DANIEL MEUZARD ist Produzent, Unternehmer, Vorarlberger. Und einer, der als FEATER hervorragende elektronische Musik veröffentlicht. Zuletzt erschien mit „Obsolescence” sein neues Album auf Running Back(VÖ: 02.10.2025). Wer sich ein bisschen mit anständiger Clubmusik auskennt, weiß: gutes, ja, ebenfalls hervorragendes Label. Was es außerdem mit 445 Einwohnern zu tun hat und warum ein Auto auch in Zukunft vor dem Haus steht? Hat MEUZARD mit Christoph Benkeser in einer Wiener Aida-Filiale besprochen.
Du bist von Wien in deine Heimat Vorarlberg zurückgezogen. Warum?
Daniel Meuzard: Wegen meiner Familie. Aber auch für mein neues Projekt: den Walgaublick. Es ist ein altes Gebäude aus den 50er Jahren. In der 450-Einwohner-Gemeinde Düns. Früher haben dort Veranstaltungen stattgefunden. Jetzt gehört es mir. Mit Mara Oldofredi habe ich dort zuletzt auch sein Mietze-Conte-Album aufgenommen. „Venom” von Beaks ist auch im Walgaublick entstanden …
Hört sich an wie ein neuer …
Daniel Meuzard: Hotspot, ja! Das Haus hat 400 Quadratmeter, es ist riesig. Die vorherige Eigentümerin hat es nicht mehr gestemmt und mich also gefragt, ob ich es kaufen will. Ich habe die Finanzierung aufgestellt. Und gerade auch einen Verein dafür gegründet, weil: Das Projekt ist zweckorientiert und hat eine Gemeinwohlkomponente. Es gibt Platz für über 100 Leute. Der Walgaublick soll eine Mischung aus privat und öffentlich sein.

Warum gerade in Düns?
Daniel Meuzard: Ich bin ganz in der Nähe aufgewachsen, kenne die Vorteile: Der Walgaublick hat keine unmittelbaren Nachbarn. Wir können dort also eine fette Anlage aufbauen und die ganze Nacht durchscheppern. Außerdem gibt es Parkplätze. Und: Wir haben eine alte Gasthauswidmung.
Das soll es offensichtlich werden, ein Gast-Haus?

Daniel Meuzard: Ja. Auch weil Vorarlberg Potenzial hat. Es ist Peripherie, klar. Aber ich merke, dass was geht. Es erinnert mich an die Zeit, als ich Anfang der 2000er nach Wien gekommen bin. Damals war hier mehr möglich als heute. Wir haben auf Flohmärkten und sonst wo veranstaltet, einfach gemacht. Heute musst du unzählige Auflagen erfüllen …
Bleiben wir kurz in der Vergangenheit. Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?
Daniel Meuzard: Das Interesse dafür war schon in Vorarlberg da. Ich war nach der Schule ein halbes Jahr in Brighton, habe interessante Leute kennengelernt. Wir waren auf Partys in alten Lagerhäusern, sind dafür auch nach London gefahren. Dann kam ich nach Wien. Es war verschlafen, aber irgendwie spannend. Ich habe meine ersten Synthesizer gekauft. Immer produziert. So ging es los.
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Die Synthesizer sind bis heute geblieben.
Daniel Meuzard: Über die Jahre ist einiges zusammengekommen, ja. Ich habe mich beim Umzug nach Vorarlberg aber auch reduziert – dabei hätte ich im Walgaublick mehr Platz als zuvor in Wien.
Als Feater produzierst du seit Jahren elektronische Musik. Mit „Time Million” gelang dir vor ein paar Jahren ein, wie sagt man: Underground-Hit.
Daniel Meuzard: Damals kamen die richtigen Leute im richtigen Moment zusammen.Vilja Larjosto hat gesungen. Ich war mit Guiseppe Leonardi im Studio. Auf einmal spaziert Eric Owusu herein, hört den Track – und klopft live die Percussions. Später hat dann Tyler, the Creator den Track entdeckt und gepostet … Aber: Das ist alles hinter mir und ich schaue nicht zurück. Das ist auch das Schöne an der Zusammenarbeit mit Mara. Ich habe durch ihn eine neue Perspektive bekommen.
Wie seid ihr zusammengekommen?
Daniel Meuzard: Wir haben uns 2021 kennengelernt. Er hat damals noch als Filous Musik gemacht und kam auf mich zu, weil: Für ihn stand ein Album bei Columbia Records aus. Er hat mich also gefragt, ob ich mit ihm das Album fertig machen möchte. Haben wir getan. Das hat uns connected.
Mara hat auch auf deinem aktuellen Album „Obsolescence” mitgetan.
Daniel Meuzard: Dabei konnte ich in letzter Zeit wenig produzieren, weil ich eine Verkalkung in meinem linken Ohr bekommen habe. Es fühlt sich die ganze Zeit dumpf an. Deshalb habe ich länger nichts gemacht, alles auf 2026 verschoben. Vielleicht ist das ganz gut. Eine Pause zu machen. Distanz zu bekommen … Ich habe nur das Album fertig gemacht. Nicht weil ich musste, sondern weil ich es einfach beenden wollte. Ich mag einfach nichts auf der Festplatte liegen lassen.
Du veröffentlichst bei Running Back. Wer ein bisschen was mit Clubmusik zu tun hat, weiß: Das ist ein ziemlich gutes Label von Gerd Janson? Wie läuft das mit ihm?
Daniel Meuzard: Mit ihm ist es super. Ich schreibe, dass ich was fertig habe. Er hört es sich an. Dann steht schon das Cover. Mega unkompliziert.
Wie habt ihr euch kennengelernt?
Daniel Meuzard: Ich habe das Musikgeschäft Wavemeister betrieben. Er hat immer wieder bei mir gekauft. Irgendwann habe ich gefragt: Kann ich dir eine Demo schicken? Er hat das angehört und war so: „Geil!” Daraufhin habe ich ihm ein paar fertige Tracks geschickt. Seitdem läuft das. Auch weil es menschlich passt. Wir telefonieren. Manchmal sehen wir uns auch. Er hat ja eine Residency im Berghain. Dorthin hat er mich mal eingeladen. Sehr easy, der Typ!
„NILS FRAHM HAT AUCH IMMER WIEDER BEI MIR GEKAUFT. ABER ES HAT MENSCHLICH UND BERUFLICH SELTEN SO GEPASST WIE MIT GERD.”
Wavemeister gibt es nicht mehr, oder?
Daniel Meuzard: Das Unternehmen gibt es noch, doch. Ich kümmere mich aber nur noch um meine Stammkunden. Außerdem habe ich jetzt das Tonstudio-Gewerbe. Ich bin aktiv in der Musikproduktion. Was im Walgaublick passiert, ist also die Weiterentwicklung von Wavemeister. Ich will aber dazu sagen: Durch Wavemeister bin ich mit vielen Leuten in Kontakt gekommen. Nils Frahm hat zum Beispiel immer wieder bei mir gekauft und mich zu einem seiner Konzerte eingeladen. Aber es hat menschlich und beruflich selten so gepasst wie mit Gerd.
Auflegen wolltest du nie?
Daniel Meuzard: Nein. Ich spiel schon manchmal für Freunde, aber es interessiert mich nicht so.
Warum?
Daniel Meuzard: Erstens: Ich reise nicht gern. Zweitens: Ich habe aktuell in Düns einen Radius von drei, vier Kilometern. Das gefällt mir.
Von Düns nach Schnifis bis Röns.
Daniel Meuzard: Wenn es nach mir ging, könnte ich das ganze Jahr am selben Ort sein. Meine Frau sagt zwar, es geht um die Erweiterung des Horizonts. Aber Immanuel Kant hat Königsberg in seinem Leben auch nie verlassen und den Horizont seiner Zeit ganz gut erweitert.

Das heißt: Man kann herumreisen und trotzdem nichts wissen?
Daniel Meuzard: Ja, Horizonterweiterung geht für mich einher mit: nicht nur in Schwarz und Weiß denken, sondern auch Graustufen erkennen. Bei vielen Weitgereisten fehlt mir das. Im Gegensatz zu manchen Leuten aus dem Dorf. Sie sind einfacher gestrickt, aber: Sie haben einen ehrlicheren Blick.
Du bist von der Stadt zurück aufs Land. Ressentiments der anderen gibt es schon, oder?
Daniel Meuzard: Klar. Das Stadt-Land-Ding ist in den Leuten drin. Aber das hat einen Grund: Am Land ist das Unberührte noch mehr vorhanden als in der Stadt. Deshalb bin ich jetzt auch dort. Ich habe in Düns das Gefühl, dass ich Dinge machen kann, die noch nicht bewertet …
… oder auf Instagram sind?
Daniel Meuzard: Genau. Es taugt mir, wenn etwas nicht gleich greifbar ist, wenn man es also nicht sofort erklären kann. Mit dem Walgaublick haben wir das gefunden. Es ist schwierig zu erreichen, abgelegen. Und bietet mir und meiner Familie trotzdem eine Entwicklungsmöglichkeit.

Wie meinst du das?
Daniel Meuzard: Na ja, ich bin im Nebendorf aufgewachsen, war aber nie im Skiverein oder bei der Feuerwehr, das heißt: nie im Dorfleben involviert. Mittlerweile beteilige ich mich zum Beispiel ehrenamtlich in der Konsumgenossenschaft. Das ist menschlich super und betriebswirtschaftlich interessant, weil man merkt, was in einem ländlichen Ort möglich ist. Außerdem ist das Dorf für die Kinder gut, weil: Es ist übersichtlich.
Dort die Kirche, da die Schule …
Daniel Meuzard: Ja, es ist überschaubar. Aber wir leben in einer Zeit, in der Vieles unüberschaubar ist. Überall sind Informationen, die man ausfiltern muss. An einem 450-Einwohner-Ort ist das … auch komplex, aber simpler.
„WO KANN ICH UNGESTÖRT MEIN KREATIVES POTENZIAL NUTZEN – SO, DASS ICH EIN DACH ÜBER DEM KOPF UND GENUG ZU ESSEN HABE?”
Die Stadtstörgeräusche fallen weg. Man kann die Komplexität anders wahrnehmen, oder?
Daniel Meuzard: Du bist in der Natur, das macht was mit dir. Keine Ahnung, ob das gut ist oder schlecht, aber: Es ist ein anderer Input als in der Stadt. Das heißt, man macht Dinge anders, trifft andere Entscheidungen, fühlt sich anders. Vielleicht mach ich deshalb wieder Club-orientierte Musik …
Weil du so weit davon entfernt bist?
Daniel Meuzard: Genau. Es gibt mehr zu entdecken an Orten, von denen man es nicht vermuten würde. Für mich ist das gerade die Peripherie.

Im Zentrum ist es …
Daniel Meuzard: Nicht mehr erschwinglich. Unter wirtschaftlichem Druck kann keine kreative Entwicklung entstehen. Wenn du dich zuerst um deine Lebenserhaltung kümmern musst und dich danach um deine Kunst kümmern darfst, wie soll das gehen? Die Inseln, auf denen das möglich ist, schrumpfen. Damit einher geht die Frage: Wo kann ich ungestört mein kreatives Potenzial nutzen – so, dass ich ein Dach über dem Kopf und genug zu essen habe?
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Du hast deine Insel gefunden.
Daniel Meuzard: Ja, wenn die Verwertbarkeit uninteressant ist, eröffnet das neue Türen. Und neue Perspektiven. Ich kann mich mit Dingen beschäftigen, die mir wichtig sind. Aber mir auch Fragen stellen. Was kommt vom Mensch und was von der Maschine? Eine Grundfrage für meine Kunst. Ich denke, dass der Mensch etwas Gutes schaffen kann ohne externe Motivation und vor allem: Manipulation. Deshalb frage ich mich ständig: Was kommt aus mir, bewusst oder unbewusst …
Du lässt also den Zufall zu.
Daniel Meuzard: Die größte Kunst ist es, Dinge nicht zu tun. Das kann die KI nämlich nicht.
Sie muss tun.
Daniel Meuzard: Ja, sie kann nicht anders. Deshalb ist unsere Möglichkeit für das Nicht-Machen so wichtig.
Ist das Nichts-Machen in der Peripherie einfacher?
Daniel Meuzard: Natürlich. Ich bin dahingehend radikal, habe nicht mal ein Smartphone, weil ich meine Inputs minimieren möchte. Das ist ein Luxus, den ich mir leisten kann. Und eine Freiheit, die ich mir leisten will.
Es funktioniert ja auch – zumindest für dich!
Daniel Meuzard: Man redet uns ein, dass wir permanent verfügbar und online und überall sein müssen, aber das stimmt nicht. Ich habe die besten Connections durch das, was ich ohnehin tue. Sie kommen also, weil du machst, was du machen musst.
Wie geht das?
Daniel Meuzard: Hör auf deine innere Stimme, dann kannst du nicht falsch liegen. Und: Mach nicht zwingend das, was die anderen sagen. Manchmal kamen Leute zu mir und waren so: „Brauchst du einen Job?” Sie haben gesehen, dass mein Auto den ganzen Tag vor dem Haus steht …
Das fällt am Land auf!
Daniel Meuzard: Ja, klar. Die Leute verstehen nicht, dass es auch anders geht. Bis sie sehen, dass es anders gehen kann. Und dann beginnen sie, sich dafür zu interessieren.
Danke für deine Zeit!
Christoph Benkeser
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