
Dabei scheint er wieder mehr als eine Persönlichkeit in sich zu tragen, vor allem wenn es um die stimmlichen Kapriolen geht, die Brunner von Lied zu Lied schlägt. Mal singt er sanft, fast schon verträumt, mit einer sehr hohen Stimme, dann wieder begibt er sich in tiefere Gefilde und wird dramatischer. Es ist einer der größten Reize des Albums, dass man wissen möchte, wie er auf dem nächsten Lied klingen wird. Dabei verschmilzt seine Stimme, die nur zum Teil die Hauptrolle spielt, so fließend mit den exzentrischen Technobeats, dass man gar nicht wirklich sagen kann, ob man jetzt Tanzmusik oder doch eher elektronische Balladen hört.
Dieses Spiel mit den Genres zieht sich durch das ganze Album, wobei schon häufig Vergleiche mit anderen Bands oder KünstlerInnen auf der Zunge liegen. Etwa bei „Minos“, einem sanften, von pumpenden Synthie-Tönen getragenen Lied. Da befindet man sich mit dem Kopf plötzlich in der Welt der Pet Shop Boys, und diese Assoziation wird nicht nur von der Musik ausgelöst. Im Besonderen ist es die Stimme – besser gesagt, die Überlagerung mehrerer Stimmen – im Refrain, die absolut an die britische Band erinnert.
Zwischen Technobeats und Melancholie

Die Schirmherrschaft für „Those Who Fall Have Wings“ hat die Trauer übernommen. Jene kommt auch in Brunners gleichnamigen Film vor, der vom Tod seiner Großmutter inspiriert wurde. Ja, Peter Brunner ist nicht nur ein Musiker, sondern auch ein Filmemacher, der bei Michael Haneke gelernt hat. Deswegen bilden seine Musikvideos auch eine so wichtige Ergänzung zu seinem Audio-Repertoire. Zum Beispiel widmet er den Clip zu „Dementia“, das den leicht wehmütigen Abschluss des Albums bildet, auch seiner Großmutter.
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Unter scheinbar idyllische Bilder von Oma und Enkelin mischen sich traumartige Sequenzen, die eher bedrohlich als harmonisch wirken. So auch im Video zur Single „Youth Has Gone“. Der Sänger selbst besingt mit goldenem Antlitz einen Hundewelpen, während eine ebenfalls vergoldete Frau scheinbar alles für die immerwährende Jugend tut.
Cardiochaos beherrscht sowohl die auditive als auch die visuelle Ebene seiner Musik. Er spielt mit den Genres, scheint sich aber immer mehr an eine eigene Stimme anzunähern. „Those Who Fall Have Wings“ ist kein Album für fröhliche Stunden, aber die melancholischen Momente im Leben ergänzt sein Sound perfekt.
Anne Marie Darok
Foto Cardiochaos (c) Cardiochaos