Im Jahr 2023 ist das erste Album von BAD IDA erschienen, auf „Hope Less“ folgt jetzt Album Nummer 2: „Ending Things“. Jürgen Plank hat mit Sängerin INES DALLAJI darüber gesprochen, was sich seit dem ersten Album getan hat und nachgefragt, ob es ihrer Meinung nach schwieriger ist, etwas zu beenden oder etwas Neues zu starten. Die Songs fürs neue Album wurden von allen Bandmitgliedern gemeinsam arrangiert, das Songwriter-Trio besteht neben INES DALLAJI aus dem Gitarristen ALEX LAUSCH und dem Multiinstrumentalisten MARC BRUCKNER. Zudem erzählt INES DALLAJI von einem Aufenthalt in New Orleans, bei dem sie Wertschätzung und Respekt unter Musiker:innen beobachtet hat. In Zukunft könnte es auch mit einem Auftritt in Louisiana klappen, schließlich spielen BAD IDA ihre eigene Mischung aus R & B, Blues, Rock und Soul und bewegen sich somit im Feld Americana.
Mit dem ersten Album positioniert sich eine Band künstlerisch und es stellt sich beim zweiten Album die Frage, ob man einen ähnlichen Weg weiter geht oder neue Ansätze versucht. Wie seid ihr vorgegangen?
Ines Dallaji: Das Songwriting ist ähnlich leicht von der Hand gegangen und hat auch ähnlich funktioniert. Wir, die drei Hauptsongwriter:innen, haben die Lieder miteinander entwickelt: Marc Bruckner, Alex Lausch und ich. Der Unterschied zum ersten Album ist, dass wir das Album live im Studio eingespielt haben. Wir haben die Nummern als Band eingespielt und nur ein paar Overdubs gemacht. Auch die Vocals stammen hauptsächlich von den Live-Sessions. Im Unterschied zum ersten Album geht man vielleicht mit weniger Erwartungen an die Sache heran. Man hat sich, wie du sagst, schon positioniert, in den Genres, die man macht. Trotzdem ist noch viel offen und ein neues Album ist ein weiterer Schritt, im Versuch noch mehr Menschen zu erreichen und nicht das Ende von allem, obwohl das Album „Ending Things“ heißt.
Habt ihr euch, etwa mit den Chören am Anfang, einen überraschenden Einstieg ins Album überlegt?
Ines Dallaji: Chöre waren uns immer schon wichtig, beim ersten wie beim zweiten Album. Das Chor-Intro war ein nachträgliches Overdubbing und lustigerweise ist das die Nummer, die am längsten zum Ausreifen gebraucht hat. Aber ich glaube sie hat ihren Platz am Album gut gefunden. Sonst hat sich beim Songwriting nicht viel geändert, bei mir ist es immer so: wenn die musikalischen Ideen nicht von mir sind, sondern von den Kollegen, dann habe ich immer relativ schnell Textideen, sofern ich einen Bezug zur Musik herstellen kann. Das geht immer sehr schnell Hand in Hand. Wir wollten uns stilistisch nicht verändern, das war nicht der Plan. Es war eher der Gedanke da, ein bisschen roher zu werden, deswegen haben wir das Album live eingespielt. Sonst bleiben wir uns und unserem Handwerk treu.
„WIR MACHEN KUNSTHANDWERK, WÜRDE ICH SAGEN. WIR MACHEN KEINE MUSIK, DIE EINER GERADE AKTUELLEN MODE ENTSPRICHT“
Was ist seit dem ersten Album bzw. dank des ersten Albums passiert? Was waren Highlights für dich?
Ines Dallaji: Unsere Highlights sind in erster Linie die Live-Konzerte. Wir merken, dass wir die Musik live gut umsetzen können und das wissen die Veranstalter:innen. Für uns ist unser Netzwerk wichtig, weil wir keine Band sind, bei der die Medien angelaufen kommen. Bei uns beruht sehr viel auf persönlichen Kontakten und Mundpropaganda: jemand hört uns, findet die Musik cool und erzählt das weiter. Darauf bauen wir unsere Band auf und da schließt sich wieder der Kreis zur Albumproduktion: wir machen Kunsthandwerk, würde ich sagen. Wir machen keine Musik, die einer gerade aktuellen Mode entspricht. Genauso legen wir die Albumproduktion auch an: wir machen mit Hilfe unseres Labels Konkord kleine Vinyl-Auflagen und die wollen wir so ansprechend wie möglich an die Fans unserer Musik bringen. Und das ist uns schon gelungen, auch mit Hilfe von einigen guten Medienstimmen.
Weil du gerade von Mundpropaganda gesprochen hast: somit sind wir bei einem der neuen Lieder gelandet, nämlich bei „Age Of Likes“.
Ines Dallaji: Das ist ein bisschen meine Abrechnung mit social media. Denn wenn man ein Bandprojekt zu promoten beginnt, kommt man natürlich auf die sozialen Medien und man glaubt, dass man zum Beispiel durch facebook und instagram Reichweite generieren wird. Nur ist das mittlerweile nicht mehr so einfach, denn man wird zugemüllt mit Inhalt und es ist nicht die Qualität, die sich durchsetzt, sondern es ist wieder Mal das Geld, das sich durchsetzt. Wenn ich das passende Promo-Budget habe, um etwas zu pushen, dann wird es sich durchsetzen. Irgendwann habe ich gemerkt, dass all das unsere Arbeit und unser Musikmachen nicht so stark beeinflussen kann, wie bei anderen, weil unsere Musik nicht auf dieses game ausgelegt ist.
Wie habt ihr diese Problematik gelöst? Verzichtet ihr auf die Präsenz eher oder spielt ihr ein bisschen weiter mit?
Ines Dallaji: Ja, also ich spiele ein bisschen weiter mit, aber das heißt im Durchschnitt ein oder zwei Postings pro Monat und das ist für mich schon eher eine Überwindung. Ich versuche die Leute bei den Konzerten eher mit dem Newsletter zu catchen. Ihnen zu erzählen, dass der Newsletter etwas Persönliches von mir ist und man dort die aktuellen Informationen über uns bekommt. Ich glaube, dass der beste Weg eine direkte Verbindung zu den Interessierten ist.
Das Album trägt den Titel „Ending Things“. Inwiefern ist es schwieriger etwas zu beenden als etwas Neues zu beginnen?
Ines Dallaji: Es ist sicher einfacher etwas Neues zu starten ohne etwas anderes abzuschließen. Manchmal muss man Dinge abschließen, um etwas Neues beginnen zu können. Denn solange man etwas nicht abschließt, wirkt es nach. Das betrifft Hoffnungen, das betrifft Wege, die man einschlägt und bei denen man draufkommt, dass sie nicht die richtigen Wege waren. Das kann auch auf ein Musikprojekt bezogen sein: Ich muss den Weg finden, der für mich passt, der für meine Kunst und mein Leben passt. Und daraus ergeben sich dann neue Dinge.
„DAS LIED „I STILL MISS YOU“ IST FÜR MEINEN GROSSVATER, DER IN MEINEM LEBEN DIE ROLLE DES VATERS ÜBERNOMMEN HAT“
Das Lied „I still miss you“ befasst sich mit dem Thema Tod, welchen Blickwinkel hast du gewählt?
Ines Dallaji: Das Lied „I still miss you“ ist für meinen Großvater, der in meinem Leben die Rolle des Vaters übernommen hat. Er war mehr für mich da als mein eigener Vater. Er ist gestorben als ich ungefähr 20 Jahre alt war und es war mir ein Anliegen, den Tod musikalisch zu verarbeiten. Viele können sich damit identifizieren, weil fast jeder schon Menschen im Umfeld verloren hat.
Eine Zeile im Song lautet wie folgt: „I never really understand why our lifes must end“. Der Dalai Lama hat mal gesagt, er habe geträumt 113 Jahre alt zu werden. Inwiefern verweist so eine Zeile auch auf die so genannte Kryonik, bei der es um ein Einfrieren und um die Verlängerung des Lebens geht?
Ines Dallaji: In Bezug auf mein eigenes Leben nicht. Das klingt jetzt irgendwie komisch, wenn ich sage, dass ich nicht an meinem eigenen Leben hänge. Es ist jetzt nicht so, dass ich mich vor meinem eigenen Tod fürchte. Aber der Gedanke, dass man andere Menschen verliert, dass die plötzlich nicht mehr da sind, ist schwer zu fassen. Und man merkt es auch daran, wie es einem geht, wenn man schon Leuten verloren hat und drauf kommt: die sehe ich nie wieder.
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Das Album ist allen gewidmet, die mit dem Herzen sehen können. Das ist ein Zitat aus dem Buch „Der kleine Prinz“. Wieso habt ihr dieses Zitat gewählt?
Ines Dallaji: Der Verweis zum Buch war nicht bewusst, aber das ist natürlich ein Satz, den man kennt und der räsoniert dadurch in einem. Ich habe es passend gefunden, diesen Satz auf unser Album umzulegen. Denn man muss sich beim Hören unserer Musik schon emotional auf den Inhalt einlassen wollen. Das ist keine reine Partymusik, die keine Gefühle vermittelt. Der Inhalt unserer Musik ist emotional und reicht von melancholisch bis aufbauend. Es gibt auch Mut machende Elemente und das sind einfach Dinge, die das Herz ansprechen und nicht in erster Linie das Tanzbein. Das Zitat haben wir nicht bewusst mit dem kleinen Prinzen verbunden. Die Frage ist, woher Antoine de Saint-Exupéry das hat, wahrscheinlich ist das ein oral traditierter Spruch im Französischen.
Die Single-Auskoppelung „Remember my love to you“ spricht toxische Beziehungen an. Was ist die Geschichte hinter diesem Lied?
Ines Dallaji: Unser erstes Album war zum Großteil die Verarbeitung meiner ersten Ehe, die ja leider sehr toxisch war. Das war eine Gewaltbeziehung, die ich mit dem ersten Album aufgearbeitet habe. „Remember my love to you“ ist für mich der Rest zu diesem Thema. Das, was noch hinausmusste. Es ist der Abschlussmit dieser Thematik. Man wird sich immer daran erinnern und es wird immer schmerzen, aber irgendwie geht es weiter und man widmet sich dann auch anderen Themen. Deswegen zieht sich der Faden auch nicht durch das zweite Album, sondern es geht um andere zwischenmenschliche und aufs Leben bezogene Erfahrungen und Gedanken.
Gesellschaftspolitisch kann man sagen, dass jede dritte Frau Gewalt in Beziehungen erfährt und auch in Österreich gibt es immer wieder Femizide. Welche Lösungen würdest du sehen?
Ines Dallaji: An Femizide habe ich nicht gedacht, es geht wirklich um meine persönliche Erfahrung. Wenn ich an einen Ort zurückkehre, an dem ich mit dieser Person war, werde ich immer an diese Person erinnert werden. Das ist der Kern des Liedes. Diese toxische Männlichkeit ist natürlich tragisch und allgegenwärtig.
Wie erlebst du als Musikerin Gleichberichtigung in der Kunst?
Ines Dallaji: Man muss sich gesellschaftspolitisch noch mehr darum bemühen, dass sich Frauen ebenso gleichwertig wie Männer fühlen. Das betrifft auch die Kunstwelt. Dass Frauen in Kunst und Kultur genauso präsent sind wie Männer. Dass man es als Frau nicht schwerer hat als ein Mann. Du wirst als Künstlerin, die auf der Bühne steht, ganz anders beurteilt als ein Mann. Wenn du nicht 20 Jahre alt und jung und hübsch bist, ist es eigentlich eh schon vorbei. Wenn man sich noch mehr bemüht gegen diese Unterschiede anzukämpfen, die zwischen den Geschlechtern gemacht werden, führt das vielleicht individuell zu mehr Selbstbewusstsein und zu weniger Gewalterfahrungen.
Wie könnte es in der Musikszene besser laufen?
Ines Dallaji: Ich war letztes Jahr in New Orleans und dort ist extrem viel Talent zu sehen. Musiker:innen sind durchwegs talentiert und unterstützen einander gegenseitig. Fördern das Talent der Kolleg:innen, loben einander. Talent zu haben und musikalisch zu sein, ist dort etwas Gutes. Bei uns ist Talent eher eine Nebensache. Vor kurzem habe ich von einem Musikredakteur zu irgendeinem Album gelesen: Das ist besser als 93 Prozent der restlichen österreichischen Musik, wird es daher nie ins Radio schaffen. So empfinde ich den Umgang mit musikalischen Stärken bei uns.
Cool, in New Orleans war ich auch mal, dort gibt’s natürlich viel Live-Musik. Habt ihr in New Orleans auch gespielt?
Ines Dallaji: Nein, aber mit unserer Musik, die ja aus dem Americana-Kosmos ist, wäre es möglich dort zu spielen. Eine kleine Tour zu machen, würde wohl funktionieren. Wir müssten uns so eine Tour wahrscheinlich selbst aufstellen, Kontakte knüpfen und selbst finanzieren. Für unsere Genres gibt es in Europa leider keine Show-Case-Festivals. Es ist alles sehr auf Indie-Pop fokussiert. Dass wir jetzt bald am Waves-Festival spielen freut uns sehr und wir sind dort wahrscheinlich ein musikalischer Ausreißer.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Bad Ida live:
02.10.2025: Waves Vienna Festival, Loop
07.11.2025: Sargfabrik Wien (Albumpräsentation)
28.11.2025: VinylTon & Schlachthof Wels (mit Mary Broadcast)
29.11.2025: Schallter Wien
19.02.2026: Dachbodentheater Bruck/Mur
20.02.2026: Music-house Graz (mit The Ghost And The Machine)
14.03.2026: Schlot Linz
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