„ICH HABE EINEN GROSSEN RESPEKT VOR CLUBKULTUR UND FINDE ES IMMER WICHTIG, SICH MIT DER GESCHICHTE AUSEINANDER ZU SETZEN.“ – DJ ODD IM MICA-INTERVIEW

Mit „Wombat“ legt DJ ODD feine Dance-Tracks zwischen Jungle, Techno und Rave vor, die die fast vergessene Kunst des „DJ-Tools“ wieder auferstehen lassen. Der aus Salzburg stammende DJ, Veranstalter und Producer gehört seit Jahren zu den umtriebigsten Personen in Sachen Club- und DJ-Culture. Dabei gilt die Leidenschaft von STEFAN EDER (wie DJ ODD bürgerlich heißt) auch all jenen Aspekten, die nicht direkt mit Musik zu tun haben, ohne die es aber ebendiese Musik nicht geben würde. Für mica hat sich Didi Neidhart mit DJ Odd zum Interview getroffen.

Die Nummern sind allesamt Dance-Trax und funktionieren auch als solche sehr gut. War der Dance-Aspekt schon vorab eine Entscheidung, oder hat sich das erst während der Produktion ergeben?

DJ Odd: Danke für das Kompliment. Das freut mich ehrlich! Mein Bezugspunkt beim Produzieren ist Clubkultur. Dementsprechend wollte ich auch keine abgeschlossenen Songs machen, sondern Tracks für ein DJ-Set.

Die Trax verleugnen ihre Erdung in der Rave-Culture der 1990s ja überhaupt nicht. Aber mit welchem Equipment sind die entstanden? Hast du originales Vintage-Gear von früher verwendet, aktuelle Nachbauten oder digitale Plug-Ins bzw. Emulationen?

DJ Odd: Ich hab viel ausprobiert an Plug Ins und 2nd Hand-Equipment, aber wirklich prägend war für mich der Waldorf Blofeld von 2007. Richtiges Vintage Gear hätte ich immer gerngehabt, aber das ging sich mit meinen Sparsocken nicht so ganz aus. Zum Glück hat Roland mit der Aira-Serie begonnen und unter anderem eine Drum Machine rausgebracht, die nicht Sample basiert ist, sondern die alten analogen Wege digital generiert. Mittlerweile arbeite ich mit Cubase, einer Mischung aus Nachbauten von Roland und einer immer größer werdenden Sammlung an Waldorf-Synths.

„Der Disco-Funk-Soundtrack eines „Captain Future“ hat viele Kinderzimmer nachhaltig geprägt…“

Ein Track wie „Wombat“ hat einen schön technoiden Bass und dazu ein gewisses 80ties Science-Fiction/Horror/Thriller-Flair (vor allem, wenn die Synth-Line loslegt). Wie wichtig sind außermusikalische Faktoren (Filme, Games, etc.) für dich und deine Musik?

DJ Odd: Science-Fiction ist natürlich grundsätzlich immer ein wichtiges Thema. Der Disco-Funk-Soundtrack eines „Captain Future“ hat viele Kinderzimmer nachhaltig geprägt…

Großartig finde ich auch den überbordenden Delay-Einsatz von 1960iger Jahre Serien. Es gibt Soundtracks von alten Columbo-Folgen, bei denen ich sofort eine Gänsehaut bekomme.

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Als eine Art Credo von dir hast du einmal gesagt, dass es „nicht notwendig ist, sich zu entscheiden, ob man jetzt lieber Techno, House, Breaks oder generell Bass Musik feiert“, weil ja das alles gemeinsam aufgenommen werden kann.

Jetzt können solche Plädoyers für mehr Diversität aber auch recht schnell in alles nivellierender X-Beliebigkeit landen. Schon in den 1990s gab es ja rund um Genres wie TripHop, Drum’n’Bass oder Big Beat solche Debatten. Wie vermeidest du solche Kraut & Rüben-Eintöpfe?

DJ Odd: Mir gehts hier weniger darum, Musik mit möglichst gefälligen Ansätzen zu verbinden, sondern mehr um die „Begegnung“ in DJ-Sets. Genres in der Clubkultur erzählen mir von solchen Begegnungen. Bleep in UK mit dem Verschmelzen von Detroit Techno und Dub-Bässen, aber auch Garage, Dub Step, Broken Techno, aktuelle Break-Tracks usw. sind kurz gesagt das Resultat solcher Treffen in DJ-Sets, die im Clubkontext der Motor für neue Genres sind. Wenn nicht damals das Publikum lautstark nach mehr verlangt hätte, als Fabio & Grooverider begonnen haben, unter anderem bestimmte Hip-Hop-Tracks auf 45rpm zu spielen und mit anderen Genres zu verbinden, hätte es keinen Jungle und Drum’n’Bass gegeben. Deshalb geh ich auch so gern in Clubs: Vielleicht kommt ja nächstes Wochenende wieder wer auf die Idee einen Track etwas anders abzuspielen…

Auch bei dir geht es um Dub- und Bassmusik. Das scheint ja quasi ein zeitloses Genre zu sein. Aber was ist das speziell Reizvolle daran (jenseits der Suche nach den jeweils tiefsten Bässen)?

Cover Wombat
Cover “Wombat”

DJ Odd: Ich empfinde die beiden großen Ds (Dub und Disco) als die Wurzeln aktueller Clubkultur. Für mich war es immer wichtig zu verstehen, wo alles seinen Anfang genommen hat. Wer kam auf die Idee mit den Slipmates, warum verwenden wir zwei Turntables oder Decks und machen uns Gedanken über Beatmatching? Ich habe einen großen Respekt vor Clubkultur und finde es immer wichtig, sich mit der Geschichte auseinander zu setzen. Nichts entsteht einfach so im luftleeren Raum, sondern ist das Resultat eines Prozesses. Meine aktuellen Lieblingsbücher sind deshalb auch „Bleep Techno And The Birth of British Bass Music“ und das großartige „The Hacienda. How Not To Run A Club“ 

Gerade bei einem Track wie „Roving“ ist mir aber auch aufgefallen, wie klar und „aufgeräumt“ die Trax klingen. Das macht sie gleichfalls leichtfüßig, versprüht dabei aber auch eine gewisse optimistische Note. Waren dir solche positiven Vibes (gerade in Zeiten wie diesen) wichtig, oder ist das einfach dein Style?

DJ Odd: Das Kompliment an „klar“ und „aufgeräumt“ muss ich an GC von Shash Records weitergeben. Mit einer unendlichen Geduld schult der Gute mein Gehör. Er ist für mich der Columbo des Masterings.

„Aktuelle Clubkultur ist nicht losgelöst von sozialen Ungleichheiten.“

Der Poptheoretiker Marc Fisher spricht bzgl. der 1990s und der damit verbundenen Rave-Culture von (optimistischen) Zukunftsversprechungen, die dann jedoch nie eingetreten sind. Sein Konzept der „Hauntologie“ beschreibt stattdessen eine Welt, die von einer Krise in die andere taumelt und dabei in eine immer dystopisch werdende Grundstimmung verfällt, die sich dann u.a. im düsteren DubStep eines Burial niederschlägt.  Bei dir gibt es jetzt aber mit „All Time“ eine von klassischen House-Synths getragene Rave-Hymne wie aus längst vergangenen (optimistischeren) Zeiten. Ist das ein bewusstes Durchhaltezeichen?

DJ Odd: Ich denke, man merkt bereits an meinen vorigen Antworten, wie sehr sich bei mir alles um meinen Bezugspunkt Clubkultur dreht. Jeder Track, wie auch mein Release, ist nur ein Teil und nicht unabhängig von den drei Säulen Club, DJ Set und Publikum. Aktuelle Clubkultur ist nicht losgelöst von sozialen Ungleichheiten. In diesem Kontext gibt es aber auch viele, die an einer Veränderung arbeiten, wie z.B. Gerald VDH, Push Network….

Dein Background ist nach wie vor UK Bass, Garage, Grime, Broken Techno, Breakbeat. Ist das so, weil du halt mit diesen Genres aufgewachsen bist, oder geht es hier bei vielleicht auch um eine Abgrenzung gegenüber dem, was heutzutage unter dem Kürzel „EDM“ als „Electronic Dance Music“ verkauft wird?

DJ Odd: Clubkultur bezieht ihr Selbstverständnis auch zu einem gewissen Teil aus der Abgrenzung von den Prinzipien einer Massenproduktion der Major Kulturindustrie. Gleichzeitig aber hat Szenewirtschaft eine eigene Identität und eigene Logiken aufgebaut, die über eine reine Gegenteilbeziehung hinausgehen. Um die Frage zu beantworten, beides ja und beides nein. Ich liebe Widersprüchlichkeit als Prinzip!

Bild DJ Odd
Bild (c) DJ Odd

In den frühen Nullerjahren hast du in Salzburg und Umgebung mit Reihen wie „Funkloch“ (Zone11, Hallein) und „Audio Shadow“ (Arge Kultur) eigene Veranstaltungsplattformen für die dortige DJ-Szene initiiert. Wie siehst du heute darauf zurück? Was hat sich verändert?

DJ Odd: Ich werde tatsächlich sehr nostalgisch, wenn ich darauf zurückschaue. Rückblickend gesehen, hätte ich natürlich vieles besser machen können, aber ich versuche mich ständig weiterzuentwickeln und zu lernen. Mein Ansatz ist, nichts zu verklären, hart an sich zu arbeiten und sich selbst nie zu wichtig zu nehmen. Ich bin leider nur mehr sehr selten in Salzburg und die Frage, was sich verändert hat in Salzburg, müssten wir am besten bei einem Kaffee mit dem Minverva Records-Team besprechen.

Jetzt bist du ja nicht der Einzige, der dann doch von Salzburg nach Wien gezogen ist. Waren da auch musikalische Gründe mitverantwortlich?

DJ Odd: Während den Jahren in Salzburg habe ich irgendwann gemerkt, dass es für mich wichtig ist, aus meinem gewohnten Trampelpfad rauszukommen. Der Umzug hat mir definitiv gutgetan und in Wien fühle ich mich einfach zu Hause.

Gemeinsam mit dj defizit, b.ranks und ramires r. hast du dann 2019 das Kollektiv OFF THE GRID gegründet. Dann kam aber gleich mal Corona. Wie habt ihr das überstanden?

DJ Odd: Wir hatten gerade unsere ersten zwei Veranstaltungen organisiert und dann kam der große Break. Dank unserer monatlichen Sendung bei RESradio und dem Support vom das WERK, die uns während der Clubpause regelmäßig zum Auflegen bei der Kulturterrasse eingeladen haben, sind wir gut über die Zeit gekommen. Ohne meine OFF THE GRID Freunde wäre ich sicher in ein Loch gefallen, aber wir konnten uns gut gegenseitig motivieren.

Seit 2022 bist du Resident im Wiener Club das WERK. Würdest du sagen, dass sich aktuelle Club- & DJ-Culture jetzt anders abspielt, als noch vor Corona?

DJ Odd: Das WERK hat nach der Öffnung massiv lokale DJs unterstützt und reine Local Line Ups gebucht. Das rechne ich ihnen unglaublich an. Das WERK ist mittlerweile zu meinem zweiten Wohnzimmer geworden und ich genieße jede Minute dort. In vielen Clubs haben lokale DJs jetzt einen höheren Stellenwert als zuvor und die Bereitschaft auch für junge unbekannte DJs, oder wie in meinem Fall alte unbekannte DJs Eintritt zu zahlen, ist jetzt höher. Das ist eine richtig schöne Motivation.

Und deine weiteren Pläne für 2022?

DJ Odd: Üben, Üben, Üben.

Danke für das Interview.

Didi Neidhart

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Links:
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DJ Odd (Soundcloud)
Shash Records