingegen alles exakt abgestimmt. Und wenn es streckenweise dann hoffentlich doch locker daherkommt, dann deshalb, weil ich zwei Monate lang Text gelernt habe. Und der zweite Riesenunterschied ist, dass wir das alles kollektiv bei den Proben erarbeitet haben. Das hat eigentlich ziemlichen Spaß gemacht … Ich glaube, Theater ist gar nicht so schlecht.

„Eine gute Platte, eine gute Show, das ist schwer genug.“

Im Stück wird es sechs neue Kreisky-Songs geben. Wie sind Sie musikalisch an die Sache bzw. das durchaus auch ironisch zu verstehende Thema „Rockoper“ herangegangen?

Franz Adrian Wenzl: Die Lieder sind uns eigentlich sehr leicht von der Hand gegangen. Die Texte waren ja da und wir haben gewusst, dass sie auch das Stück mittragen müssen, eine Energie erzeugen, narrativ sein … Ja, eigentlich war das ziemlich easy. Wir haben den Ball auch recht flach gehalten. Da war nicht die Gefahr, dass das „The Wall“ von Pink Floyd wird. Wobei es bei der Opener-Nummer schon eine leichte Verneigung vor den Who gibt – quasi als Marker fürs Publikum: „Aha, das ist schon auch als Musiktheater gedacht und nicht nur als Nummernrevue.“ 

Würden Sie Kreisky eigentlich als politische Band bezeichnen oder erscheint Ihnen diese Etikettierung als zu einschränkend? 

Franz Adrian Wenzl: Ich würde uns ja eigentlich gar nicht als politische Band bezeichnen, denn, wie gesagt, dafür fehlt es mir einfach an Wissen. Oder auch an der Überzeugung, jemanden überzeugen zu müssen. Mir geht’s wirklich rein um Entertainment. Eine gute Platte, eine gute Show, das ist schwer genug. Aber damit ich mich unterhalten fühle, muss es halt schon um Menschen gehen, die in einem relativ aktuellen Zusammenhang psychologisch interessante Dinge machen. Und das kann man dann schon öfter politisch sehen, zwangsweise. Aber es wäre mir richtiggehend peinlich, wenn da wer einen Zeigefinger sehen würde, denn das fände ich vermessen. Ich persönlich habe ja null Ahnung, was los ist auf der Welt.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Didi Neidhart

„Viel gut essen“ – Ein Amoklauf von Sibylle Berg und Kreisky.
Don, 08.03.2018 – 20.00
Fre, 09.03.2018 – 20.00
ARGEkultur Salzburg
Ulrike-Gschwandtner-Straße 5
5020 Salzburg

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