Auskennen im Musikbusiness – TEXTA im Mica-Interview

Seit über 30 Jahren prägen TEXTA den österreichischen Hip-Hop. Die Linzer Band, die in den 1990er-Jahren gemeinsam mit Acts wie SCHÖNHEITSFEHLER oder TOTAL CHAOS eine ganze Szene aufbaute, hat nie aufgehört, sich einzumischen – musikalisch wie gesellschaftlich. Im Gespräch mit Dominik Beyer von mica – music austria wird deutlich, wie sehr sich die Spielregeln im Musikgeschäft verändert haben, wie wichtig gemeinschaftliches Denken bleibt und warum Authentizität heutzutage ihrer Meinung nach fast als Nachteil gilt.
Das Format “Auskennen im Musikbusiness” ist eine Kooperation von mica – music austria und der Rockhouse Academy, Salzburg.

Von Authentizität zu Algorithmen

„In den 90ern war Authentizität das entscheidende Element“, sagt die Band. „Grunge aus Seattle, Hip-Hop aus New York – das war echt, roh, direkt.“ Heute, so Texta, zähle das kaum mehr. Erfolg hänge nicht mehr davon ab, ob man etwas Eigenes mache, sondern davon, „wie algorithmusfreundlich“ der Content sei.

Streaming und soziale Medien hätten die Szene demokratisiert, aber auch uniformer gemacht. „Jeder kann Musik veröffentlichen, das ist großartig – aber sichtbar zu werden, ist heute viel schwieriger.“ Früher habe ein DJ oder eine Musikjournalistin entschieden, ob etwas gespielt oder besprochen werde, heute entscheide ein Algorithmus. Für Texta ist das eine ambivalente Entwicklung: „Streaming ist ein notwendiges Übel. Ohne Playlists bist du unsichtbar. Finanziell bringt’s praktisch nichts – ein paar hundert Euro in ein paar Jahren, geteilt durch fünf Leute.“

„Am Ende muss Musik auf die Bühne“

Trotz aller digitalen Veränderungen bleibt die Bühne für Texta der Maßstab. „KI wird sicher vieles verändern“, sagen sie über künstliche Intelligenz und Musikproduktion. „Aber am Ende muss Musik auf die Bühne. Wenn jemand einen KI-Hit hat, den live niemand umsetzen kann, bleibt es ein Produkt – kein Erlebnis.“

Gerade in Zeiten digitaler Schnelllebigkeit setzen Texta auf Beständigkeit: Proben, spielen, auftreten. „Konsequenz ist das Wichtigste“, lautet ihr Rat an junge Musiker:innen. „Man muss dranbleiben, nicht jedem Trend hinterherlaufen. Am Anfang ruhig auch mal gratis spielen – Hauptsache, man ist präsent.“ Wer sich zeige, Kontakte pflege und professionell auftrete, habe nach wie vor Chancen, gehört zu werden.

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DIY mit System

Das Selbstverständnis als Do-it-yourself-Band zieht sich durch Textas gesamte Laufbahn. 1998 gründeten sie ihr Label Tonträger Records – ursprünglich, um eine befreundete Rap-Crew zu unterstützen. „Das war nie als Business gedacht“, erinnert sich die Band, „sondern weil wir etwas zurückgeben wollten.“

Diese Haltung prägte auch das Linzer Umfeld. Im Netzwerk der Kapu, einer legendären Spielstätte alternativer Musik, entwickelte sich eine Szene, in der man sich gegenseitig unterstützte, gemeinsam tourte und Veröffentlichungen stemmte. „Wir waren immer kollektiv unterwegs. Es ging nie nur um uns, sondern um die Szene insgesamt“, sagt die Band.

Dass Musikschaffen heute oft ein einsamer Prozess ist, sehen sie kritisch: „Früher hat man sich getroffen, gemeinsam Musik gemacht, sich gegenseitig gepusht. Heute sitzen viele allein vor dem Laptop. Aber Musik lebt von Begegnung – das darf man nicht vergessen.“

Von Kulturvereinen zu Agenturen

Wie sehr sich das Umfeld verändert hat, zeigt sich besonders beim Booking. Früher, erinnern sich Texta, habe man einfach Kulturvereine angeschrieben, Demos verschickt und gespielt. „Das war unkompliziert. Heute läuft fast alles über Agenturen. Die Clubs sind überfordert, sie bekommen hunderte Anfragen pro Woche. Viele buchen nur noch über Agenturen, die selbst wieder 50 Bands vertreten.“

Dadurch sei vieles an Spontaneität verloren gegangen. „Früher haben Veranstalter:innen aktiv Programme gestaltet – Hip-Hop-Abende, Metal-Abende, was auch immer. Heute warten viele, bis Tourangebote kommen.“

Auskennen im Musikbusiness © Texta
Auskennen im Musikbusiness © Wolfgang Kofler

Trotzdem bleibe auch hier Raum für Eigeninitiative. „Wer dranbleibt und gezielt Veranstalter:innen kontaktiert, hat nach wie vor Chancen.“

Zwischen Hochkultur und ClubsterbeN

Neben künstlerischen Fragen beschäftigt die Band auch die kulturpolitische Lage. „Es hat sich einiges verbessert – etwa durch den Österreichischen Musikfonds oder die SKE“, sagt Texta. „Aber die lokale Förderung ist stark geschrumpft. Viele Städte haben ihre Tonträgerförderungen gestrichen, kleine Clubs am Land kämpfen ums Überleben.“

Ein besonderes Ärgernis bleibt die geringe mediale Sichtbarkeit heimischer Musik. „Wir bräuchten eine Airplay-Quote. FM4 bemüht sich, Ö3 gar nicht. Es ist absurd, wie wenig österreichische Musik im Radio läuft.“ Popkultur habe in Österreich nach wie vor einen schweren Stand. „Wir haben eine großartige Hochkultur, aber Pop wird politisch kaum ernst genommen.“

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„Macht Musik – und bleibt dran“

Trotz aller Kritik ist bei Texta kein Resignieren zu spüren. Eher Erfahrung und Gelassenheit. „Es ist einfacher geworden, Musik zu machen, aber schwieriger, gehört zu werden. Trotzdem gibt es immer Platz für gute Musik – egal, ob aus Linz, Wien oder sonst wo.“

Ihr Rat nach drei Jahrzehnten? „Live spielen, sich vernetzen, dranbleiben. Nicht auf Zahlen starren. Musik ist kein Wettbewerb, sondern ein Miteinander. Wenn man das versteht, bleibt man auch nach 30 Jahren noch dabei.“

Und dann fassen sie alles in einem Satz zusammen, der ebenso als Lebensmotto wie als Bandphilosophie taugt: „Macht Musik – und bleibt dran.“

Dominik Beyer

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