PAUL KELLER setzt sich für ein offenes Urheberrecht ein. Eine von ihm mitverantwortete Studie trägt den Titel: „Das Beste aus der Urheberrechts-Richtlinie in der Digitalen Binnenmarkt-Strategie machen: Ein Überblick über die Chancen und Risiken der Umsetzung.“ Der Jurist erklärte Markus Deisenberger, wieso die Urheberrechts-Richtlinie nicht zwangsläufig zu einer größeren Verteilungsgerechtigkeit führen wird und warum Urheberrechtsfilter aus seiner Sicht zur strukturellen Einschränkung von Grundrechten führen.
Wie haben Sie den Entstehungsprozess der Richtlinie erlebt?
Paul Keller: Zurückblickend ist es schade, wie es gelaufen ist. Klar war, dass sich am Urheberrecht nach zwanzig Jahren etwas ändern muss. Aber hier wurde ein großer Haufen an grundverschiedenen Sachen, die nicht wirklich etwas miteinander zu tun haben, in einen Entwurf gepackt. Die Gefechte um die am kontroversiellsten diskutierten Artikel über das Leistungsschutzrecht für die Presseverleger und zu User-Generated-Content-Plattformen riefen ganz andere Auseinandersetzungen hervor als etwa die Schrankenregeln, wo es um ein Update zu den Regeln betreffend Kultureinrichtungen geht. Dann hat man auch Regeln über das Vertragsrecht – eine ziemliche abenteuerliche Zusammenstellung, wovon einige Dinge kontrovers waren, andere wieder weniger. Die Diskussion hat sich sehr auf die kontroversiellen Dinge zugespitzt.
Ob es nun aus gesetzgebereicher Perspektive sinnvoll war, über diesen ganzen Komplex mit entweder Dafür oder Dagegen abzustimmen, bezweifle ich. Über das Resultat eine generelle Aussage zu machen, ist schwierig. Da sitzen ganz sinnvolle Sachen drin, aber auch Sachen, die am Ende der Legislaturperiode sprichwörtlich durchs Parlament gejagt wurden, aber nicht fertig sind.
Was genau meinen Sie?
Paul Keller: Speziell bei Art. 17, der die Plattformen betrifft, sind die Umsetzungsfragen unklar. Die Kommission hat dafür einen Stakeholder-Dialog anberaumen müssen, in dem es allerdings teilweise noch um Fact-Finding geht. Das spricht dafür, dass da manches noch nicht fertig war. Das hätte man präziser und besser abhandeln können.
Denken Sie, dass die angesprochene Zuspitzung auf Leistungsschutzrecht und Artikel 17 andere Dinge ins Hintertreffen gebracht hat?
Paul Keller: Es hat in jedem Fall dazu geführt, dass andere Dinge weniger Aufmerksamkeit bekamen. Ob sich das negativ ausgewirkt hat, ist dann wieder eine andere Frage. Urheberrecht war immer eine Materie, die sehr polarisiert hat. Da diese beiden Artikel die größte Aufmerksamkeit auf sich zogen, passierten andere Dinge im Schatten dieser Artikel, die sonst nicht passiert wären, weil sich diverse Interessengruppen viel stärker darauf konzentriert hätten, da auch positive Veränderungen noch abzuwehren. Von der reinen Interessenperspektive war das alles gar nicht so verkehrt. Aus der Perspektive politischer Prozesse aber halte ich das schon eher für bedenklich.
Lassen sie uns vielleicht trotzdem kurz über Art. 17 reden. In der Studie „Das Beste aus der Urheberrechts-Richtlinie in der Digitalen Binnenmarkt-Strategie machen: Ein Überblick über die Chancen und Risiken der Umsetzung“ heißt es: „Mit Artikel 17 soll die sogenannte ‚Wertschöpfungslücke‘ beseitigt werden, die die Musikindustrie festgestellt hat. Dieser Branche zufolge machen Online-Plattformen wie YouTube und Facebook enorme Gewinne mit dem Verkauf von Werbung neben urheberrechtlich geschützten Inhalten, die ihre Nutzer hochladen – dabei erhalten die Urheberrechteinhaber keine angemessene Vergütung.” So weit, so gut. Weiter heißt es: „Diese allgemeine Feststellung ist zwar höchstwahrscheinlich richtig, aber die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Behebung der Wertschöpfungslücke haben sich als politisch entscheidend erwiesen, und es bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass sie tatsächlich zu einer gleichmäßigeren Verteilung der von diesen Plattformen erzeugten Wertschöpfung führen werden.“ Warum diese Skepsis?
Paul Keller: Zum einen ist im Moment immer noch unklar, wie das umgesetzt werden soll. Die Zweifel, ob das zu einer gerechten Umverteilung führen kann, sind deshalb angebracht, weil sich die Dynamik, dass wir es da mit zentralen Plattformen zu tun haben, über die viel Wertschöpfung abgewickelt wird und die großen Einfluss haben, nicht grundsätzlich verändert. Der Großteil der Urheberinnen und Urheber schätzt es für sich positiv ein, dass ihre bzw. seine Werke öffentlich gemacht werden, und wünscht sich dafür die besten Konditionen. Ob sich die Idee, die von Urheberseite hinter der Richtlinie steht, wonach man mehr Verhandlungsmacht bekommt, tatsächlich durchsetzen wird, muss sich noch zeigen. Ob bei den Urheberinnen und Urhebern, den Musikautorinnen und -autoren etwa, von der Wertschöpfung mehr hängen bleibt, ist unklar. Oder ob es sich nicht doch eher zugunsten der Verwerter, der Verlage und Labels auswirkt, weil die eine bessere Verhandlungsposition kriegen? Das wird sehr stark davon abhängen, wie man das implementiert, ob man Verwertungsgesellschaften eine größere Rolle einräumt oder ob die Umsetzung dazu führt, dass eine relativ überschaubare Menge an Vermittlerinnen und Vermittlern auf der Rechteinhaberseite mit einer überschaubaren Anzahl auf der Plattformseite Absprachen trifft und das Geld bei den Vermittlerinnen und Vermittlern hängen bleibt.
„Die Richtlinie basiert auf der Idee, dass verhandelt werden muss.“
Ich höre da eine gesunde Skepsis heraus, dass es zu einer tatsächlichen Verbesserung der Situation kommen wird.
Paul Keller: Rechte sind fragmentiert. Was wir sehen, ist, dass es am besten für die Inhaberinnen und Inhaber großer Rechte-Pakete ist. Die Richtlinie basiert auf der Idee, dass verhandelt werden muss. Wenn es tatsächlich darauf hinausläuft, d. h. auf das Direktlizenzieren aufgrund von Verhandlungen, sind strukturell große Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber sowie große Plattformen im Vorteil. Auf beiden Seiten wird es für kleine Plattformen und kleine Rechteinhaberinnen und Rechtinhaber schwierig werden, sich die gleichen Konditionen wie ihre großen Mitbewerberinnen und Mitbewerber auszuverhandeln. Es wird deshalb sehr davon abhängen, wie das in den Mitgliedsländern umgesetzt wird, welche Rolle dabei Verwertungsgesellschaften spielen werden, welche Lizenzierungsformen möglich sind etc. Es gibt noch kein Land, das die Regeln entsprechend umgesetzt hat. Daher ist es auch schwer zu sagen, ob das alles wie angedacht funktionieren wird, ob „Checks and Balances“ greifen. Es ist noch eine Klage von Polen beim Gerichtshof in Luxemburg anhängig, ob Teile des Art. 17 grundrechtskonform sind.
Sie haben die Fragmentierung angesprochen. Ein wichtiger Schritt in Richtung Vereinheitlichung wären grenzüberschreitende Lizenzen. Bleibt es durch die Umsetzung der Richtlinie bei der Fragmentierung? Schwierige Frage, ich weiß.
Paul Keller: Das ist tatsächlich eine schwierige Frage. Da, wo man den Schritt hätte machen können, wie etwa im Art. 12, der eine europarechtliche Basis für „Extended Collective Licensing“ schafft, hat man den Schritt nicht gemacht. Der ist explizit auf territoriale Nutzung beschränkt. Die grenzüberschreitende Problematik ist nicht adressiert worden.
Wir hören aus manchen Mitgliedsländern, z. B. auch aus Deutschland, in einigen Äußerungen, sei es von der Bundesregierung, sei es von individuellen Politikerinnen und Politikern, dass eine Plattform niemals für alle urheberrechtlich geschützten Werke, die potenziell hochgeladen werden, die Rechte hat bzw. haben kann und man doch auf „Extended Licensing“ setzen sollte.
Solange das aber nur im nationalen Rahmen angedacht wird, wird das eher zu einer größeren Fragmentierung als einer kleineren führen. Ziel der Richtlinie aber ist, wie ihrem Titel zu entnehmen ist, einen „Digital Single Market“ herbeizuführen. Da kann man skeptisch sein, ob es nicht gerade, was die Umsetzung von Art. 17 anbelangt, in jedem Mitgliedsland zu einer leicht anderen Umsetzung, einer anderen Akzentuierung und daher einer größeren Ungleichheit kommen wird.
„Da kommen aber viele Regeln dazu, die wenig vereinfachen, sondern im Gegenteil die Komplexität hochfahren.“
Der Titel Ihrer Studie lautet auf Deutsch: „Das Beste aus der Urheberrechts-Richtlinie in der Digitalen Binnenmarkt-Strategie machen.“ „Das Beste aus etwas zu machen“ klingt immer erst einmal nach: „Na ja, toll ist das nicht, aber sehen wir es trotzdem positiv.“ Ist es so?
Paul Keller: Ich glaube schon, ja. Die Richtlinie zielt in ihren verschiedenen Elementen zum Großteil auf Probleme, die in den letzten zwanzig Jahren entstanden sind und bei denen klar war, dass etwas gemacht werden musste. Was etwa die Regeln zu den vergriffenen Werken betrifft: Die sind extrem komplex und lassen viel Spielraum für die Mitgliedsländer. Viele Fragen sind offen, z. B. wenn man sich das Zusammenspiel der online educational uses und der technischen Kopierschutzregelungen anschaut. Vieles ist undeutlich. Ziel der Studie war es, Handlungsempfehlungen an die Mitgliedsländer zu geben, wie sie das möglichst gut umsetzen können. Es war eine Vereinfachung gewünscht und nicht das Schaffen zusätzlicher Komplexität. Dass die 27 Länder grundverschiedene Bestimmungen haben, was Schrankenregelungen anbelangt – das ist etwas, was angegangen hätte werden müssen. Da kommen aber viele Regeln dazu, die wenig vereinfachen, sondern im Gegenteil die Komplexität hochfahren.
Für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht haben die Mitgliedstaaten bis zum 7. Juni 2021 Zeit. Halten Sie das eingedenk der Tatsache, dass wir seit März dieses Jahres sehr mit uns selbst beschäftigt sind, und der angesprochenen Komplexität für realistisch?
Paul Keller: Ich glaube nicht, dass das realistisch ist, nein. Richtlinien werden von einem Teil der Mitgliedstaaten schneller umgesetzt, manche trödeln aber auch, müssen erinnert werden. Die Franzosen etwa haben das Leistungsschutzrecht für die Presseverleger schon im Herbst letzten Jahres umgesetzt. Da die eingeschränkte Handlungsfähigkeit, die Sie angesprochen haben, auch die Kommission betrifft, gehe ich davon aus, dass sich die Umsetzung verzögern wird. Kulanzregelungen werden greifen.
Grundsätzlich gilt, dass die Richtlinie bei nicht zeitgerechter Umsetzung in den Mitgliedstaaten direkt gilt, was angesichts vieler offener Fragen bzw. der teilweisen Unbestimmtheit spannend werden könnte.
Paul Keller: Vor allem wegen der Komplexität. Gerade wenn man sich Art. 17 anschaut: Da gibt es viele offene Fragen, wie sich Teile des Artikels zu anderen Teilen des Artikels verhalten, was man priorisieren muss. Es gibt viele unbestimmte Begriffe wie best effort und Ähnliches, was durch Handlungsanweisungen zu konkretisieren ist. Aber wenn man davon ausgeht, dass die durch die Lockdowns versäumte Zeit einfach drangehängt wird, kann man sich im Grunde genommen schon vorstellen, dass ein Großteil der Staaten es schafft, die Richtlinie rechtzeitig umzusetzen.
„Dass man da gewisse Dinge an die Staaten delegiert, damit sie den Dialog organisieren und zu einer Zusammenarbeit finden, ist, denke ich, schon ein sinnvoller Ansatz.“
In der angesprochenen Studie sagen Sie, Art. 11 über vergriffene Werke sei vielversprechend. Darin wird festgelegt, dass die Mitgliedstaaten einen Dialog zwischen Rechteinhaberinnen und Rechtinhabern, Verwertungsgesellschaften und Einrichtungen des Kulturerbes einleiten müssen, um sich über die Anforderungen eines als vergriffen angesehenen Werkes zu verständigen und auf praktischer Ebene dafür zu sorgen, dass die Lizenzen und die Ausnahme umsetzbar sind.
Paul Keller: Das ist eine Bestimmung, die man nicht separiert von den dreien davor betrachten kann. So wird versucht, einen Dialog auf nationalem Niveau hinzukriegen, und das entspricht dem Kollaborations-Prinzip zwischen Verwertungsgesellschaft und Kulturinstitutionen.
Wir wissen, dass es in den verschiedenen Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich organisierte Verwertungsgesellschaften gibt. Es gibt Staaten, da gibt es mehr als zwanzig, es gibt welche, da ist es zentralisiert. Ein Mitgliedstaat, Malta, hat überhaupt keine. Dass man da gewisse Dinge an die Staaten delegiert, damit sie den Dialog organisieren und zu einer Zusammenarbeit finden, ist, denke ich, schon ein sinnvoller Ansatz.
Lassen Sie uns noch über die sogenannten Filter sprechen. Ich zitiere noch einmal aus der Studie: „In Anbetracht der Tatsache, dass die Rechte der Nutzer stärker gefährdet sind, wenn die Plattformen Filter einsetzen als wenn sie die Genehmigung zur Übermittlung der von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte erhalten, sollten die nationalen Gesetzgeber die rechtlichen Verfahren für die Erteilung dieser Genehmigungen umfassend prüfen und die Anwendung von Filtertechnologien so weit wie möglich beschränken.“
Paul Keller: Urheberrecht ist immer eine Werteabwägung zwischen dem Recht der Urheberin bzw. des Urhebers und dem Recht der Nutzerin bzw. des Nutzers. Gerade bei den Plattformen, die essenziell zur freien Meinungsbildung sind, gibt es fundamentale Nutzerrechte wie Kommunikationsfreiheit und Zitatrechte. Wir wissen, dass Filter, verstanden als vollautomatische Technologie, die probieren, urheberrechtlich geschützte Werke zu erkennen und auf Basis des Erkennens entweder zu blocken oder durchzulassen, nicht in der Lage sind, den Kontext zu analysieren. Es gibt keine auf dem Markt verbreitete Filtertechnologie, die sich die Mühe macht, den Kontext anzuschauen. Was sie machen, ist: Sie matchen, sie laden einen Referenzbestand oder Teile des Bestandes hoch und schauen. Das geht gut und schnell, die Fehlerquoten sind gering, aber der Kontext, wie ein Zitat in einen Kontext eingebettet ist und deshalb vielleicht gerechtfertigt ist, bleibt ununtersucht. Oder die viel schwierigere Frage, ob etwas eine Satire oder eine Parodie ist: Das kann Filtertechnologie nicht erkennen. Das ist ein technologisch nicht gelöstes Problem. Deshalb sollte die Technologie nur unter sehr strengen Bedingungen eingesetzt werden dürfen, weil das sonst zur strukturellen Einschränkung von Grundrechten führt.
Es gibt aber doch große Unterschiede zwischen den Plattformen?
Paul Keller: Ja, aber auch YouTube wird von politischen Parteien genutzt, um zu politischen Debatten Stellung zu nehmen. Natürlich probieren da Leute, Sachen hochzuladen, an denen Sie keine Rechte haben, und das obwohl sie genau wissen, dass es illegal ist. Aber über eine politisch motivierte Serie etwa, die sich kritisch mit den Corona-Ausgangsbeschränkungen auseinandersetzt, läuft derselbe Filter, und der kann nicht unterscheiden. Wenn man der Logik der Regelung folgt, ist es zuallererst einmal wünschenswert, dass so viel wie möglich lizensiert ist. Wenn Rechteinhaberinnen und Rechtinhaber ihren Katalog so breit wie möglich lizenzieren, muss nicht gefiltert werden.
Da es aber nicht nur um Werke von Personen geht, die ohnedies lizenzieren wollen, wird es immer Filter geben müssen. Und dann muss man halt mit dem Einsatz vorsichtig sein und sie höchstens unter gewissen Umständen einsetzen. Unserer Auffassung nach muss man als Userin bzw. User immer die Möglichkeit haben, sich über einen solchen Filter hinwegzusetzen, weil es ihr bzw. sein gutes Recht ist, sich darüber hinwegzusetzen. Weil es eine Parodie ist oder andere Gründe greifen. Dass es also im Zweifel nicht gegen die Nutzerin bzw. den Nutzer eingesetzt wird, sondern im Zweifel zunächst einmal zu ihrem bzw. seinem Vorteil.
Wen meinen Sie mit „uns“, wenn Sie von „unserer Auffassung“ sprechen?
Paul Keller: Im Grunde genommen gibt es drei verschiedene Positionen in der Diskussion, das sind Rechteinhaberinnen und Rechtinhaber, Plattformen und Gruppen, die sich im weitesten Sinne mit Nutzerrechten identifizieren.
Das heißt: Letzteres.
Paul Keller: Letzteres, ja.
Vieles im Urheberrecht lässt sich auf die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst aus dem Jahr 1886 zurückführen. Mit dieser Übereinkunft wurden Ende des 19. Jahrhunderts die Regeln für den grenzübergreifenden Schutz von Urheberrechten vereinbart. Sie vertreten die Auffassung, die Übereinkunft habe eine einengende Wirkung. Soll sich das Urheberrecht von seinen Ursprüngen lösen und einen eigenständigen Charakter entwickeln?
Paul Keller: Die Frage ist, was ein eigenständiger Charakter ist. Da muss man schon vorsichtig sein. Der Grundansatz, wonach die Urheberin bzw. der Urheber die Kontrolle über ihr bzw. sein Werk haben sollte, ist ja erst mal richtig ist. Und dass es Instrumente braucht, um dafür zu sorgen, dass die Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken ihr bzw. ihm oder von ihnen angewiesenen Parteien zugutekommt, ebenfalls. Dass es gewisse Formen gibt, Kontrolle auszuüben, ist erst mal gut so. Daran braucht man nicht so viel zu verändern. Gleichzeitig aber ist es merkwürdig, das Urheberrecht als religiöse Wahrheit aufzufassen, an der möglichst wenig gerüttelt werden sollte. Man kann sich doch die Frage stellen, ob manche Prinzipien, die in der Berner Konvention festgelegt wurden, z. B. die Tatsache, dass es keine Registrierungsverpflichtung geben darf, dass also urheberrechtlicher Schutz nicht von der Tatsache abhängig sein darf, ob ein Werk registriert wurde oder nicht, noch zeitgemäß ist.
Man muss das natürlich auch im historischen Kontext sehen: Es wäre damals sehr schwer gewesen, ein zentrales Register von urheberrechtlich geschützten Werken einzuführen, mit dem man arbeiten hätte können.
Heute ist es so: Es werden Massen von Werken geschaffen, geschützte Werke, die nicht von Leuten geschaffen werden, die ein berechtigtes Interesse an deren Verwertung haben und sich auch nicht als Urheberinnen und Urheber wahrnehmen. Die laden das hoch und vergessen es gleich wieder.
Eines der großen Probleme ist auch, dass auf diesen Plattformen widersprüchliche Rechteinformationen auftauchen. Dass unklar ist, ob diejenigen, die behaupten, dass ein bestimmtes Werk von ihnen ist, auch tatsächlich die Berechtigten sind. Das könnte man mit so einem Register einfach lösen. Viele Probleme, etwa die der verwaisten Rechte, ergeben sich auch daraus, dass wir keine Informationen über die Urheberinnen und Urheber und deren Intentionen haben. Wenn man das festlegen könnte, wäre man ein Stück weiter und könnte besser damit umgehen. Wir wären weiter als bei der bloßen Vermutung, dass ein Werk, weil wir keine gegenteiligen Informationen haben, verwertet werden kann. Das ist eine Annahme. Die konkrete Information wäre schon besser.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Markus Deisenberger
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Paul Keller ist Präsident der Communia, einer europäischen Vereinigung verschiedener Organisationen, die sich für ein offeneres Urheberrecht einsetzen bzw. die Freiräume verteidigen und sich für die Stärkung von Nutzerrechten stark machen. Derzeit ist er Senior Research Fellow am Institut für Informationsrecht an der Universität Amsterdam. Vorher war er Direktor des Amsterdamer Think-Tanks „Kennisland”. Er ist einer der Co-Autoren von „Vision for a Shared Digital Europe.”