„BEIM NEUEN ALBUM WOLLTEN WIR EIN BISSCHEN VON NULL ANFANGEN“ – LAIKKA IM MICA-INTERVIEW

Unter dem Namen LAIKKA haben ALEXANDER GRUEHN und MORITZ WUNDERWALD vor gut drei Jahren einen Startschuss für ein elektronisches Musikprojekt gesetzt. Ein Album, eine Techno-EP und eine Pandemie später, veröffentlicht das Duo am 2. Juni mit „Bleach“ sein zweites Album und lässt darin das vergangene Jahr Revue passieren. Mit Katharina Reiffenstuhl haben LAIKKA unter anderem über ihre Einflüsse, die vielen Facetten ihrer künstlerischen Arbeit und Clubkulturen geredet.

Am 2. Juni kommt euer 2. Album. Was wird anders?

Moritz Wunderwald: Es hat sich soundmäßig sehr viel geändert. “Morning Glow” war ja bisschen ein klassischeres Elektropop-Album mit Indie-Einflüssen. In der Zwischenzeit haben wir doch recht viele neue Einflüsse gesammelt und haben ein bisschen weiter hinausgeschaut und etwas weirdere Sachen gehört. Zwischendrin hatten wir ja auch die Techno-EP, wo wir in viel härtere elektronische Sachen hineingestiegen sind. Beim neuen Album wollten wir ein bisschen von Null anfangen. Vor allem, was das Genre angeht, dass das nicht zu sehr im Vordergrund steht. Davon wollten wir uns lösen und neue Wege finden. Wir haben mit anderen Strukturen gespielt. Alles in allem hat sich der Songwriting-Ansatz radikaler angefühlt.

Alexander Gruehn: Ich glaube, ein großer Unterschied ist, dass es auch deutlich schneller ist. Bei “Morning Glow” war alles relativ getragen und jetzt sind wir doch recht schnell unterwegs. Das erste Album ist ja mitten in der Pandemie entstanden und ist auch sehr geprägt gewesen von dem zuhause sein, alleine sein, sich eingesperrt fühlen. Das zweite Album hat jetzt mehr den Vibe eingefangen, wo es für alle wieder rausgegangen ist und eine coole energetische Stimmung herrscht.

Warum habt ihr es „Bleach“ genannt?

Alexander Gruehn: Das ist eigentlich eine lautmalerische Beschreibung von dem Ganzen. Mal abgesehen davon, dass wir sehr viel mit blonder Haarfarbe herumexperimentiert haben (lacht), war es so, dass für mich der Geruch von diesem Bleichmittel und dieses Künstliche, Stechende mit dem Sound von diesem Album zusammengepasst hat. 

Seit dem ersten Album sind fast zwei Jahre vergangen. Was habt ihr in der Zeit so gemacht?

Moritz Wunderwald: 
Für mich war es ein Wechsel in ein ganz anderes soziales Umfeld. Kurz nach dem Album habe ich begonnen, Kunst zu studieren. Ich war in ganz neuen Kreisen und hatte dadurch noch einmal stärker die Möglichkeit, mich selbst ein bisschen neu zu definieren. So wie es ist, wenn man umzieht und einen noch niemand kennt. Für mich hatten die zwei Jahre viel damit zu tun, Grenzen aufzubrechen und mehr nach außen zu geben, was wirklich in einem passiert, ohne großartige Barrieren. 

Alexander Gruehn: Für uns als Band ist eine der wichtigsten Sachen gewesen, dass wir live gespielt haben, alles, was in der Zeit ging. Es ist nach wie vor schwierig, aber wir haben sehr coole Erfahrungen gesammelt. Wir durften ÄTNA auf der Österreich-Tour begleiten und haben sonst auch viele tolle Konzerte gespielt, die Hydra in Linz war sicherlich so ein Highlight, in der Kirche zu spielen mit unserem Sound war richtig geil.

„ES IST NACH WIE VOR RELATIV SCHWIERIG AM LIVE-SEKTOR, WEIL ALLES SEHR ÜBERSÄTTIGT IST“

Das ist bei euch ja so eine Sache, ihr habt eure Band zu einem ziemlich schwierigen Zeitpunkt gegründet, genau zu Beginn der Pandemie. Habt ihr euch schwergetan, in dieses Live-Spielen hineinzukommen, weil das ja doch für so eine lange Zeit ausgefallen ist?

Alexander Gruehn: Wir hatten unser erstes kleines Konzert beim Release von unserem allerersten Song – und dann war es aus. Dementsprechend hat es dann gedauert, bis wir überhaupt so richtig wieder live spielen konnte. Das erste Mal war dann wieder das Waves. Es ist nach wie vor relativ schwierig am Live-Sektor, weil alles sehr übersättigt ist. Das war vor der Pandemie sicher noch ein bisschen anders.

Moritz Wunderwald: Was ich von der positiveren Seite vielleicht auch noch dazu sagen kann, ist, dass wir dadurch ein bisschen gezwungen waren, uns genauer zu überlegen, was wir live machen wollen. Das war ein ziemlich positiver Effekt von diesem Start ins Live-Business, weil wir erst mal ein Jahr hatten, an dem wir an unserer Liveshow bauen konnten und dadurch auch draufgekommen sind, wie wichtig uns das ist, sich nicht nur um die Musik zu kümmern, sondern dass wir dazu eine ausgefeilte Lichtshow und Visuals haben und uns über die Performance Gedanken machen.

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Ihr habt in einem früheren Interview gesagt, dass LAIKKA für euch ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Visuals, Grafik, Mode und Videos ist. Wenn ihr das aufeinander abstimmt, welcher Teil stellt für euch die Basis dar?

Alexander Gruehn: Das ist eine spannende Frage. Die Musik war natürlich schon das erste Element, mit dem wir uns auseinandergesetzt haben. Mittlerweile ist es aber gar nicht so einfach und man kann es gar nicht so klar sagen, weil es hauptsächlich darum geht, was man ausdrücken will. Das steckt dann überall drin. Wir machen ja auch außerhalb von LAIKKA verschiedene künstlerische Sachen, die dann vielleicht nicht in diesen Bandkontext hineingehören, aber automatisch mit hineinspielen.

All diese Dinge bedürfen meistens vermutlich einem Konzept und klarer Planung. Wie viel Zeit investiert ihr so durchschnittlich in einen Track inklusive Video?

Moritz Wunderwald: Es beginnt damit, dass man einen Song schreibt. Das muss gar nicht so ein aktiver Prozess sein, bei dem man sich überlegt: „Was packen wir jetzt in dieses Musikvideo?“. Man macht dann andere Projekte, bei denen man draufkommt, “Ah, dieses Element und dieses Element passt zu diesem Song, den wir da mal geschrieben haben”. Da sammeln sich die Sachen im Kopf und irgendwann erreicht man den Punkt, wo es reif genug ist, das auszuproduzieren. Wir machen auch nicht alles alleine, wir sind immer wieder im Austausch mit Künstler:innen, die entweder komplette Videos von uns übernehmen oder mit uns zusammenarbeiten.

Alexander Gruehn: Aufwendig ist das Ganze auf jeden Fall, aber teilweise ist es so, dass das konzeptuell geplante Sachen sind und auf der anderen Seite gibt es auch Sachen, die in einer Nacht entstehen.

„DIE ROHE ENERGIE UND MUSIKALISCHE EINFLÜSSE AUS FRÜHEREN ROCK-LASTIGEN TAGEN SIND SICHERLICH AUCH HÖRBAR“

Euer Sound ist vielseitig. Woher nehmt ihr Inspiration?

Moritz Wunderwald: Das ist eine recht wilde Mischung, glaube ich. Für mich sind riesige Inspirationen im Moment Acts wie EARTHEATER, SHY GIRL. Ich glaube, dass man das aber gar nicht so direkt an der Musik festmachen kann, sondern, dass es eher so Artists sind, die sich zwischen der Pop- und Kunstwelt bewegen, die eigenständige, weirde Sachen machen, aber immer mit Verbindung zu Popkultur. Die rohe Energie und musikalische Einflüsse aus früheren Rock-lastigen Tagen sind sicherlich auch hörbar.

Welche Rock-lastigen Tage?

Albumcover Bleach
Albumcover “Bleach”

Alexander Gruehn: Wir sind beide in Musik sozialisiert worden in unseren ersten Bands in der Emo-Punk-Hardcore-Schiene. Das kommt auf jeden Fall in der Energie, vor allem live, rüber. Auch, weil wir ein DEFTONES-Cover auf dem Album haben. Das waren bei uns beiden die ersten Berührungspunkte mit Musik. Aber abgesehen davon ist elektronische Musik ein ganz großer Punkt. Wie wir vorhin schon erwähnt haben, ist diese Phase, wo man aus der Pandemie rausgekommen ist, extrem präsent, und da hat Techno bei uns beiden eine große Rolle gespielt. Der Eskapismus und dieses Loslassen, was halt Techno so an sich hat, ist ein wichtiger Einfluss. 

Habt ihr euch gemeinsam in diese elektronische, digitale Richtung entwickelt?

Alexander Gruehn: Also das hat sich wirklich erst innerhalb unserer gemeinsamen Musik entwickelt. Was wir beide davor schon hatten, ist dieses genreübergreifende. Wir finden es geil, wenn Acts es schaffen, viel verschiedene Musik miteinander zu mischen, oder Alben rausbringen, die von der Musikrichtung her komplett unterschiedlich klingen, aber trotzdem immer nach diesem einen Artist.

Moritz Wunderwald: Es gibt ja schon auch gewisse Verbindungen zu Hyperpop. Das ist auf den ersten Blick nicht unbedingt Pop, weil es wilder, verzerrter und härter ist. Es hat trotzdem den Anspruch, catchy und schön zu sein.

Vor ein paar Wochen habt ihr den Song „Leeches“ als Feature releast. Warum wolltet ihr genau ANTHEA auf dem Track?

Alexander Gruehn: Wir haben ANTHEA beide sehr gefeiert. Bei dem Song hat sich das einfach extrem angeboten. Es ist ein Kontrast, einerseits harmoniert die Stimmung sehr gut, gleichzeitig ist vom Rhythmus und Ausdruck her vieles anders. Wir haben einfach angefragt und ANTHEA war direkt dabei.

Habt ihr einen persönlichen Favoriten auf dem Album?

Moritz Wunderwald: Ich habe zwei. “Cracking Knuckles” und “Flames”.

Alexander Gruehn: Vom Livespielen ist “Flames” auch sehr weit vorne dabei. Sonst mag ich “Hunger” sehr gern, das war der erste Song, der entstanden ist und das alles eingeläutet hat. Mit dem verbinde ich sehr ein Gefühl von dieser Zeit.

„WIEN IST IN DER SZENE VIEL SPANNENDER ALS BERLIN ZUM BEISPIEL, DA IST MEHR DYNAMIK UND MEHR FARBE“

Wie empfindet ihr die Elektronik-Szene in Österreich? Glaubt ihr, dass ihr euch mit eurer Musik da in einer Nische bewegt?

Moritz Wunderwald: 
Ich glaube, dass Wien künstlerisch zurzeit wahnsinnig lebhaft ist. Auch, wenn noch nicht unbedingt alles auf dem Radar ist, was passiert. Aber besonders in diesem Feld zwischen Experimental und Pop haben wir mit Artists wie eben ANTHEA, KENJI ARAKI oder TONY RENAISSANCE vermutlich wahnsinnig viel Potenzial. Ich bin sehr gespannt darauf, was sich da in nächster Zeit tun wird, wenn die Namen auch ein bisschen größer werden. Ich glaube, Wien ist in der Szene viel spannender als Berlin zum Beispiel, da ist mehr Dynamik und mehr Farbe. 

Alexander Gruehn: Wien ist frischer. Vielleicht auch, weil das schon so ein bisschen ein Klischee ist mit Berlin.

Moritz Wunderwald: Ich finde, man merkt es auch an der Clubkultur. Vom Gefühl her ist Berlin da ein bisschen festgefahrener, fast ein bisschen kommerzialisiert. Man weiß genau, was man bekommt. Hier ist es gerade so, dass es viele Partys gibt, wo Leute aus ganz verschiedenen Strömungen performen oder wo sich die Leute mehr durch Kleidung ausdrücken. Man hat viel weniger ein Gefühl von einem Dresscode, jeder macht das, worauf er Bock hat.

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Das Release-Konzert zum neuen Album verspricht ein „multisensorisches 3D-Konzerterlebnis“. Wie viel wollt ihr dazu schon verraten?

Alexander Gruehn: 
Das wird ein 360-Grad-Audio-Konzert. Das heißt, rund um das Publikum werden Boxen aufgestellt, insgesamt 38 Speaker, glaube ich. Wir machen dieses Format mit Livelayers, für die ist das auch eine Art Pilotprojekt. Da arbeiten wir gerade ziemlich intensiv daran. Kann ich auf jeden Fall nur empfehlen, da hinzuschauen, das wird richtig krass.

„EUPHORIE UND APOKALYPSE“

Und wie geht es nach dem Konzert weiter?

Moritz Wunderwald: Es gibt schon Musik für danach. (lacht)

Immer einen Schritt voraus also.

Moritz Wunderwald: Wir werden nach dem Album erst mal ein paar einzelne Songs veröffentlichen, und zwar gleich, nachdem sie entstanden sind. Dieses Gefühl als Künstler, wenn man gerade den Song fertig gemacht hat, das ist schon etwas sehr Besonderes.

Alexander Gruehn: Einerseits hat man halt so ein Momentum. Das ist ein Vibe, den man hat, wenn man den Song schreibt, und den dann auch innerhalb dieser Zeit rauszubringen, das ist spannend. Weil man auch selbst einen ganz anderen Bezug dazu hat. Wenn man da so eine Unmittelbarkeit zustande bringt, ist es etwas ganz anderes, wie wenn man sich eineinhalb Jahre später da noch einmal in das Gefühl hineinversetzen muss. So ist es lebendiger und direkter.

Wieso habt ihr euch dann entschieden, darauf zu warten, bis ihr ein ganzes Album zusammengesammelt habt?

Moritz Wunderwald: Das ist halt einfach geil, es zu haben. (lacht) Auch genau aus dem Gedanken, dass es eine Sammlung von Lebenserfahrungen ist. Bei “Bleach” ist es genau ein Jahr, und jeder Song spiegelt einen Moment in diesem Jahr wider. Das gesammelt zu haben, ist total schön. Für mich kann man dieses Album ganz gut auf zwei Worte reduzieren, und das wären „Euphorie“ und „Apokalypse“. Dieser Kontrast fasst das gesamte Gefühl vom vergangenen Jahr 2022 gut zusammen.

Dankeschön für das Gespräch!

Katharina Reiffenstuhl

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Live:
Release-Konzert, 8.6.2023, WEST Space

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