Carinthischer Sommer: Kirchenoper von Thomas Daniel Schlee

Wenn der Intendant komponieren kann, geht es sich doch aus: Weil die geplante Uraufführung eines Werks von John Tavener auf das nächste Jahr verschoben werden musste und/aber, weil die Kirchenoper als Genre zum Carinthischen Sommer gehört wie die Stiftskirche zu Ossiach, hat Thomas Daniel Schlee sich hingesetzt und kurzerhand selber eine geschrieben. “Ich, Hiob” hatte am Sonntag Premiere.

Vom jungen Preisträger-Quartett bis zu KoglmannAbseits von Massentourismus und Massenkultur hat der von Thomas Daniel Schlee geleitete Carinthische Sommer mit den Hauptspielstätten Stiftskirche und Stift Ossiach sowie dem Congress Center in Villach seine besondere Physiognomie durch sein vielfältiges und bunt kuratiertes Programm und nicht durch das große Geld und durchreisende Stars.

 

Mit neuen Programmakzenten sucht Schlee ein anderes Publikum anzuziehen, etwa – so im Interview mit den Salzburger Nachrichten am Samstag – mit “Blasmusik, derer man sich nicht schämen muss”. Amüsant fand es Schlee, dass zur Eröffnung statt einer Festrede das Festival mit Maurizio Kagels ,Der Tribun’ aufgeführt wurde, bei dem die Militärmusik Kärnten die Märsche spielte und mit Fanfare Ciocarla entfesselte Blechmusik aus dem Balkan erklang.

 

Von der Kirchen- zur Kinderoper, vom Soloabend im Tauernkirchlein bis zum großen Symphonieorchester im Congress Center, von Barockmusik in der Stiftskirche Ossiach zur Uraufführung im Steinhaus von Günther Domenig, vom Wort zum Ton (und wieder zurück), vom Volkslied zum Puppenkabarett, von Beethoven bis Kagel, vom Meisterkurs für junge Pianisten bis zu den Recitals der Meister, vom RSO Wien bis zum hervorragenden jungen Pavel Haas Quartett, vom (u. a. Mnozil-)Brass-Ensemble bis zum Gemüseorchester spannt sich der Bogen.

 

Was die Uraufführung im Domenig-Steinhaus in Steindorf am Ossiacher See betrifft: Franz Koglmann, von Beruf derzeit viel beschäftigter Fünfziger, wird sie mit seinem Pipe-Trio (er selbst an Trompete/Flügelhorn sowie Raoul Herget, Tuba und Rudolf Ruschel, Posaune) mit dem Werk “Out of Symmetry” bestreiten. Termin: Freitag, 10. August, 20 Uhr. Das Pavel Haas Quartett spielt am 7.8. (in österreichischer Erstaufführung) ein Werk für Orgel und Streichquartett von Jean Langlais; das RSO Wien, die Kremerata Baltica, das London Symphony Orchestra kommen vorbei, der Carinthische Kindersommer beschließt sein Kursprogramm (MusikTheaterTage für Kinder) am 19.8. mit der Uraufführung von “Die Runden und die Eckigen” oder “Wie ein Dorf entsteht”, einem Auftragswerk des Carinthischen Sommers, für das der Regisseur Stephan Bruckmeier das Buch schrieb, Stephan Kühne die Musik – beide Autoren werden dieses Projekt auch künstlerisch und musikalisch leiten (alle Programmdetails: siehe Weblink)

 

Ein Spezifikum des Carinthischen Sommers ist seit langer Zeit die Kirchenoper. Zunächst waren es Werke des Barock, dann wurde in Ossiach viel Jahre lang Benjamin Brittens “Verlorener Sohn” gespielt, später wurde das Genre von österreichischen Zeitgenossen bedient. Schlee hat die Kirchenoper – was die Komponisten betraf – international wieder stärker geöffnet: Werke von Peter Maxwell Davies, Arvo Pärt, oder im Vorjahr eine von Elfriede Mayröcker und dem Komponisten Rudolf Jungwirth modern ergänzte “Schuldigkeit des Ersten Gebots” von Mozart wurden gespielt.
Die Oper von Thomas Daniel Schlee (Libretto: Christian Martin Fuchs) um den biblischen Hiob, den Gott prüft, ist bewusst kammermusikalisch-intim besetzt, versöhnt als Sacra Conversatio die Aura des Orts der Stiftskirche Ossiach mit der literarischen Gewalt des Bibeltextes des Buches Hiob in einem neuen Entwurf geistlichen Musiktheaters. Für Schlee ist das Komponieren einer Kirchenoper ein spirituelles, theologisch nicht unbedingt dem Katholizismus zuordenbares Schreiben, auf keinen Fall eine  “zahmere” Form zeitgenössische Musik zu konzipieren. Eine Kirchenoper, meint er, sollte sich stilistisch nicht von für andere Räume gedachter Musik unterscheiden.
“Ich, Hiob”, eine Kirchenoper für Tenor, Sopran und kammermusikalisch besetztes Instrumentalensemble (mit solistischem Violoncello und Trompete solo) wurde am Sonntag, 13.7. mit den Vokalsolisten Kurt Azesberger (Hiob) und Ursula Langmayr (Engel) uraufgeführt. Weitere Vorstellungen sind am 25.7., 9. & 26.8, ein Rundfunkmitschnitt ist am Di., 24.7. auf Ö1 zu hören (hr).