Auf seinem neuen Album „Artifact“ geht Marcus Füreder alias Parov Stelar neue Wege. Er hat den Electro-Swing hinter sich gelassen und verbindet elektronische Klänge mit klassischer Orchestrierung und cineastischem Pop. Markus Deisenberger erzählte er, wie er für die Kunst den Kopf ausschaltete und den Kontrollverlust genoss. Herausgekommen ist dabei ein Gespräch über Radfahren unterm Teppich, Rauschzustand und Desillusionierung.
Ein brandneues Album („Artifact“) mit vierzehn Songs, dazu Videos, eine Doku und ein biographisches Buch mit dem Titel „Trip“, in dem du dich mit dem Leben als Künstler und den Abgründen des Musikindustrie auseinandersetzt. Das alles hört sich sehr nach einem umfassenden Konzept an. Und dann sagst du in einem Interview zum Release, das einziges Konzept sei gewesen, keines zu haben. Kannst du das erläutern?
Marcus Füreder: Ich hasse ja Konzeptalben. Weil dafür müsste man verkopft sein. Da müsste man viel durchdachter bei der Herangehensweise sein. Das bin ich aber nie. Ich habe immer nur das Gefühl: Wenn eine Stimme in sich schlüssig ist, dann passt auf einmal alles zusammen. Und das war in dem Fall so. Ich habe einfach gemerkt, dass die Puzzleteile, die ich im Kopf hatte, plötzlich so gut zusammenpassten. Jetzt könnte man meinen, das sei ein Konzeptalbum, das war es aber absolut nicht.
Was war der Anfang?
Marcus Füreder: Der Anfang reicht eigentlich zurück bis vor sechs Jahren, mit Fragmenten von Songs. Aber tatsächlich fertig war als erstes „Six Feet Underground“. Das war der erste Song. Und da war mir dann klar, dass das jetzt mehr als nur Elektronik sein muss. Da braucht es ein Orchester.
Du hast schon im letzten Interview, das ich mit dir führen durfte – es muss vor etwas mehr als drei Jahren gewesen sein – gemeint, du seist gerade auf Klassik reingekippt. „Wenn mir opulente Streicher taugen, dann muss ich das machen. Also gehe ich in die Richtung“, meintest du damals wörtlich. Würdest du das als eine Neuerfindung bezeichnen?
Marcus Füreder: Naja, die Klassik ist das Älteste, was es in unseren Breiten an Musik überhaupt gibt. Ich wollte einfach schauen und spüren, wie ich das mit meiner Musik schaffe. Ich bin ja ein Nerd, sitze immer alleine zuhause, möchte alles immer alleine machen. Aber irgendwann einmal, wenn du mit einem fast 40-köpfigen Orchester arbeitest, kannst du nicht mehr alles alleine machen. Das geht nicht. Das dann einmal abzugeben, war eine spannende Erfahrung für mich.
Und auch überrascht zu sein, was daraus wird, wenn man es abgibt?
Marcus Füreder: Ja. Das hat mich wirklich zutiefst berührt, muss ich sagen. Das war ein Erlebnis. Ich dachte, schon viel in der Musik erlebt zu haben. Das war aber neu und wirklich besonders.
Das heißt, das ist auch ein erhebendes Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu werden, oder?
Marcus Füreder: Das war fast so, als ob du dem Golem, dieser Lehmfigur, Leben einhauchen würdest oder Pinocchio plötzlich zu gehen beginnt. Als Komponist arbeitest du in einem relativ sterilen Umfeld. In deinem Studio, alleine. Und plötzlich sind da viele Leute. Sie sind physisch anwesend, und das ganze Ding beginnt plötzlich zu leben.
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Hattest du Berührungsangst?
Marcus Füreder: Nein, Berührungsangst habe ich eigentlich selten. Aber Respekt hatte ich natürlich schon. Als Autodidakt, der ich bin, hat man immer ein leichtes Imposter-Syndrom, wenn man mit studierten Musiker:innen unterwegs ist. Aber das ist dann im Arbeitsprozess relativ schnell verflogen, weil es von der Begeisterung und der Energie, die die Beteiligten dem Projekt von allen Seiten entgegengebrachten, abgelöst wurde. Das hat echt Spaß gemacht.
Lass uns vom erhebenden Gefühl des gemeinsamen Musizierens zum Rausch-Zustand kommen. Die Arbeit am Album habe sich wie die pure Freiheit angefühlt, hast du im Vorfeld gesagt. Egal, wo die Flut dich hintrug. Das klingt, als ob man kreativ vom Hundertsten ins Tausendste kommt, indem man der Kreativität freien Lauf lässt. Gibt es dann trotzdem irgendeine Grenze, weil man sich im Rausch zu verlieren droht?
Marcus Füreder: Nein, gar nicht. Im Gegenteil: Ich habe den Moment, in dem ich mich verloren habe, total genossen. Ich habe mir auch keine Deadline gesetzt, bis wann das Ding fertig sein soll. Ich habe auch keine konkrete Vorstellung gehabt, wie das Ding unbedingt klingen soll. Das war eben diese Freiheit. Und wenn ich vom Hundertsten ins Tausendste komme, dann ist das so. Dann soll es so sein. Ab dem Zeitpunkt, ab dem man sich verliert, ist das eher eine Bereicherung.
Ab wann war klar, dass du Künstliche Intelligenz einsetzen wirst?
Marcus Füreder: Die KI habe ich ja nur bei der Videoproduktion eingesetzt, in der Musik käme das für mich überhaupt nicht infrage.
Warum in der Musik nicht und in der Videoproduktion schon?
Marcus Füreder: Sagen wir mal so: In der Musik ist es für mich so, dass ich aus eigener Kraft das umsetzen kann, was ich gerne möchte. Im Gegensatz dazu hätte ich für die Video-Umsetzung der Bilder, die ich im Kopf gehabt habe, 50 Millionen Dollar und David Lynch als Regisseur gebraucht. Es war also schnell klar, dass das so nicht funktionieren wird. Und darum war es für mich einfach ein spannender Ansatz, die KI als Werkzeug einzusetzen. Als Werkzeug in der Musik hätte ich sie nicht gebraucht. Ich hätte nicht gewusst, wofür und warum. Und da kommt auch ein bisschen Künstlerehre dazu. Ich bin sicher mehr Musiker als Videomacher.

War es spannend, durch den Einsatz von KI die Kontrolle im visuellen Bereich abzugeben?
Marcus Füreder: Die habe ich nicht abgegeben. Ich habe für die Videos teilweise länger gebraucht als für die Musik, weil sämtliche Videos aus Einzelbildern entstanden sind. Diese Einzelbilder habe ich dann mit KI animiert. Nur hat man dort kaum Kontrolle: Man kann zwar sagen, „mach das“ und „mach das“, aber es kommt sehr viel Unsinn dabei heraus. Für fünf Sekunden habe ich rund vierzig Anläufe gebraucht, bis ich die Geschichte hatte, die ich in diesem Moment fühlte. Das war also eine Art Trial-and-Error-Prozess. Aber es ist sehr spannend zu sehen, wo wir technologisch gerade stehen.
Mir hat am Thema KI von Anfang die enorme Bandbreite zwischen Verharmlosung und totaler Dystopie interessiert. Wo würdest du dich verorten?
Marcus Füreder: Ich habe keine Berührungsängste. Und ich glaube, dass sich das ganz anders entwickeln wird, als wir das jetzt vorhersehen. Das war ja bei vielen Dingen so: Die DVD soll angeblich das Kino vernichtet haben. MP3 hat die Musikbranche zwar kurz einknicken lassen, aber daraus ist auch etwas Neues entstanden. Die ganz Jungen – wie mein Sohn – wischen KI-Videos, die eine schräge Realität vorgaukeln, schon weiter. Das ist nichts Besonderes mehr. Auch meine KI-Videos sind, obwohl erst drei, vier Monate alt, schon wieder veraltet; in der Zwischenzeit ist enorm viel passiert. Problematisch wird es dort, wo KI uns eine Wirklichkeit vorspiegelt, die es so nicht gibt. Aber der künstlerische Einsatz? Warum nicht! Bei Star Wars hat man von Anfang an darauf geachtet, die besten Special Effects zu kreieren. Ich glaube, es wird eher in diese Richtung gehen.
Kreative Arbeit darf sich nie im Erreichten erschöpfen, sagst du. Das klingt sehr getrieben. Würdest du sagen, dass du ein von den eigentlichen künstlerischen Ansprüchen Getriebener bist?
Marcus Füreder: Ja, das glaube ich schon. Weil ich ständig Leute sehe, die viel besser sind als ich.
Tatsächlich?
Marcus Füreder: Doch, ja. Obwohl es da natürlich kein Wertesystem gibt. Aber ich habe immer noch einen großen Hunger, was zu entdecken. Das ist einfach der Wille, sein eigenes Werk weiterzubringen. Ich glaube, das ist der Antrieb, und ich glaube, der ist auch wichtig. Natürlich: Ich könnte mich auch hinsetzen, mir meine goldenen Schallplatten anschauen und zufrieden damit sein. Aber ich will arbeiten, und ich habe auch Spaß am Arbeiten.
Würdest du sagen, dass das neue Album ernster ist, als das, was du bis jetzt gemacht hast?
Marcus Füreder: Es ist alles in Moll.
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Insofern ein klares Ja?
Marcus Füreder: Vielleicht im Ausdruck und im Ergebnis, ja. Die Herangehensweise aber war viel verspielter als bisher. Ich habe bei dem Album den Kopf ausgeschaltet, nie an Konsequenzen gedacht – Konsequenzen im Sinne von: Kann das erfolgreich sein? Wird das Werk von den Fans akzeptiert? Da habe ich komplett ausgeschaltet. Darum habe ich es für mich spielerisch empfunden.
Wie erwirbt man sich diese Freiheit?
Marcus Füreder: Nicht durch Denken und nicht durchs Vornehmen. Es ist ein Prozess, der sich in den letzten Jahren vollzogen hat. Ich bin nicht mehr ganz zufrieden mit mir selber gewesen.
Warum? Weil man sich automatisch wiederholt?
Marcus Füreder: In der Kunst ist Wiederholung ein Thema. Schau dir Nitsch an: Er hat sein Leben lang die gleichen roten Bilder gemacht. Das ist seine Trademark. Aber mir wird die Wiederholung halt auch langweilig. „Was ist eigentlich Erfolg?“, habe ich mich immer wieder gefragt. Alle streben dem Erfolg zu, letzten Endes aber fängt er mit zunehmendem Maße an, dich zu reduzieren, zu reduzieren und noch mal zu reduzieren. Weil man Angst vor Kritik hat, weil man Angst vor Ablehnung hat. Und wenn man dann plötzlich etwas anderes macht als bisher, dann lernt man viel über sich selbst. Denn was bleibt, wenn der Erfolg ausbleibt? Bist du dann nicht mehr zufrieden? An dem Tag, an dem du akzeptierst, dass du ohne Erfolg nichts bist, dass du ohne Erfolg unterm Teppich Rad fahren kannst, geht es auch leicht, etwas anderes zu machen.
Warum?
Marcus Füreder: Weil du keine Angst mehr hast.
Das Album ist von Erinnerungsfragmenten nach dem Aufwachen, Parallelwelten und der Flüchtigkeit des Augenblicks inspiriert. Kannst du das präzisieren?
Marcus Füreder: Ich habe mich schon seit meiner frühesten Jugend mit Parallelwelten beschäftigt. Was sind verschiedene Zeitlinien? Was ist Realität? Und dieses Gefühl, diese Erinnerung an eine andere Zeit oder eine andere Linie, dieses Gefühl, das du nach dem Aufwachen hast, wollte ich musikalisch und im Bild so gut wie es geht widerspiegeln.
Spielt da auch eine gewisse Faszination für das Unheimliche mit?
Marcus Füreder: Unbedingt. Die Faszination für das Unheimliche, dafür, dass es da etwas anderes gibt, habe ich immer schon gehabt. Das hat mich immer interessiert. Ich hatte immer einen leichten Hang zur Melancholie und zum Düsteren und Dunklen gehabt. Darum stehe ich wahrscheinlich auch so auf David Lynch, Fritz Lang und Ernst Lubitsch.
Lass uns über dein Buch sprechen – eine Biographie mit dem Titel „Trip“ und dem Untertitel „Eine Reise in die Unterwelt der Musik“.
Marcus Füreder: Gern. Das Buch hört dort auf, wo das Album anfängt. Das Buch beschreibt den Weg, wie die Musik möglich wurde. Insofern sind die zwei Geschichten – die des Albums und die des Buches – eigentlich sehr gut miteinander verwoben. Das Buch ist keine typische Autobiografie, und während des Lebens stellt man sich sicher hin und wieder die Frage, ob es fiktiv oder real ist. Die Wahrheit ist: Alles, was drinsteht, ist real, aber meine Wahrnehmung war teilweise verschoben. Die Frage war oft: Wo bin ich gerade? Aber genau das ist auch die zentrale Frage, wenn du auf einem Trip bist.

Der Klappentext spricht von „Wahnsinn und Exzess“. War es wirklich so schlimm?
Marcus Füreder: Ich würde Exzess nicht in der Klischee-Vorstellung verstanden wissen wollen, so wie man das von Slash von Guns N’ Roses oder anderen Rockmusikern kennt. Ich hab´ mir nicht die Birnen weggekocht oder vor dem Schlafengehen sieben Flaschen Jack Daniels getrunken. Überhaupt nicht. Um das geht es gar nicht. Der viel nachhaltigere und schlimmere Exzess findet woanders statt. Und da hilft auch keine Entziehungskur, weil das bist du. Und um den Prozess, sich selber so gut kennenzulernen, damit man Waffen oder Mittel hat, um mit dem Wahnsinn klarzukommen und ein normales Leben möglich ist – das ist für mich der wahre Exzess gewesen.
Aber es geht schon um Ängste und Überwindung der Ängste, oder?
Marcus Füreder: Ja.
Ein angstfreies Leben?
Marcus Füreder: Das wäre schön, aber dann würde man wahrscheinlich auch nicht mehr so viel Kunst produzieren. Wenn ich mir so manche Künstlerseele genauer anschaue, habe ich oft das Gefühl, das ist eine lebenslange, nach außen gekehrte Panikattacke. Wenn du als Künstler deine Ängste nach außen kehrst und damit anderen Menschen erreichst, weil sie dadurch das Gefühl vermittelt bekommen, dass es da draußen auch anderen Menschen so geht wie ihnen, hat das etwas ungemein Tröstliches.
Billie Eilish schafft das mit einer ganzen Generation junger Leute.
Marcus Füreder: Ich halte sie für eine sehr wichtige Künstlerin, die es bisher gut geschafft hat, standhaft zu bleiben, denn die Maschinerie, die dahintersteht, ist groß und mächtig. Da kann man ganz leicht in etwas anders abrutschen.
Du hast auf deinem aktuellen Album eine Nummer von Lana del Rey, mit der du schon einmal zusammengearbeitet hast, neu bearbeitet. Wie kam es dazu?
Marcus Füreder: Ich wollte für „Artifact“ bestehende Songs in ein ganz anderes Gewand stecken. Begonnen hat es mit „Six Feet Underground“. Diesen Song wollte ich in etwas Filmmusik-Artiges transportieren. Ich habe damals auch Ben Mawson angerufen, den Manager von Lana, und ihm mitgeteilt, dass ich Ideen für ein neues Album habe, das leicht dystopische Züge trägt. Jeder, der sie kennt, weiß, dass sie einen Hang zur Melancholie hat. Aber ich wollte keinen Remix. Ich wollte eine Vocalspur von ihr und daraus etwas völlig Neues machen – eine komplette Neuinterpretation.
Und warum genau „Art Deco“?
Marcus Füreder: Da haben mir die Lyrics sehr gut gefallen, und ich finde bei dem Song ist sie als Künstlerin viel präsenter als ihr Künstlername.
Wenn wir schon über Dystopien reden: Der letzte Song heißt so, nämlich „Dystopia“, und hat mich sehr an die Wagnerianisches Überwältigungstheater erinnert. War Richard Wagner ein Einfluss für dich?
Marcus Füreder: Spannend, dass du das fragst. Eigentlich gar nicht, nein, eher Vivaldi mit seinen vier Jahreszeiten, besonders Sommer und Winter. Oder Rachmaninoff, der für mich ein Gott ist. Wenn ich male, höre ich nur Klassik, ich weiß aber gar nicht warum.
Vielleicht weil es weniger einschränkt?
Marcus Füreder: Ja, da könntest du wirklich recht haben. Das ist ein interessanter Ansatz. Sie lässt sehr viel offen. Das ist ein Thema, das mich bei Instrumentalmusik sehr interessiert. Sie gibt dem Gegenüber viel mehr Möglichkeit, in seine oder ihre Richtung zu denken.
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Du beschreibst dein autobiographisches Buch als einen Trip in die „Unterwelt“. Was genau meinst du damit?
Marcus Füreder: Das wollen alle von mir wissen.
Und hast du eine vorgefertigte Antwort?
Marcus Füreder: Ich weiß nicht, ob ich eine richtige Antwort dafür habe, aber da geht es um ein Gefühl. Die Musik hat mich in meine Unterwelt geführt. Die meisten Menschen erleben, wenn sie Musik hören, nur die Spitze des Eisberges. Aber darunter, unter dem schönen Haus gibt es noch viele weitere Stöcke. Ich habe diese Unterwelt kennengelernt.
Inwiefern?
Marcus Füreder: Ich habe sie gelebt. Irgendwann verlierst du, oder bist knapp davor, die Kontrolle zu verlieren. Vor allem, wenn es irgendwann einmal in Richtung geht, mit wirklich großen Major Labels zu kooperieren und große Deals abzuschließen. Ich war lange dieser idealistische Künstler, der immer glaubte, ein gutes Lied werde dann erfolgreich, wenn es gut ist. Und irgendwann einmal kommst du drauf, dass es darum überhaupt nicht geht. Das war der erste Riesenschock. Ich habe lange Zeit geglaubt, ein Hit ist einfach ein Lied, das extrem gut ist.
Klar: Gutes Mehl ist eine Grundvoraussetzung, wenn du einen Kuchen backen willst, aber auch Butter, Zucker und Eier, und das alles ist letzten Endes viel wichtiger als das Mehl. Das herauszufinden war sehr ernüchternd.
Das heißt, da geht es auch um Kontrollverlust und einen Weg zu finden, das möglichst nicht wieder zu erleben?
Marcus Füreder: Ich würde keine Sekunden missen wollen. Nur habe ich halt meine Illusion verloren, und je mehr das geschehen ist, desto mehr habe ich diese ganzen Independent-Artist-Leute bewundert, wobei auch davon die meisten dabei sind, wenn das Riesenlabel anklopft. Es gibt nur ganz wenige, die dann sagen: „Nein, wollen wir nicht. Wir machen unser Ding.“ Das ist mir bewusst geworden. Aber du musst beides kennen. Leute, die nie ein Boot hatten, können nicht über Boote schimpfen.
Wie wird man die Desillusionierung wieder los und bekommt den Kopf frei für die Kunst?
Marcus Füreder: Indem dir klar wird, dass es nichts zu verlieren gibt. Dieser Erfolg, an den ich geglaubt habe und dem ich als Jugendlicher nachgelaufen bin, folgt ja ganz anderen Mechanismen und Parametern, als ich immer geglaubt habe. Ich dachte lange, ich müsse einfach nur gut werden, um erfolgreich zu sein und geliebt zu werden. Bis ich darauf gekommen bin: Nein, du brauchst die Basis, und dann musst du einfach tun, was dir gesagt wird. Und selbst dann hast du eine vierprozentige Chance. Aber eines ist klar, wenn es nicht mehr reinpasst, dann bist du weg. Wie Gotye. Für den haben sie damals in der ganzen Schweiz keine Veranstaltungshalle gefunden, die auch nur annähernd das Fassungsvermögen gehabt hätte, das er gebraucht hätte. Ein Jahr später war es vorbei. Bei mir war es nie eine Explosion, sondern stetiges Wachstum auf gesunden Füßen.
Mittlerweile ist Gotye ausgewandert.
Marcus Füreder: Es braucht echte Stärke, um damit klarzukommen, ein One-Hit-Wonder zu sein.
Du wurdest lange auf ein Genre reduziert.
Marcus Füreder: Und weiß du was: Je mehr ich mich dagegen gewehrt habe, desto schlimmer wurde es. Ich habe immer gesampelt, und die verschiedensten Sachen, aus den 1980ern, aus den 1990ern. Aber ich wehre mich nicht mehr dagegen. So wie es ist, so ist es. Beim neuen Album war ich gespannt, wie die Leute darauf reagieren. Und siehe da: Sehr positiv. Sie mögen es!
Vielen Dank für das Gespräch.
Markus Deisenberger
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