Nicht nur Musikstücke spielen, sondern musikalische Erfahrungen anbieten – Clara Iannotta, die Kuratorin der „Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik“, im Interview

Die italienisch-deutsche Komponistin CLARA IANNOTTA kuratiert nun zum dritten Mal die „BLUDENZER TAGE ZEITGEMÄSSER MUSIK“ (btzm) und lässt dabei ihrer Liebe für vielfarbige Kompositionen aufleben.

Sie ist fasziniert von Musiken, die die Künste verbinden, ungewöhnliche Kombinationen eingehen und durchaus auch ein außergewöhnliches Instrumentarium verwendet. Großen Wert legt die künstlerische Leiterin, die als vielbeschäftigte Komponistin international Erfolge feiert, auf nachhaltige Aufführungen. Sie sucht die Kooperation mit anderen Ensembles und freut sich, dass alle unter ihrer Intendanz in Bludenz präsentierten Kompositionen zahlreiche Folgeaufführungen auf verschiedensten Bühnen der Welt erfahren haben. In diesem Jahr gastieren die Curious Chamber Players aus Schweden als Ensemble in Residence in Bludenz. Eine Wiederbegegnung gibt es mit dem Wiener Ensemble Phace. Im Gespräch mit Silvia Thurner erzählt Clara Iannotta von ihren Vorlieben und Plänen und berichtet vom aktuellen Programm der „btzm“.

Welchen Stellenwert nimmt die synästhetische Wahrnehmung von Musik in diesem Festivalprogramm ein?

Clara Iannotta: Ich glaube, Musik können wir nicht nur durch das Hören erleben. Musik ist auch visuell wahrnehmbar. Fast alle Komponisten, die bei den btzm teilnehmen, teilen diese Auffassung mit mir. In diesem Jahr werden wir unter anderem erleben, wie Lisa Streich ein Ensemble motorisiert, wie Nicolas Bernier dem Licht, der Technik und dem Ton das gleiche Gewicht gibt und wie Sivan Cohen Elias ihre Klangwelt choreografiert.

Offen für alles

Das letztjährige Programm war sehr bunt zusammen gesetzt. Gibt es dieses Mal einen inhaltlichen Leitfaden?

Clara Iannotta: Einem Festival ein Thema zu geben, liegt mir nicht. Ich sehe jedes Konzert als einzelnes Ereignis und führe Komponisten zusammen, die ihre eigenen Ideen oder Klangwelten mit anderen teilen. Bei den vergangenen beiden Ausgaben der btzm hat mir am besten gefallen, dass jeder Komponist versucht hat, neue Wege zu gehen, dabei einiges riskiert hat und auch experimentierfreudig komponiert worden ist.

Mir ist das letztjährige Programm der btzm allzu heterogen erschienen und dadurch auch eher beliebig. Wie siehst du das?

Clara Iannotta: Als ich die Entscheidung getroffen habe, den Komponisten ganz freie Hand zu lassen bei ihren Projekten, war mir klar, dass das Programm beliebig wirken könnte. Aber die Komponisten, die ich ausgewählt habe, haben viele Qualitäten gemeinsam. Meiner Meinung nach ist das Verbindung genug. Dass jedes Stück völlig anders ist stört mich überhaupt nicht. Sehr selten erhalten Komponisten die Chance, ihre eigenen künstlerischen Träume zu verwirklichen. Doch genau das möchte ich ermöglichen und dafür riskiere ich auch, dass eine Art Homogenität des Programms nicht gegeben ist.

Folgeaufführungen

Finden Kompositionen, die in Bludenz präsentiert werden, internatonal eine Resonanz und gibt es Wiederaufführungen an anderen Orten?

Clara Iannotta: Bisher sind alle! Kompositionen, die wir seit 2014 in Auftrag gegeben haben, wieder aufgeführt worden. „Sideshow“ von Steven Takasugi beispielsweise wurde bereits sieben Mal wieder durchgeführt und ebenso „OM.ON“ von Pierluigi Billone. Wir sind ein kleines Festival in einer kleinen Stadt und finden so viel Anerkennung, darüber bin ich sehr glücklich.

Gibt es in diesem Jahr auch wieder Meisterkurse in Bludenz?

Clara Iannotta: Anstatt Kompositionsklassen mit etablierten Komponisten anzubieten, haben wir uns entschlossen, ein Ensemble in Residence einzuladen. Die „Curious Chamber Players“ aus Schweden gastieren in Bludenz. Das Ensemble hat Studenten ersucht, ein neues Stück entweder zu komponieren oder ein vorhandenes Werk zu präsentieren. Wir hatten mehr als 150 Bewerbungen aus der ganzen Welt. Der schwedische Komponist Malin Bång sowie der Dirigent und Komponist Rei Munakata  und ich haben die Partituren sondiert und fünf Werke von John Pax (Australien), Erika Vega (Mexiko), Carolyn Chen (USA), Yukiko Watanabe (Japan) und Misael Gauchat (Argentinien) ausgewählt, die nun in Bludenz zu hören sein werden.

Alltagsgegenstände dienen den „Curious Chamber Players“ ebenso als Instrumentarium wie traditionelle Instrumente. Welche Form einer „Klanginstallation“ ist bei ihrem Konzert in Bludenz zu erwarten?

Clara Iannotta: Die „Curious Chamber Players“ kombinieren traditionelle Instrumente mit Objekten. Zwischen ihnen die perfekte Balance zu finden, ist nicht einfach. Wichtig ist, dass die Objekte nicht als einfache Dekoration verstanden werden. Sie sind unerlässlich, um genau jenes Klangbild zu schaffen, das der Komponist im Sinn hatte. Jedes Objekt hat eine potentielle Musikalität, die entdeckt werden muss. Die Musiker des CCP setzen all ihre Fähigkeiten in den Dienst der Komponisten, um neue Instrumente und neue Klänge zu bauen.

Auch mit dem Wiener Ensemble „Phace“ gibt es eine Kooperation. Die Musiker präsentieren ihr Programm in Bludenz und anschließend im Rahmen ihres eigenen Zyklus in Wien sowie in Budapest. Inwieweit hattest du Einfluss auf die Programmgestaltung?

Clara Iannotta: Nachdem ich das Ensemble Phace nach Bludenz eingeladen hatte, machten die Musiker den Vorschlag, das Programm mit zwei Auftragswerkes der btzm auch in Wien und in Budapest zu präsentieren. Ich war positiv überrascht und unterstütze diese Entscheidung. Es wäre toll, wenn alle Ensembles und Orchester das gleiche zu tun würden.
Kooperationen mit Ensembles und Musiker sind immer Verhandlung mit offenem Ausgang. Ich habe meine Vorstellungen wie ein Konzert erfolgreich verlaufen kann, wir tauschen uns aus und gehen aufeinander ein. Mit dem Ensemble Phace war dies nicht anders. Ich hoffe, dass dieses Konzert den musikalischen Ansprüche des Ensemble Phace und den künstlerischen Zielen der btzm entspricht.

Du bist als Komponistin sehr erfolgreich und vielbeschäftigt. Findest du auch in Zukunft Zeit, die btzm zu kuratieren?

Clara Iannotta: Ich werde das Festival auf jeden Fall bis 2018 kuratieren, dann werden wir sehen. Für mich ist diese Intendanz ein großes Privileg, aber vielleicht brauchen die btzm danach wieder eine neue Stimme.

Danke für das Gespräch.

Silvia Thurner

Dieses Interview ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im November 2016 erschienen.

Factbox:
Donnerstag, 17. November bis Sonntag, 20. November 2016
Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik, Remise Bludenz

Link:
BTZM allerArt Bludenz