LEON LEDER aka ASFAST ist eine der vielversprechendsten Neuentdeckungen der österreichischen Clubszene. Die experimentelle Elektronik des jungen Grazers, der seit vielen Jahren in Wien lebt, begeistert mit abgespeckten, konzisen Tracks, in denen von Grime bis zu Trap unterschiedliche progressive Clubgenres verschmolzen sind. Das Resultat führt ein Eigenleben zwischen klanglichem Experiment und Tanzbarkeit. Im Interview mit Shilla Strelka erklärte der Künstler, welche Herausforderungen dieser Grenzgang birgt.
Sie haben sich musikalisch über die Jahre sehr stark entwickelt. Können Sie kurz beschreiben, welchen Lauf das genommen hat? Wie wurden Sie musikalisch sozialisiert? Haben Sie ein Instrument gelernt?
Leon Leder: Ich habe recht früh angefangen, Schlagzeug zu spielen, und habe auch einer Metal-Band gespielt. Gleichzeitig habe ich auch begonnen, elektronische Musik zu hören. Nachdem ich ein Programm zum Musikproduzieren installiert hatte, habe ich recht schnell das Interesse an der Band verloren und wollte allein weitermachen. Damals, mit 16, war ich recht angetan von Breakcore und Hardcore-Techno bzw. Trance. Langsam entwickelte ich eigene Vorstellungen von elektronischer Musik. Ich habe meine Inspiration nicht nur von Breakcore bzw. Dancefloor Music bezogen – eigentlich habe ich beim Produzieren nie einen Dancefloor vor Augen gehabt. Mir fällt immer wieder auf, dass sich eine bestimmte Art von Stimmung schon sehr früh in meiner Musik manifestiert hat. Die hat sich, glaube ich, gar nicht so verändert. Was sich wohl ständig verändert, sind die Struktur und das Gewand. Ich hoffe, diese werden sich immer verändern und sozusagen im Prozess bleiben.
„Ich möchte mit meiner Musik nichts Konkretes vermitteln.“
Ihre Tracks sind sehr emotional, sprechen die Zuhörenden unmittelbar an. Lassen Sie persönliche Eindrücke in Ihre Tracks einfließen? Lässt sich das auch im Kontext einer überdigitalisierten Welt lesen? Glauben Sie, das könnte der Ausdruck einer ganzen Generation sein?
Leon Leder: Ich weiß nicht, ob das der Ausdruck einer ganzen Generation ist. Ich möchte mit meiner Musik nichts Konkretes vermitteln. Prinzipiell stelle ich in meiner Musik eher Fragen, als dass ich Antworten gebe. Ich denke, dass das sehr individuell wahrgenommen wird. Da ich weder Texte in meiner Musik verwende, noch nach einem strikten Konzept produziere, ist das ganze wohl eher offen. Ich lasse jedenfalls nicht bewusst persönliche Eindrücke oder Erfahrungen in meine Musik einfließen. Das passiert bestimmt automatisch, aber ich setze mich nicht hin und denke mir, dass ich jetzt ein negatives Erlebnis in einem Track verarbeite. Ich selbst sehe da eigentlich nie einen Zusammenhang. Wenn, dann weist mich eine mir nahestehende Person darauf hin, dass ein bestimmter Track meine derzeitige Stimmung wiedergibt.
Hören Sie selbst viel Musik? Werden Sie von bestimmten Acts beeinflusst?
Leon Leder: Ich höre selbst viel Musik. In den Phasen, in denen ich viel produziere, höre ich eher Sachen, die meiner eigenen Musik, zumindest was das Genre betrifft, eher fernliegen, also viel Rap und Black Metal. Wenn ich gerade nicht so viel produziere, höre ich eher Sachen die, zumindest für mein Empfinden, in dieselbe Kerbe schlagen wie meine Produktionen. Es gibt jedenfalls ganz viele Acts, die mich in meiner bisherigen Laufbahn beeinflusst haben. Ich will gar nicht anfangen, welche aufzuzählen. Das sind aber bei Weitem nicht nur Acts, die aus der elektronischen Musik kommen. Das geht von Jazz über Klassik bis hin zu Pop. Wenn ich gerade offen bin, finde ich in fast jeder Musik Elemente, die mir potenziell als Inspiration dienen können.
„Ich will mich einfach selbst auch überraschen.“
Gleichzeitig reduzieren Sie Ihre musikalische Aussage auf etwas Essenzielles. Ihre Tracks wirken sehr minimalistisch. Wie sieht Ihr Produktionsprozess aus? Legen Sie Ihre Tracks schon so reduziert an oder abstrahieren Sie sukzessive, bis Sie zu einem Ergebnis kommen, das Sie zufriedenstellt?
Leon Leder: Meistens Letzteres. Ich weiß nicht, wie oft ich schon einen völlig fertig produzierten Track noch einmal komplett überarbeitet habe, sodass dann eigentlich nur noch Bruchteile vom Original übrig geblieben sind. Das ist fast schon Standard in meinem Arbeitsprozess. Ich will mich einfach selbst auch überraschen. Wenn ich an einem Track arbeite, baue ich oft Teile ein, die im ersten Augenblick vielleicht reißerisch oder gefällig klingen. Wenn ich den Track dann öfter anhöre, stellt mich das aber meistens nicht zufrieden und ich suche Wege, das zu abstrahieren. Es ist oft ein langwieriger Prozess, bis ich eine Lösung gefunden habe, in der Abstraktion und Greifbarkeit für meine Maßstäbe ausgeglichen sind, und ich den Track abschließen kann.
Ihre Musik lässt sich als progressive Club-Elektronik umschreiben. Sie rückt das Experiment in den Vordergrund und versucht nicht, ausgetretene Pfade zu gehen, sondern nach neuen Wegen zu suchen. Warum ist Ihnen das in Ihrer künstlerischen Arbeit wichtig?
Leon Leder: Das kann ich gar nicht so genau beantworten. Es langweilt mich einfach, Dinge zu reproduzieren. Ich lerne außerdem auch sehr viel über mich selbst, wenn ich mich auf unsicherem Boden bewege. Ich meine damit gar nicht so sehr persönliche Dinge, sondern eher die Art, wie ich Musik wahrnehme und etwas vermitteln will.
Ihr Release „Peace in Drifts“ ist gerade eben auf „Ventil Records“ herausgekommen, einem österreichischen Label für experimentelle Elektronik. Fühlen Sie sich da gut aufgehoben?
Leon Leder: Ich fühle mich deswegen bei „Ventil Records“ wohl, weil sich da derzeit alles formt und entwickelt. Das trifft auf meine Musik wahrscheinlich auch zu. Das finde ich gut. Vielleicht bin ich irgendwann an einem Punkt, wo ich glaube, dass ich das gefunden habe, was ich musikalisch gesehen für immer machen will. Derzeit ist mir diese Vorstellung ein Graus.
Das Label wird derzeit ausschließlich von Ursula Winterauer betrieben. Ich arbeite sehr gerne mit ihr zusammen und schätze den Austausch mit ihr. Ich glaube, es herrscht gegenseitig vollstes Vertrauen. Das hat mir sehr geholfen, als ich an meinem Album gearbeitet habe.
„Im Moment habe ich schon das Gefühl, dass es derzeit eher ein Miteinander als ein Gegeneinander ist.“
Wie nehmen Sie die Wiener Szene wahr? Gerade im Bereich der progressiven Clubmusik tut sich da in letzter Zeit ja einiges. Sind die Acts gut vernetzt?
Leon Leder: Ich denke schon. In Wien gibt es nicht so viele. Da lernt man sich früher oder später kennen. Im Moment habe ich schon das Gefühl, dass es derzeit eher ein Miteinander als ein Gegeneinander ist. Es gibt derzeit viele Leute, die versuchen die Grenzen zwischen Club und Konzert bzw. Performance zu brechen. Sowohl Veranstalterinnen und Veranstalter als auch Acts. Das finde ich gut. Ich fühle mich wohl hier.
Sie treten normalerweise im Club-Kontext auf. Welche Art von Konzentration muss oder sollte jemand Ihrer Musik entgegenbringen? Oder spielt das für Sie keine große Rolle?
Leon Leder: Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich mich nicht auf einem klassischen Club-Terrain befinde, das heißt, wenn die Leute nicht einfach nur tanzen und Drogen nehmen wollen. Ich bekomme mit, dass meine Musik schon eher als fordernd wahrgenommen wird. Klassische Konzertsituationen, womöglich sogar mit Bestuhlung, finde ich aber auch nicht passend. Da versteht das Publikum dann auch nicht, warum es jetzt bei meinem Konzert eigentlich sitzen muss. Alles bekommt dann eine gewisse Steifheit und einen Ernst, der gar nichts mit meiner Musik zu tun hat. Ich kann jedenfalls keine Empfehlung abgeben, welche Art von Konzentration jemand meiner Musik entgegenbringen soll. Die einzelne Person kann sich darauf einlassen und sich von meiner Musik mitreißen lassen, oder eben nicht. Oft ist das Setting gar nicht das ausschlaggebende Element, sondern bereit nur den Weg, auf dem sich die Leute auf die Musik einlassen können. Wenn sich das Publikum eine oberflächliche Unterhaltung wünscht und einfach abschalten und Spaß haben will, dann bin ich wahrscheinlich nicht der Act, den man buchen sollte. Also ein bisschen Konzentrationsbereitschaft ist für meine Shows schon notwendig.
Mit „Peace in Drifts“ erschien Ihr erstes Soloalbum. Wie lange haben Sie daran gearbeitet?
Leon Leder: Es ist mein erstes Soloalbum, das auch auf Vinyl erscheint. Aber ich habe bereits davor ein paar Alben selbst digital herausgebracht. Die Arbeit an „Peace In Drifts“ war ein recht schwieriger Prozess. Ich finde generell die Produktion von Alben recht fordernd. Das ist etwas anderes, als einfach einen Track zu machen oder gar ein Live-Set. Ich denke bei der Produktion von Alben schon sehr gesamtheitlich. Wenn einzelne Tracks gut sind, ja selbst wenn alle Tracks für sich gut sind, heißt das noch lange nicht, dass das Album für mich funktioniert. Drei Monate habe ich an dem Album produziert, was die intensive Phase bzw. die Ausarbeitung der Albumidee betrifft. Ich habe allerdings sehr viele Ideen und Spuren von Sachen darin verarbeitet, die teilweise viel früher entstanden sind. Alles in allem ist „Peace In Drifts“ in einem Zeitraum von circa einem Jahr entstanden.
Wie schwierig war es, das Album live aufzubereiten?
Leon Leder: Das Album in ein Live-Set zu packen war irgendwie schon schwierig. Im Endeffekt habe ich eigentlich nur drei Tracks davon auf eine Art verarbeitet, in der sie auch wiedererkennbar sind. Wobei ich viele Spuren von einzelnen Tracks des Albums sehr wohl reingepackt habe. Bestehende Tracks für ein Live-Set aufzubereiten finde ich oft schwierig. Ich will sie einfach nie genau so spielen, wie ich sie produziert habe, weil das meist keinen Spaß macht. Ich suche Wege, sie so aufzubereiten, dass ich mehr Freiraum für spontane Eingriffe habe. Dass nicht nach dem vierten Takt dann unbedingt der Drop oder was auch immer kommt, sondern dass das Ganze ein bisschen undurchsichtiger wird und ich dann nach Gefühl entscheiden kann, wann ich etwas kommen lasse. Wenn das in der Vorbereitung gut gelingt, macht es auch vielmehr Spaß, die Tracks live zu spielen.
Mit welchem Equipment arbeiten Sie?
Leon Leder: Live verwende ich den Octatrack und einen Midi-Controller, mit dem ich diesen steuere. Dazu noch Effektpedale, die je nach Auftritt und Set variieren. Zum Produzieren verwende ich derzeit einen FM-Synth, der durch diverse Pedale geht, in den Octatrack und dann auf Tape aufgenommen wird, bevor ich das Ganze dann wieder digitalisiere und dann mit Renoise [einer Tracker-Software; Anm.] zu Tracks verarbeite. Außerdem verwende ich auch recht viel Recordings, die ich selbst gemacht habe. Ich scheue aber auch nicht davor zurück, auf bestehende und altbewährte Sample-Banks zuzugreifen wie zum Beispiel den TR-808.
Warum nehmen Sie das vorher auf Tape auf?
Leon Leder: Auf Tape aufzunehmen bedeutet für mich nicht gleich, dass etwas ungeschliffen klingen muss. Ich mag die Art, wie das Tape die Obertöne von synthetischen Sounds verarbeitet. Das klingt irgendwie weicher und nicht so kantig. Außerdem klingen manche Sachen auch viel organischer.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Shilla Strelka
Asfast wird im Rahmen des Hyperreality Festivals am 24.6. live zu erleben sein.
Links:
Asfast
Asfast (Facebook)
Asfast (Soundcloud)
Ventil Records