Das Wiener Duo FANTAST präsentiert mit seiner neuen EP “In & Out” einen modernen Stilmix, der im Ohr hängenbleibt und noch mehr Airplay verdienen sollte. Die Gebrüder GSCHWENDTNER crosszillieren zwischen Trip-Hop, Pop und tanzbarem Elektro. Sänger DANIEL GSCHWENDTNER traf sich mit Sebastian J. Götzendorfer zu einem Gespräch über Musik als Ventil, die Dynamik zwischen Brüdern, Backing Tracks und seinen polarisierenden Gesangsstil als Markenzeichen.
Wenn du eine Minute mit jemandem in einem Aufzug verbringen würdest, der noch nie von Fantast gehört hat, aber Interesse an deiner Musik zeigt – ein klassischer “Elevator Talk” -, wie würdest du eure EP erklären und beschreiben?
Daniel Gschwendtner: Der Ansatz dieser EP war, Songs zu schreiben, die stark für sich selbst stehen, aber trotzdem im Kontext einer EP funktionieren. Es sind aus einigen Ideen vier Songs übriggeblieben, die auch soundtechnisch gut harmonierten. Sie sind einerseits sehr unterschiedlich und vielfältig, gleichzeitig klingen sie zusammengefasst schön homogen. Thematisch geht es bei den drei von uns selbst geschriebenen Songs – neben dem Radiohead-Cover „Climbing Up The Walls“ – um ähnliche Dinge. Es geht um die Auseinandersetzung damit, was die Kunst, die wir mit Fantast machen, für unser eigenes Leben bedeutet.
Was bedeutet es für dich individuell genau?
Daniel Gschwendtner: Auf der einen Seite ist Musik der Ausdruck, der für mich emotional am besten funktioniert unter allen Kunstrichtungen. Und in weiterer Folge geht es um den Gedanken, dass man mit diesem bei sich selbst entdeckten Bewusstsein etwas ähnlich Emotionales bei anderen Menschen bewirken kann. Der „Drive“, der dahintersteckt.
Das heißt wiederum aus Künstlerperspektive Musik als Ventil, um die eigenen Emotionen zu verarbeiten?
Daniel Gschwendtner: Auf jeden Fall! Covid war eine schwere Zeit. Manche Dinge ließen sich da nicht umsetzen, wie man es sich vielleicht gewünscht hätte, aber auf der anderen Seite konnte ich beobachten, wie wichtig es eigentlich für mich ist, dass ich so etwas wie Musik als Ventil habe. Ich brauche diese Art des Ausdrucks. Musik ist das Sprachrohr, das für mich am besten funktioniert, um manche Sachen zu transportieren.
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„Musik ist das Sprachrohr, das für mich am besten funktioniert“
Der Interpretationsspielraum, den Songs und Lyrics in Bezug auf Emotionen sowie Themen bieten, ist immer interessant. Wenn man sich die aktuelle Fantast EP “In & Out” anhört, vermittelt sie mir persönlich eine Art Aufbruchsstimmung, zum Beispiel bei “Spark”. Es weckt bei mir Erinnerungen an Protestsongs.
Daniel Gschwendtner: Ja, genau das war in dem Fall sogar meine Intention.
Worum geht es in dem Song „Spark“ konkret?
Daniel Gschwendtner: Es geht um den „kleinen Gewissensbiss“, den man oft verspürt, wenn man zu passiv ist oder alles als gegeben hinnimmt. Es geht darum, sich da rauszuholen und zu realisieren, dass man selbst auch Teil der Gesellschaft ist und etwas zum Positiven verändern könnte. In weiterer Folge geht es um die Hoffnung, dass so etwas auch gelingen kann. Auf einer anderen Ebene kann es auch einfach um Gespräche gehen, die einen Funken bei einem entzünden.
Ich würde gerne eine der Gretchenfragen für Artists stellen: Gehört es für dich dazu, sich als Musiker:in auch gesellschaftspolitisch zu positionieren oder siehst du Musik als Kunst eher losgelöst von allen möglichen gesellschaftlichen Diskursen?
Daniel Gschwendtner: Diesen Song habe ich zum Beispiel nicht bewusst politisch angesiedelt, weil du vorher „Protestsongs“ angesprochen hast. Auch weil ich niemand bin, der gerne mit dem „Moral-Zeigefinger“ aufzeigt. Aber ich glaube, man kann sich als Musiker:in diesen Themen entziehen nicht. Und ich will das auch nicht. Es geht letztlich um die Art und Weise, wie man das umsetzt. Also konkret: „Spark“ ist nicht als politischer Song per se geschrieben worden, aber der Interpretationsraum dafür ist sicher da.
Ein roter Faden eurer EP und generell bei Fantast sind Titel, die sehr viel und gleichzeitig sehr wenig aussagen können. „Minimum“, „In & Out“, …
Daniel Gschwendtner: Ja, das ist durchaus bewusst. Für mich ist es auch interessant, dass sich während des Songwritings die Bedeutungen für mich selbst sogar ändern. Man kann das vermutlich auch kritisch sehen, dass es für manche Leute zu unkonkret ist. Aber für mich ist es im Prinzip auch ganz einfach die sprachliche Herangehensweise, mit der ich mich am wohlsten fühle.
Mir kommt vor aus Zuhörer:innenperspektive ist es eigentlich meistens ein Vorteil, weil es eine größere Projektionsfläche ist, auf der man sich zumindest mit irgendeinem Thema, das einen gerade beschäftigt, wiederfindet. Viele Pop-Songs sind ja auch groß betitelt. Ich würde euch dadurch auch einen gewissen Pop-Appeal zusprechen.
Daniel Gschwendtner: Den nehme ich gern an. [lacht]
Wenn man den “Elevator Talk” vom Beginn noch weiterspinnt und der Mensch fragt konkret, wie hört sich eure Musik an? Was ist das für ein Genre?
Daniel Gschwendtner: Fantast war schon immer ein Projekt, das versucht hat, mehrere Musikstile miteinander zu vereinen und einen eigenen Sound zu kreieren. Wir sind bestimmt sehr beeinflusst vom 1990er-Jahre Trip-Hop, vielen aktuellen Hip-Hop Artists aber bestimmt eben auch vom Pop.
Wenn man die EP mit unserem Erstlingswerk, dem Album, vergleicht, sind wir musikalisch bestimmt zugänglicher geworden. Das hat vermutlich auch damit zu tun, dass sich die Herangehensweise, wie ich Songs schreibe, verändert hat. Bei mir war früher oft der Beat das erste Element. In letzter Zeit habe ich aber wesentlich mehr Klavier gespielt, was dazu führt, dass ich jetzt öfter mit einer Melodie beginne. Das ist, denke ich, auch hörbar. Sicherlich hat sich mein Zugang auch durch die Zusammenarbeit mit Patrick Steinhuber – unserem Tontechniker – verändert, der mich auch in Bezug auf Gesang immer wieder herausfordert.
Danke für diese interessante Antwort, ich würde da gern nach und nach die Dinge aufgreifen. Zum Thema mit dem Genre: Ich habe versucht, beim Durchhören der EP einfach frei zu assoziieren, woran mich der Sound erinnert. Es war ein skurriler Haufen an Assoziation von Bilderbuch-Synthesizern bis zum kultigen „Drive“-Soundtrack von Kavinsky.
Daniel Gschwendtner: Da bin ich mit allem einverstanden. [lacht] Es ist immer interessant, welche Referenzen den Leuten einfallen.
Euer eigener Pressetext nennt zum Beispiel Fever Ray und Sleaford Mods. Sind das zwei eurer größten Einflüsse?
Daniel Gschwendtner: Mitunter sicher. Fever Ray hat – besonders was den Sound betrifft – definitiv einen Einfluss, angefangen bei “The Knife” bis hin zu den neueren Stücken. Andere Einflüsse könnten James Blake oder FKA Twigs sein.
„Ich wollte auch einfach eine Trademark haben.“
Weil deine Weiterentwicklung in Sachen Gesangsstil vorhin gerade thematisiert wurde: Wenn man Fantast zum ersten Mal hört, ist sicher der Gesangsstil von dir etwas sehr Außergewöhnliches, das in Erinnerung bleibt. Ich tue mir beinahe schwer, ihn zu beschreiben. Er ist sehr prägnant und hier ist es tatsächlich schwierig, einen Vergleich zu finden.
Daniel Gschwendtner: Er ist wahrscheinlich auch polarisierend. Das hat sich über die Jahre so entwickelt. Bei der Vorgängerband Koko war mein Singen noch ganz anders – die Stimme war viel tiefer angelegt. Mit Fantast habe ich dann auch versucht, mich von Koko abzugrenzen. Ich wollte auch einfach eine Trademark haben. Und einen Ausdruck, bei dem ich mich wohl fühle. Ich habe Hip-Hop für mich relativ spät entdeckt, was mich im Gesangsausdruck zu Beginn von Fantast sicher beeinflusst hat.
Hast du tatsächlich gesangliche Vorbilder gehabt über die Jahre?
Daniel Gschwendtner: Da tue ich mir gar nicht so leicht. Fever Ray würde ich trotzdem noch einmal erwähnen. Sehr interessant finde ich, wie Andre 3000 seine Vocals einsetzt oder auch Tricky. Dieser Style eben, der spoken words mit Melodien vermischt. Das war teilweise mein Ziel.
Ein anderes Thema: Hinter Fantast steckt ein Brüderpaar. Du und dein Bruder Mario Gschwendtner. Das heißt, auch auf der Bühne seid ihr zu zweit, was euer dichter Sound gar nicht vermuten lassen würde. Wie kann man sich eine Fantast-Show vorstellen?
Daniel Gschwendtner: Wir waren eigentlich nicht als Duo konzipiert, lange Zeit – so bis vor ca. zwei Jahren – waren wir ein Trio. Lange wussten wir nicht genau, wie sich die Reduktion aufs Duo genau auswirken würde. Letzten Herbst haben wir dann in Tschechien einige Gigs gespielt, wo sich das nach und nach ausgereift hat. Auch wenn man dazu stehen muss, dass bei uns in Sachen Backing Tracks aktuell vieles vom Band kommt.
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Das ist ja zum Beispiel im Hop-Hop absolut nicht unüblich. In Rock- und Indie-Musik-Kreisen hingegen ist es fast so ein bisschen verpönt. Ich finde dieses Spannungsfeld sehr interessant. Wieso ist das in einer Musikrichtung wie dem Hip-Hop völlig normal – und der Mensch der einen guten Beat gebastelt hat, wird trotzdem abgefeiert – wohingegen es eben in anderen Bereichen abgewertet wird?
Daniel Gschwendtner: Was mich zum Beispiel stört ist, wenn Bands versuchen, die Backing Tracks vom Band zu verbergen. Wenn man dazu steht, ist das, finde ich, kein Problem. Aber wir kommen ursprünglich aus dem Rock-Eck, weswegen wir manchmal damit hadern. Wir versuchen aber, die Energie zu transportieren, die so oder so auf einer Bühne entsteht.
Wie sieht jetzt das Live-Setting bei euch konkret aus?
Daniel Gschwendtner: Ich bin am Mikrofon und habe mit einem Freund, der selbst Effekte programmiert, ein Effektboard für die Vocals gebastelt. Mario hat ein Triggersystem für sein Schlagzeug – auf der Kick und der Snare – mit dem er Sounds ansteuert und auch ein PDX für weitere Sounds und eben die Tracks.
„Diese Kombination gibt mir auch den Freiraum mich körperlich und tänzerisch frei zu bewegen auf der Bühne.“
Wenn man euch also noch nie gesehen hat, kann man sich das fast wie einen Trip-Hop-Rapper mit einem Schlagzeuger als Backing-Musiker vorstellen? Eine Kombo, die es nicht oft gibt.
Daniel Gschwendtner: Ja, das trifft es eigentlich ganz gut. Und diese Kombination gibt mir auch den Freiraum, mich auf der Bühne körperlich und tänzerisch frei zu bewegen. Das ist für mich auch ein wichtiger Aspekt vom Live-Auftritt. Weil ich gern tanze. [lacht]
Du und Dein Bruder ihr macht bereits seit Ewigkeiten in unterschiedlichen Projekten gemeinsam Musik. Wie ist eigentlich die Dynamik, als Brüderpaar gemeinsam Musik zu machen?
Daniel Gschwendtner: Nicht immer einfach. Wir stehen uns generell nahe, wodurch dann natürlich auch ein Konfliktpotential vorhanden ist. Wir finden uns musikalisch aber immer wieder so zusammen, sodass wir sehr produktiv sind und unsere Stärken, die jeder mitbringt, ausspielen können. Das war sicher ein Prozess und der ist auch nie abgeschlossen. In Summe funktioniert es sehr gut.
Es wird ja letztlich auch einen Grund geben, warum ihr das schon so lange gemeinsam macht, oder?
Daniel Gschwendtner: Ja, weil wir niemand anderen gefunden haben [lacht laut]. Naja, es ist tatsächlich nicht so einfach, andere Musiker:innen zu finden. Wir haben uns immer wieder mal umgesehen. Für das, was wir mit Fantast machen wollen, braucht es, glaub ich, tatsächlich eine relativ hohe musikalische Offenheit und viele wollen das gar nicht so. Uns beiden ist das aber sehr wichtig!
Zum Abschluss: Bereits mit eurem ersten Album hattet ihr immer wieder Airplay auf FM4. Wenn du FM4 einen Song in die Dauerrotation aufzwingen könntest, welcher wäre es?
Daniel Gschwendtner: Ich finde eigentlich, sie sollten alle vier spielen! [lacht] Ich denke aber „Climbing Up The Walls“ – auch wenn es oder vielleicht weil es das Radiohead-Cover ist.
Und welcher ist der absolute Anspieltipp für potentielle neue Hörer:innen generell?
Daniel Gschwendtner: Den namensgebenden Track der EP nämlich „In & Out“ – die Nummer ist erstens tanzbar und transportiert zweitens eine gewisse Energie, die ich selber sehr gern habe.
Vielen Dank für das Gespräch!
Sebastian Götzendorfer
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