In den letzten Jahren war OLIVER STEGER vor allem auf die Arbeit mit der Band CAFÉ DRECHSLER fokussiert. Nach längerer Zeit widmet sich der gebürtige Niederösterreicher nun aber wieder einem eigenen Projekt. Es heißt OLIVE GROVE und knüpft in der musikalischen Ausrichtung wie auch Besetzung in gewisser Weise an seine letzte Band S.O.D.A. an. Was das Quartett rund um den Kontrabassisten zum Erklingen bringt, ist ein Sound, in dem sich modernes Songwriting mit zeitgenössichen Grooves und den Improvisationen des Jazz auf sehr gediegene Art und Weise verbindet. Mit „r“ (Cracked Anegg; VÖ: 30.09.) erscheint nun das erste Album von OLIVE GROVE. Im Interview erzählt OLIVER STEGER vom Bedürfnis, nach langer Zeit wieder einmal Bandleader zu sein, über seine Idee von zugänglichem Jazz und die Hoffnung, das Projekt langfristig weiter betreiben zu können.Die Fragen stellte Michael Ternai.
Du bist in den letzten Jahren – was Veröffentlichungen betrifft – vor allem mit Café Drechsler beschäftigt gewesen. Mit der Ausnahme des Albums Water deines Duo-Projekts Stay Soft. Mit Olive Grove veröffentlichst du jetzt seit langen wieder ein Album in klassischer Bandbesetzung als Bandleader. Wie sehr war es für dich ein Bedürfnis wieder in dieser Richtung etwas zu machen?
Oliver Steger: Ja, das stimmt: Café Drechsler war ab 2017 sehr intensiv. Wir hatten viele Konzerte und einige Studio- und Live-Produktionen. Auch während der Coronazeit spielten wir, wenn keine Lockdowns waren, viel, unter anderem eine Tour durch Wiens Kaffeehäuser. Ich nutzte aber vor allem die Lockdownzeit vermehrt, um neue Musik zu schreiben. Insofern war die Gründung einer neuen Band der logische Schritt, als ich mich bei Zeiten entschloss, die Songs aufzunehmen. Also ein großes Bedürfnis… vor allem nach dieser kargen Zeit.
Kann man sagen, dass du mit Olive Grove in gewisser Weise an dein früheres Projekt S.O.D.A. anknüpfst?
Oliver Steger: Das könnte man sagen, ein Quartett mit Gesang… Grooves, prägnante Basslines, Odd Meter, jazzige Harmonien, Melodien, die Hooklinequalitäten aber keine Berührungsängste mit Tensions haben. Andererseits schreibe ich einfach solche Musik und ich bin ein Fan von kleinen Besetzungen, weil ich als Bassist nicht immer nur begleiten will. Im Quartett geht sich auch ein Bass Solo gut aus, ohne dass die Zuhörer ermüden.
„Letztendlich liegt es immer an den Musiker*innen, ob sie respektvoll miteinander musizieren“
Wie in den meisten deiner eigenen Projekte, schlägst du auch mit Olive Grove die musikalische Brücke von den zeitgenössischen Formen des Jazz hin zu Songstrukturen. Du machst den Jazz damit quasi leicht zugänglich. Ist das eine Absicht von dir?
Oliver Steger: Oh ja! Ich finde diesen Umstand sehr spannend, wenn man sich als Band die größtmögliche Freiheit über eine vorgegebene Struktur erarbeitet. Ich finde es auch wichtig, wenn die Zuhörer*innen unseren Ausführungen folgen können. Das darf sein, ohne dass wir uns dem Publikum auf niedrigem Niveau anbiedern. Die Akkorde und Grooves klingen vielleicht einfach, aber sie sind durchaus komplex und ich wage zu behaupten, dass es nicht leicht ist, darüber gut zu solieren. Versteh mich richtig: ich spiele auch viel Freejazz und ich liebe diese Musik, aber manchmal denk ich mir, es ist hipper eine geile Bassline mit drei Tönen zu spielen, als herumzufuddeln und es kommt dabei nur heiße Luft heraus. Letztendlich liegt es immer an den Musiker*innen, ob sie respektvoll miteinander musizieren und das Publikum miteinbeziehen. Das nennen wir dann Energie, wenn eine gute Spannung entsteht. Und das ist natürlich mit jeder Stilistik erreichbar.
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Man bekommt bei Durchhören der Nummern auch den Eindruck, dass es um den Gesamtklang der Band geht. Es wird nicht auf Teufel komm raus soliert und das eigene Können in den Vordergrund gerückt, sondern das Zusammenspiel und der musikalische Dialog.
Oliver Steger: Ja, genau! Das meinte ich mit respektvollem Musizieren. Außerdem finde ich Studioalben mit langen Soli etwas ermüdend, egal wie gut die Leute spielen. Ich denke mehr an die Songs und an den Bogen der im Spannungsfeld zwischen Lyrics und Solos entsteht. Live ist das etwas anderes, da kann das Publikum die Entstehung der Bögen auch besser nachvollziehen.
Was ebenfalls besonders heraussticht, ist dieser luftig leichte Sound, in welche die Nummern gehüllt sind und der für diese wunderbare laid back Stimmung und einen sehr eleganten Ton sorgt. Es wirkt fast so als würdet ihr verspielt durch eure Musik schweben. Und das trotz des instrumental wahnsinnig hohen Niveaus. Wie kommt diese Leichtigkeit in eure Musik?
Oliver Steger: Ich glaube, es liegt vor allem am Fender Rhodes und an der Art und Weise wie es von Lukas [Leitner; Anm.] gespielt wird. Lustigerweise war es gar nicht geplant, nur Rodes zu verwenden, aber im Feedbackstudio war grade kein aufnahmetauglicher Flügel verfügbar und ich wollte sowieso einige Nummern fix mit Rhodes machen. Deshalb entschlossen wir uns kurzerhand für den Fender und nahmen die ganze Platte so auf. Das war eine sehr gute Entscheidung: ich liebe den Klang, den wir uns mittlerweile erarbeitet haben.
Was hat dich/euch inspiriert? Die Nummern sind in ihrer Art sehr vielschichtig und weisen zahlreiche Verbindungen auch zu anderen Genres auf.
Oliver Steger: Am Anfang steht bei meinem Songwriting immer die Basslinie, da gibt es eine ganze Palette an Genres die immer wieder zum Zug kommen und die ich auch in anderen Kontexten (z.B. mit Café Drechsler) verwende. Somit war schon einiges abgedeckt, als die Grundstrukturen der Songs standen. Mit Franziska [Katzlinger; Anm.], die alle Texte gemacht hat, habe ich schon einige Monate vor dem Bandstart an den Songs gearbeitet und da kam dann die Erkenntnis, dass wir auch Spoken Word und Scatgesang verwenden können. So hat sich nochmal einiges an Möglichkeiten aufgetan, diese Songs weiter zu entwickeln.
Du hast mit Franziska Katzlinger, Lukas Leitner, Raphael Keuschnigg echte Könner an deine Seite geholt. Hast du sie ganz bewusst als Partner*innen auserkoren? Welchen Anteil hatte sie an der Entstehung dieses Albums?
Oliver Steger: Also diese Band und diese Leute haben den Produktionsprozess überhaupt erst möglich gemacht. Wie gesagt hat Franziska die Texte geschrieben, ohne sie wären die Songs instrumental und ich hätte vielleicht ein Instrumentalalbum gemacht. So ist aber eine totale Aufwertung dieser Musik passiert. Ich hatte mit Raphael schon mit S.O.D.A. gespielt, er ist für Konstantin eingesprungen, als der in Amerika war. Mit ihm wollte ich unbedingt einmal etwas aufnehmen. Raphael hat mir dann Lukas vorgestellt bzw. wir haben einmal zusammen mit Uli Drechsler gearbeitet. Raphael und Lukas sind zwei außerordentlich geschmackvolle, respektvolle und virtuose Musiker, es hat einfach gut zusammengepasst. Wir gingen dann auch mit relativ wenig Probenarbeit ins Studio und diese Session ging uns gut von der Hand. Franzi hat fast nur First Takes gesungen, alle waren fokussiert und engagiert… ein Traum! Außerdem waren noch zwei Gäste mit dabei: Niko Afentulidis und Lorenz Raab haben für die Session noch sehr coole Beiträge abgeliefert.
Ist Olive Grove als ein längerfristiges Projekt angelegt? Wir es unter diesem Namen noch weitere Alben geben?
Oliver Steger: Für mich ist das eine Working Band. Ich möchte mit Olive Grove gerne langfristig arbeiten. Es ist halt auch die Frage, wie sich die Dinge entwickeln: alle Musiker*innen haben andere Projekte, es kann sein, dass sich die Schwerpunkte der KollegInnen verschieben. Andere Faktoren gibt es auch noch: kann ich als Bandleader genug Arbeit anbieten, wird es genug Konzerte geben, usw.
Ich bin auf jeden Fall schon so lange im Geschäft, dass ich mit fast allen Szenarien einer Bandentwicklung umgehen kann. Mein Ziel ist es, die Band zu halten, auf jeden Fall werde ich aber versuchen, die Marke Olive Grove zu etablieren, und ich möchte damit einen Teil meiner musikalischen Ideen umsetzen.
Präsentiert wird das Album am 28. September in der Sargfabrik in Wien. Sind auch weitere Termine geplant bzw. auch eine kleine Tour?
Oliver Steger: Die Gigsituation ist momentan sehr angespannt, wie ich finde. Besonders für ein neues No Name Projekt. Ich bin am Checken, einige Sachen sind schon fixiert, manche werden immer konkreter… ich denke im Frühjahr wird es einiges geben. Tba!
Herzlichen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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Olive Grove live
18.11.22 Tiempo Nuevo, Wien
18.08.23 Wartenfelser Kulturforum, Thalgau
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