Paloma 004 ist ein Wiener Quartett, das 2021 aus dem Solo-Projekt von Sängerin Lisa Obereder hervorging. Gemeinsam mit Lena Obereder (Bass), Karoline Zwickl (Drums) und Philipp Bayerle (Gitarre) erschafft die Band einen eigenwilligen Sound zwischen fragiler Melancholie, bissiger Energie und verspieltem Ernst. Stilistisch bewegt sich Paloma 004 zwischen Post-Punk, Grunge, Shoegaze und Synthpop – mit deutschen Texten, die Alltagsabsurditäten und tiefere Sinnfragen verhandeln. Am 13. Juni 2025 erscheint mit „Alles fängt neu an“ das erste Album der Band bei Fettkakao.Im Interview mit Michael Ternai erzählt die Band über die vielen Kanten ihres Sounds, ihre vielen verschiedenen musikalischen Einflüsse und ihr erstes Mal in einem professionellen Studio.-
Vielleicht erzählt ihr mal, wie ihr zusammengefunden habt?
Lisa Obereder: Angefangen hat alles damit, dass ich 2021 mit dem Songschreiben begonnen habe. Zunächst war es ein Soloprojekt von mir. Nach und nach hat sich daraus aber immer mehr eine Band entwickelt. Zuerst ist meine Schwester Lena dazugestoßen, und wir haben einige Konzerte gemeinsam gespielt. 2022 kam Karo am Schlagzeug dazu, und im Jahr darauf stieß Philipp als zweiter Gitarrist zu uns.
Als du mit dem Songschreiben begonnen hast – hattest du da schon eine konkrete Vorstellung davon, in welche musikalische Richtung es gehen sollte? Oder hast du erst einmal herumprobiert?
Lisa Obereder: Eigentlich habe ich – was den Sound betrifft – schon eine ziemlich klare Vorstellung. Im Proberaum arbeiten wir dann gemeinsam daran, wie sich das Ganze live umsetzen lässt. Ich bin auch niemand, der Vorschläge grundsätzlich ablehnt, wenn es darum geht, hier und da noch etwas zu verändern. Am Anfang war ich ziemlich darauf fixiert, Indie-Rock und Trip-Hop irgendwie zusammenzubringen. Ab da hat sich alles in diese Richtung entwickelt.
Wobei man den Trip-Hop-Anteil heute kaum noch hört.
Lisa Obereder: Stimmt, der ist mit der Zeit weniger geworden.
Aber auch der Begriff Indie-Rock beschreibt nicht ganz, was ihr macht. In euren Songs verarbeitet ihr ganz unterschiedliche Einflüsse: Post-Punk, Grunge, Indie-Rock …
Lisa Obereder: … ja, definitiv.
Was mich auch beeindruckt hat: Ihr habt wirklich ein Händchen dafür, einen echten Ohrwurmfaktor in eure Songs zu bringen. Der Sound ist roh, aber dennoch sehr eingängig.
Lena Obereder: Aus meiner Perspektive ist es so: Lisa schreibt die Grundgerüste der Songs, und wir schmücken sie dann vielleicht noch ein wenig aus. Beim Songwriting passiert aber vieles ganz ungeplant – wir überlegen uns nicht, welcher Akkord zu welchem passen muss, und wir orientieren uns auch nicht an irgendeiner Erfolgsformel.
Lisa Obereder: Ich habe einfach über die Jahre extrem viel Musik gehört und sehr viel aufgesogen. Aus all diesen Einflüssen versuche ich, etwas Eigenes zu machen. Und dabei entstehen dann oft tatsächlich richtig catchy Riffs.
Wie sieht eure musikalische Sozialisation aus? Habt ihr vorher schon in Bands gespielt?
Lisa Obereder: Lena und ich haben früher zusammen in einer Grunge-Band gespielt – das war sicher ein großer Einfluss. Auch härteren Musikrichtungen waren wir nicht abgeneigt.
Lena Obereder: Ich spiele aktuell mit Karo auch noch in einer anderen Band – da geht’s eher in Richtung Post-Metal und Post-Rock.
Philipp Bayerle: Ich habe vor Paloma 004 schon in einer anderen Band gespielt – die ging eher in eine Grunge-Rock-Richtung, mit simpleren Strukturen und raueren Songs. Lisa und ich haben uns bei einer Jamsession kennengelernt und uns eigentlich sofort gut verstanden. Ich bin dann 2022 für Lena am Bass eingesprungen, als sie ein halbes Jahr im Ausland war. Als sie zurückkam, habe ich dann die zweite Gitarre übernommen.
War es für euch klar, dass ihr im Sound so rau bleibt?
Lisa Obereder: Für mich ist das ein sehr wichtiger Aspekt des Ganzen. Vor allem beim Livespielen genieße ich es, weil es dadurch bei uns noch intensiver und wuchtiger werden kann. Diese Kantigkeit wollten wir auch auf dem Album bzw. im Aufnahmeprozess nicht verlieren. Es kommt ja nicht selten vor, dass Songs im Studio weichgekocht werden – genau das wollten wir unbedingt vermeiden.
Sprich, ihr lasst auch Fehler zu?
Lisa Obereder: Ja, solche lassen wir bewusst zu. Wir haben ja live aufgenommen – und das zum ersten Mal. Wenn mal etwas rhythmisch nicht ganz gepasst hat, haben wir es natürlich nochmal eingespielt. Auch kleinere Stellen, bei denen der Vibe nicht stimmte, haben wir ausgebessert. Aber im Großen und Ganzen geht es uns darum, eine bestimmte Energie zu transportieren und den Songs Leben einzuhauchen. Und da gehören kleine Fehler für uns einfach dazu.
Lena Obereder: Wir haben alles – bis auf ein paar Songs – ohne Metronom aufgenommen, weil es sich einfach natürlicher angefühlt hat. Ich glaube, es geht einfach etwas verloren, wenn alles zu exakt ist. Wir haben mehrere Anläufe unternommen, um aufzunehmen. Teilweise hat Lisa im Vorfeld schon Demos selbst aufgenommen. Dann haben wir auch im DIY-Stil mit einigen befreundeten Musiker:innen versucht, etwas aufzunehmen. Im Endeffekt war es absolut die richtige Entscheidung, das Ganze noch einmal in einem Studio zu machen. Nach all den Anläufen waren wir als Band auch deutlich eingespielter.
Was ich an eurer Musik auch sehr schön finde, ist, dass sie zwar einerseits auf die Vergangenheit verweist, gleichzeitig aber modern klingt – ohne sich dabei in irgendeiner Weise an aktuelle Trends anzubiedern.
Lena Obereder: Es war nicht unser primäres Ziel, möglichst viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Wir machen gemeinsam Musik, weil es uns einfach Spaß macht. Außerdem ist Paloma 004 so etwas wie ein Lebensprojekt von Lisa.
(Alle lachen)
Inwiefern?
Lisa Obereder: Dieses Projekt ist etwas, das ich seit Jahren mit Überzeugung verfolge und das mir sehr am Herzen liegt. Auch abseits der Musik bin ich künstlerisch tätig und versuche, mir daraus etwas aufzubauen. Ich bin gespannt, wie sich alles weiterentwickelt. Dabei habe ich festgestellt, dass es gar nicht so viel Spaß macht, die Musik zum Mittelpunkt von allem zu machen, was man tut. Im Moment versuche ich daher, die Musik ein Stück weit herauszunehmen. Ich glaube, das ermöglicht es, Dinge einfach zu machen – und sich dabei stärker am eigenen Empfinden zu orientieren.
Interessant ist auch, dass die Songs nicht nur auf Deutsch sind. Es finden sich auch zwei englischsprachige Lieder. Wieso das?
Lisa Obereder: Lustig ist, dass eines der beiden Lieder, die ich auf Englisch singe – „NSTR“ – ursprünglich „Nervensträng“‘ hieß. Dieses Wort habe ich dann auf die vier Buchstaben gekürzt. Wenn ich an einem Lied arbeite, stammen die Lyrics oft aus Textheften und Notizbüchern, die ich immer bei mir habe. Ich suche mir dann einfach einen Text aus, der zur Musik passt. Im Fall dieses Songs hatte ich das Gefühl, dass ein englischer Text besser funktioniert. Bei mir entsteht vieles im Hinblick auf die Texte intuitiv – vieles läuft über Gefühl und Instinkt.
Weil du gerade die Texte erwähnt hast. Worum geht es in den Songs? Sind es bestimmte Themen, die Inhalt der Lieder werden?
Lisa Obereder: Oft sind es Beobachtungen aus dem Alltag und dem Miteinander zwischen Menschen. Die Texte sind auch ein Versuch, Dinge kritisch zu hinterfragen – so wie im Song „Heiteres“. Dieser übt Kritik am Umgang mit Themen, die eigentlich klar erkennbar sind – wie etwa der Klimawandel –, aber dennoch ignoriert werden. Dabei versuche ich jedoch, die Texte nicht plakativ wirken zu lassen. Ich finde es schön, wenn sich jeder, der das hört, etwas Eigenes dazu denken kann.
Wie ist es eigentlich zur Zusammenarbeit mit dem Label Fettkakao gekommen?
Lisa Obereder: Wir haben Andi (Dvořák; Anm.) 2023 über einen Freund kennengelernt, der ebenfalls Musik macht. Andi ist jemand, der mit offenen Augen durch die Musikszene geht und genau beobachtet, was sich tut. Schon damals zeigte er Interesse daran, mit uns ein Album zu machen. Für mich war das aber noch nicht der richtige Zeitpunkt – und ich glaube, auch für andere von uns nicht.
Im Herbst letzten Jahres haben wir Andi dann bei einem Konzert wiedergetroffen und sind ins Gespräch gekommen. Daraus hat sich irgendwie ergeben, dass wir gemeinsam eine Veröffentlichung machen wollten. Wenige Tage später luden wir ihn zu einem unserer Konzerte ein. Er sah uns spielen – und es gefiel ihm.
Ursprünglich war nur eine Single geplant, dann sprachen wir über eine EP – und am Ende wurde es ein ganzes Album, weil einfach so viel Musik da war.
Wie war das für euch, das erste Mal im Studio aufzunehmen? Wie war diese Premiere?
Lena Obereder: Wir hatten davor noch nicht wirklich viel Aufnahmeerfahrung. Für mich war es das erste Mal in einem richtigen Studio. Karo und ich haben zwar mit der Band, in der wir spielen, schon selbst aufgenommen und auch selbst produziert – aber es ist einfach viel angenehmer, wenn man nicht ständig selbst auf Aufnahme und Pause drücken oder schauen muss, ob die Mikrofone funktionieren.
Karoline Zwickl: Für mich war es auch das erste Mal in einem professionellen Studio – und das war schon etwas Besonderes. Heute ist es ja oft so, dass viele Bands gar kein echtes Schlagzeug mehr aufnehmen, sondern es einfach programmieren. Ich habe schon in Bands gespielt, bei denen das Schlagzeug vor der Aufnahme quasi fertig produziert war. Deshalb bin ich wirklich dankbar, dass ich diese Erfahrung in einem echten Studio mit einer Band machen konnte.
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Und wie sah es mit Druck aus? Habt ihr welchen verspürt?
Lisa Obereder: Eigentlich gar nicht, weil Werner (Thenmayer, Anm.), mit dem wir im Studio gearbeitet haben, uns sofort super unterstützt hat. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, und er hat eine sehr ruhige Atmosphäre geschaffen, in der es einfach richtig angenehm war zu arbeiten. Mir hat das wirklich viel Spaß gemacht – ich würde sehr gerne bald wieder etwas aufnehmen.
Philipp Bayerle: Ich hatte anfangs schon großen Respekt davor. Mit meiner anderen Band habe ich zwar schon in einem kleinen Studio Demos aufgenommen, aber dieses Mal war alles ein bisschen größer. Aber wie Lisa schon gesagt hat – die Zusammenarbeit mit Werner war wirklich cool. Er hat eine Atmosphäre geschaffen, in der wir uns wohlgefühlt haben und die es uns ermöglicht hat, weiterzukommen. Er hat einfach das Ohr und das Know-how, um zu erkennen, an welchen Schrauben man drehen muss, damit am Ende ein gutes Ergebnis dabei herauskommt. Das hat uns wirklich sehr weitergeholfen.
Lena Obereder: Er hat auch immer wieder zusätzlichen Input geliefert, wo etwa Overdubs Mit Gitarren oder Vocals machen könnte. Das war schon sehr hilfreich.
Ist es bei euch eigentlich noch so, dass ihr eure Songs zuerst im Proberaum ausprobiert?
Philipp Bayerle: Ja, wir haben die Songs vorher schon öfter im Proberaum gespielt.
Lena Obereder: Wir haben uns gut vorbereitet, weil wir aus früheren Aufnahmeversuchen wussten, wie wichtig das ist. Wenn es richtig knallen soll, muss man als Band einfach tight sein. Deshalb haben wir im Vorfeld viel geprobt. Letzten Herbst haben wir dann auch sehr viele Konzerte gespielt – das war natürlich extrem hilfreich.
Weil du gerade das Konzerte-Spielen erwähnt hast: Wie sind eigentlich die kommenden Auftritte in Deutschland zustande gekommen?
Lisa Obereder: Bisher war es so, dass viele Konzertanfragen aus unserem direkten musikalischen Umfeld kamen. Leute, mit denen wir vernetzt sind, haben uns gefragt, ob wir spielen möchten – so sind dann auch die vielen Auftritte im letzten Herbst zustande gekommen.
Philipp Bayerle: Die Konzerte in Leipzig und Berlin haben sich über eine befreundete Band ergeben, mit der wir hier in Wien zusammengespielt haben. Sie haben uns angeboten, dass wir uns melden können, falls wir mal in Deutschland spielen wollen – und jetzt hat das tatsächlich geklappt.
Ihr macht gerade einen eher ruhigen und introvertierten Eindruck – wie ist das dann eigentlich auf der Bühne?
Karoline Zwickl: Ich glaube, wir sind auf der Bühne einfach authentisch. Es wird jetzt nicht irgendetwas gespielt oder überlegt. Wir tun einfach.
Philipp Bayerle: Wir lassen die Dinge, die sich in uns aufgestaut haben einfach heraus. Das merkt man, glaube ich, vor allem bei unseren lauteren und schnelleren Liedern. Es macht Spaß, wenn man das, was man in sich hat, in die Musik bzw. in die Art, wie man die Musik spielt, einbringen kann. Für mich spielt das schon eine große Rolle.
Generell machen wir auf der Bühne alle ein bissl unser eigenes Ding und versuchen uns zu connecten und zu schauen, dass alles gut zusammenkommt.
Vielen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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Paloma 004 live
12.06. – Noch Besser Leben, Leipzig
13.06. – Loge Kneipenkollektiv, Berlin
26.06. -Rhiz, Wien
28.06. – Kulturverein zur Schießhalle, Linz
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