JULIA HOFER ist eine der besten und vielseitigsten Bassistinnen des Landes. Ob im Jazz, dem ZDF-EM-Studio oder im Musical, sie ist auf fast allen Bühnen zuhause. Viele kennen sie auch von Youtube, wo auf dem Channel des Instrumentenhändlers THOMANN ihre Videos regelmäßig von Hunderttausenden angeklickt werden. Markus Deisenberger verriet sie, was sie mag und wofür sie gemocht werden will.
Bei Dir fällt diese riesige Bandbreite auf. Einen Abend spielst Du mit Tonc Feinig bei den Donnerszenen in Klagenfurt Jazz, den Abend darauf in Wien in einem Musical. Wie kriegt man das unter einen Hut?
Julia Hofer: Gerade die letzten Wochen war es sehr stressig, weil ich viel in Deutschland war. Viel Hin- und Herfahren also. Aber ich finde es spannend, so viel Abwechslung zu haben, sowohl musikalisch als auch stilistisch. In Köln etwa, wo ich meinen Bachelor machte, lernte ich völlig neue Musik kennen.
Kölsch Rock á la BAP?
Julia Hofer: Lustig, dass Du das sagst. Tatsächlich habe ich gemeinsam mit Helmut Krumminga, dem langjährigen Gitarristen von BAP, in der Band von Frank Schätzing gespielt. Die kommen eher vom Rock, “oldschool”, haben das richtig drin. Obwohl eigentlich nicht meine Richtung, war das wirklich super.
Was würdest Du als Deine Richtung bezeichnen?
Julia Hofer: Das ist stimmungsabhängig. Ich liebe Funk. Bei allem, was groovt, bin ich voll dabei. Aber die Abwechslung macht´s.
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Du gestaltest für den Online-Instrumentenhändler Thomann einen Youtube-Channel. Wie kam es dazu?
Julia Hofer: Ich studierte gerade in Mannheim und erfuhr, dass sie einen Youtube-Host suchen. Ich wollte viel ausprobieren, Neues kennenlernen, also bewarb ich mich, wurde kurz darauf zu einem Probevideo eingeladen und bekam den Job. Mittlerweile geht das jetzt schon drei Jahre. Es gibt an über hundert Videos. Anfangs habe ich sehr viel “Gear” und neue Bässe vorgestellt und beschrieben, wie sie sich für mich anfühlen. In der Corona-Zeit hatte ich nicht so viele Bässe zur Verfügung, da ging es mehr um die Musik, die mir wichtig ist: Meine Top 5-Basslines etc.
Wie läuft das technisch ab?
Julia Hofer: Einmal im Monat fahre ich für zwei, drei Tage rauf nach Treppendorf, und da entstehen gleich ein paar Videos. Da ich meine Skripte selbst schreibe, ist das echt viel Arbeit. Und es bedarf einer intensiven Vorbereitung für die Videos. 5 Basslines perfekt zu spielen – das braucht schon seine Zeit. Aber es macht unheimlich viel Spaß, und im Zuge der ganzen Recherche lernt man auch viel. Oder wusstest Du, dass einen Kool & the Gang Song der Roadie eingesungen hat?
Nein.
Julia Hofer: Siehst Du. Aber solche Fakten sind sehr interessant, finde ich.
Du spielst auch im Orchester der Vereinigen Bühnen Wien Musicals. Irgendwie muss man auch seine Rechnungen zahlen, oder?
Julia Hofer: Das auch, aber es ist auch unheimlich spannend, weil ich ursprünglich ja vom Cello komme. Es war deshalb toll für mich, wieder in einem Orchester zu spielen. Cats oder Miss Saigon – ich genieße das.
Wie lange kann man die Bandbreite halten? Hast Du nicht das Gefühl, dich irgendwann mehr festlegen zu müssen?
Julia Hofer: Nein, gar nicht. Ich mache das, was mir Freude macht. Wenn ich das Gefühl habe, es passt nicht mehr, würde ich mir überlegen, ob ich ein bestimmtes Genre oder mit einer bestimmten Band nicht mehr weitermache. Aber das war bis jetzt noch nicht der Fall.
Wie kamst Du überhaupt zum Bass?
Julia Hofer: Ich habe mit acht Jahren begonnen, Cello zu spielen. Mit sechzehn wollte ich dann ein zweites Instrument lernen, um andere Stilrichtungen bedienen zu können. Obwohl ich einen sehr offenen Lehrer hatte, bist du mit dem Cello halt sehr auf Klassik festgelegt. Als ich meinem Vater verriet, dass ich gerne Schlagzeug lernen würde, meinte der nur: „Sicher nicht. Das ist laut und du musst so viel herumschleppen. Aber schau dir doch den E-Bass einmal an. Da kannst Du vom Cello viel mitnehmen.” Ja, und das habe ich mir dann angesehen und es hat mich gleich gefesselt.
Was zum Beispiel?
Julia Hofer: „The Chicken” von Jaco Pastorius.
„Ich höre so eine Bassline und pushe ich mich dann da hin.“
Du bist also gleich auf dem allerhöchsten Level eingestiegen. Ist das nicht eher entmutigend, als Anfänger jemandem wie Pastorius beim Spielen zuzusehen?
Julia Hofer: Überhaupt nicht. Ich bin eine sehr ehrgeizige Person und habe mir gleich gedacht: Das möchte ich auch mal können. Es hat mich total motiviert, Nummern von Pastorius oder Victor Wooten zu hören. Ich höre so eine Bassline und pushe ich mich dann da hin. Das war immer mit einer großen Neugier verbunden.
Und die Entscheidung, es beruflich zu machen – fiel sie Dir leicht?
Julia Hofer: Ganz und gar nicht. Das war für mich eine sehr schwierige Entscheidung. Nach einem Jahr Medizinstudium ging es aber plötzlich rund bei mir. Ich dachte mir: Wenn ich es nicht jetzt mache, dann nie mehr. Also hab ich es gemacht. Heute bin ich froh, mich so entschieden zu haben.
Du hast Dich also für das Instrument, für die Musik und die brotlose Kunst und gegen die vermeintliche Sicherheit eines medizinischen Berufs entschieden?
Julia Hofer: Wenn man so will, ja. Wobei ich damals nicht freiberuflich tätig sein wollte. Nie. Erst jetzt könnte ich mir es vorstellen, mit 19 oder 20 nicht. Da wollte ich mehr Sicherheit.
Wer ist Dein Lieblingsbassist?
Julia Hofer: Eine schwere Entscheidung, aber ich würde Pino Palladino nehmen, weil er so vielseitig ist. Der spielt Jazz mit Dominic Miller, Pop mit Tears for Fears. Auf seiner letzten Platte spielt er eine bundlose spanische Kontragitarre. Umwerfend.
Hast Du schon einmal überlegt, zum Bassspiel zu singen wie etwa Sting?
Julia Hofer: Ja, das würde mich schon reizen, aber die Entwicklung einer Stimme braucht Zeit. Helmut Krumminga und Frank Schätzing haben mich mit Suzi Quatro bekannt gemacht. Die kannte ich vorher nicht. Cool, was die macht. Einzigartig.
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Suzi Quatro war auch für ihre hautengen Overalls bekannt. Hattest Du als weibliche Bassistin eigentlich jemals mit Sexismus zu kämpfen?
Julia Hofer: Nicht wirklich. Für mein erstes Video, ein Cover von Michael Jacksons „Get on the floor”, wollte ich mich eben nicht knapp anziehen. Ich habe vorher Bassistinnen auf Youtube studiert, die viele Klicks hatten. Musikalisch war das meistens nicht besonders, aber alle kleideten sie sich sexy. Ich wollte das Gegenteil: Anerkennung dafür, dass ich gut bin, nicht weil ich knappe Sachen trage. Und es hat funktioniert. Das Video wurde auf Facebook sechs Millionen Mal geklickt. Manchmal gibt es schon Kommentare, die in eine Richtung gehen, aber das prallt an mir ab. Fokus ist das Bassspiel. Ich will gebucht werden, weil ich gut spiele und einen eigenen Stil habe.
Wie kann man Deinen Stil beschreiben?
Julia Hofer: Schwer. Der ist immer noch am Wachsen.
Dein nächstes Projekt?
Julia Hofer: Ein Trio mit dem deutschen Jazz-Gitarristen Hanno Busch, der lange bei Stefan Raabs Hausband Heavytones gespielt hat. Mit ihm und einem Schlagzeuger haben wir uns zusammengetan und nehmen gerade auf.
In welche Richtung geht das?
Julia Hofer: Schwer zu sagen. Das Projekt ist noch sehr frisch. Derzeit haben wir vier, fünf Songs und wissen auch noch nicht, wie wir uns nennen. Wir haben uns oldschool drei Tage lang in einem Raum vom Hanno Busch eingesperrt und gemeinsam Musik gemacht. Eine tolle Erfahrung. Wir haben einfach drauflos gespielt und geschaut, wo es hingeht. Das nächste Mal gehen wir in eine andere Richtung, probieren. Wir nehmen die Sessions auf, und was uns gefällt, schneiden wir raus und arbeiten weiter dran.
Wie bist Du auf Hanno Busch gestoßen?
Julia Hofer: Ich habe einmal vor dreieinhalb Jahren ein Konzert mit ihm gespeilt. Auf einmal hat er mich gefragt, ob ich Lust hätte, bei der EM-Band mitzumachen. Der kennt super Bassisten. Dass er mich gefragt hat, hat mich sehr gefreut.
Herzlichen Dank für das Interview!
Markus Deisenberger
Julia Hofer hat Bass in der Musikschule in Spittal a d Drau gelernt. Sie studierte in Wien, Köln und Mannheim. Heute ist sie als Bassistin international gut gebucht und unterrichtet an der Gustav Mahler Privatuniversität. Sie lebt in Wien.
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