Mit seinen aufregenden Orgelimprovisationen, den ungläubig bestaunten vier Symphonien und seinen kritischen Gedanken zur Akzeptanz Neuer Musik gilt der Vorarlberger Komponist MICHAEL FLOREDO (47) als Vordenker, als Stachel im Fleisch des eingefahrenen Musikbetriebes. Nun lässt er im Interview mit der Forderung nach einer festen Quote für das aktuelle Musikschaffen aufhorchen.
Bei näherer Betrachtung des seit 1983 mittlerweile 50 Werke umfassenden Schaffens von Michael Floredo spürt man den ausgeprägt sakralen Charakter seiner größer besetzten Werke. Andererseits lassen sich in seiner Kammermusik im weitesten Sinne auch politische Bezüge erkennen, etwa in „Warning to the rich“ (2002) oder „Zeitspiegel“ (2005), das sich auf „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ und die Armut in der Welt bezieht. „Die Gedenktage zum Ersten Weltkrieg haben mich angeregt, einmal als Musiker über das Verhältnis zwischen Demokratie und Monarchie nachzudenken“, so Floredo. „Genau zum Ende der Monarchie 1918 brachte Arnold Schönberg ein völlig neues System heraus, das mit seinen zwölf gleichberechtigten Tönen genau der damals beginnenden Demokratie entsprach. Das ist für mich keine Revolution, sondern eine Evolution, die mit der Demokratie-Entwicklung ganz eng zusammenhängt. Diese wurde jedoch bald durch eine Diktatur niedergeschlagen, denn Hitler hat ganz genau gewusst, dass Musik, die zum Denken anregt, Gift ist für seine Politik.“
Inzwischen darf längst wieder gedacht werden. Doch wenn der Komponist Balduin Sulzer kürzlich in Ö1 meinte, dass Neue Musik heute noch immer nicht das Gewöhnliche repräsentiere, sondern das Fremde, dann fühlt sich Floredo ihm diesbezüglich seelenverwandt. „Die kulturpolitische Verantwortung lässt es zu, dass in unseren Konzerten zu 99,9 Prozent die Musik aus Monarchien wie in einer Endlosschleife mit großem Aufwand immer und immer wieder gespielt wird, und das war in keinem Jahrhundert der Musikgeschichte so ausgeprägt wie heute. Die Kulturpolitik erkennt nicht, dass neue Musik gerade in Zeiten einer kulturellen Durchmischung das Demokratieverständnis unterstützt und weiterentwickelt in einem Maß, wie es die Kunst eben kann. Dass nach der Chaostheorie der Flügelschlag eines Schmetterlings am anderen Ende der Welt einen Orkan auslösen kann. Die neue Musik wird in ihrem Wesen heute einfach nicht in einem gleichberechtigen Maß ernstgenommen.“ Dann kommt er auf den Punkt: „Ich möchte hier das Wort ‚Quote‘ ins Spiel bringen und es mit ‚Verantwortung‘ der Kulturpolitik gleichsetzen, ebenso mit der Forderung nach einem Verhältnis von 50:50 zwischen alter und neuer Musik im Konzertleben und in den Medien.“
Die Orgel war von Beginn an das geistige Zentrum seiner Arbeit, aus der Improvisation an diesem Instrument erwachsen Michael Floredo bis heute die Inspirationen für seine Kompositionen. Das neueste Werk für Orgel, Saxophon und Schlagwerk, „Kontemplation: Geist – nicht Geist“ wurde eben für die Uraufführung im Herbst bei den Basilikakonzerten Rankweil fertiggestellt. Ein Auftrag für die größte spielbare Kirchenorgel Österreichs, die Brucknerorgel in St. Florian, liegt von den Internationalen Brucknertagen für 2016 vor.
Bereits am Donnerstag wird im ORF Dornbirn ein älteres Werk Floredos aufgeführt, das 2001 für das Ensemble New Art von Fuat Kent entstanden ist und nun vom ensemble plus neu einstudiert wurde. „Für 13“ verlangt eine größere Besetzung mit Streichern, Bläsern, Klavier und Schlagwerk. „Es ist absolute Musik, ohne jedes Programm, auch wenn 13 eine interessante Zahl ist. Für mich ist Pythagoras mit seiner Proportionenlehre der eigentliche Vater der modernen Computertechnik. Seine These stimmt bis heute, dass sich alles, sogar das Gefühl, in Zahlenverhältnissen in der Musik darstellen lässt.“
Fritz Jurmann
Dieser Artikel ist zuerst in den „Vorarlberger Nachrichten“ erschienen.
Weitere Informationen über den Komponisten Michael Floredo:
www.musikdokumentation-vorarlberg.at