Auf seinem neuen Album vereint er gute Laune mit Texten, bei denen dann doch immer so ein Tränchen im Augenwinkel hängt. DER NINO AUS WIEN weiß, wie man Ironie in die Texte und Musik so einarbeitet, dass sie manchmal erst beim zweiten, dritten Mal zum Vorschein kommen. Im Interview mit Anne-Marie Darok erzählte der Wiener, was hinter der gut gelaunten Fassade lauert, was eine Disco-Depression ist und welcher Social-Media-Kanal ihn nervt.
„[…] in Zukunft werde ich mir aber mehr Zeit lassen.”
Sie sind ja schon seit einiger Zeit im Business unterwegs. Spüren Sie einen größeren Schaffensdruck als in der Anfangszeit oder haben Sie dadurch, dass Sie etabliert sind, größere Freiheiten, so zu arbeiten, wie es Ihnen gefällt?
Der Nino aus Wien: Ich hatte immer viel Freiheit, Problembär Records hat mir immer viel Raum gelassen, um mich auszutoben, und tut es auch heute noch. Mich hat aber auch nie jemand gezwungen, so viele Alben aufzunehmen. Es ist schon alles okay so, ich denke, in Zukunft werde ich mir aber mehr Zeit lassen.
Wie arbeiten Sie eigentlich? Kommen zuerst die Texte, die Musik oder beides gleichzeitig?
Der Nino aus Wien: Im besten Fall beides gleichzeitig. Ohne Gitarre könnte ich solche Texte sicher nicht schreiben, sie wären anders. Es ist eine rhythmische, musikalische, bewegte Arbeit. Nur selten vertone ich Texte oder schreibe zuerst die Musik. Meistens kommt es gleichzeitig, ist aber schwer zu erklären.
„Spazierengehen ist ein ganz wichtiger Teil der Arbeit und unter der Dusche kommen mir die besten Ideen.“
Was inspiriert Sie mehr: alltägliche Geschichten oder besondere Situationen?
Der Nino aus Wien: Alles Mögliche. Von den Beatles über Fernsehen bis hin zu Egon Schiele und Gesprächen. Spazierengehen ist ein ganz wichtiger Teil der Arbeit und unter der Dusche kommen mir die besten Ideen. Viele Sachen verschwinden auch, werden nicht weiterverfolgt. Manchmal ist es auch okay, nur eine Idee zu haben, ohne dass man gleich etwas daraus macht. Allein das Gefühl einer Idee ist manchmal schon genug Freude.
Wie war das eigentlich damals mit Myspace? Warum waren Sie auf der Plattform unterwegs – aus einem Gruppenzwang heraus oder einfach nur aus Interesse?
Der Nino aus Wien: Ich war schon immer überall dabei. Seit uboot.com. Ich bin ein Kind der Internetgeneration. Myspace war eine schöne Zeit.
Heutzutage ist Facebook eigentlich nur eine weitere Werbeplattform – außer man hat Freundinnen und Freunde, die wirklich viel selbst posten. Da kommt schon das Gefühl auf, dass eine kreative Plattform wie Myspace fehlt.
Der Nino aus Wien: Man gewöhnt sich daran, ich trauere Myspace nicht nach. Manches ist nur kurz da, aber umso schöner vielleicht. Facebook ist eigentlich ziemlich nervig, aber das ist halt die Zeit. Wir werden da alle rauskommen und in 30 Jahren über unsere Facebook-Erfahrungen reden wie die alten Hippies über ihre LSD-Erfahrungen.
Sie machen ja Musik, die man als Austropop bezeichnen könnte. Können Sie sich mit dieser Genrebezeichnung identifizieren oder geht es Ihnen auf die Nerven, wenn man Sie auf ein Genre reduzieren möchte?
Der Nino aus Wien: Man kann das gerne Austropop nennen, mir ist es wirklich egal, wie man das nennt.
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Die Lieder auf Ihrem neuen Album „Wach“ erzeugen ein fast kitschiges Gute-Laune-Feeling. Hatten Sie auch durchwegs gute Laune, als Sie am Album arbeiteten?
Der Nino aus Wien: Das habe ich noch nie gehört, dass das Album ein kitschiges Gute-Laune-Feeling erzeugt. Finde ich aber schön, wenn das so empfunden wird. Nein, ich hatte nicht durchwegs gute Laune, es war vielmehr ein düsterer Kampf um Worte und Akkorde.
Für mich sticht besonders der Song „Tränen machen wach“ raus. Erzählen Sie doch ein bisschen, wie dieser Song entstanden ist.
Der Nino aus Wien: Das war eines der wenigen Lieder, wo zuerst der Text da war. Ich wusste auch nicht, wohin das musikalisch führen kann und soll, ich hatte nur die Akkorde und die Gesangsmelodie. Bei unserem Bandausflug nach La Spezia in Italien haben wir das Lied dann gespielt, und plötzlich wurde es zum Disco-Depressions-Lied. Es hätte auch ganz anders kommen können, aber so passt es, glaube ich, ganz gut. Die Band war anscheinend in einer coolen Disco-Stimmung. Das Lied selbst ist sicher nicht mein Lieblingslied, aber es ist okay.
Auch die orientalischen Klänge beim Song „Zeit zum Werden“ sind sehr interessant. Was für Musik hören Sie eigentlich privat am liebsten?
Der Nino aus Wien: Wir wollten einfach ein eigenes kleines „Tomorrow Never Knows“ von den Beatles aufnehmen. „Zeit zum Werden“ haben wir im Studio geschrieben und der Kauf meiner indischen Sitar hat sich allein dafür voll ausgezahlt. Paul [Schreier; Anm.] – mein Bassist – ist ein unglaubliches Sitar-Naturtalent. Privat höre ich verschiedene Sachen, von albanischer Volksmusik bis zu Electric Light Orchestra. Am allerliebsten höre ich aber ruhige Liebeslieder.
„Ich selbst bin hoffentlich kein Vorbild für irgendjemanden.“
Wie fühlt es sich für Sie an, zu wissen, dass Sie etwas kreiert haben, was für andere Menschen eine Vorbildwirkung hat?
Der Nino aus Wien: Es freut mich sehr, wenn mir Leute sagen, dass Lieder von mir sie zu irgendetwas inspiriert haben. Ich freue mich auch sehr, wenn mich Lieder von anderen Leuten inspirieren. Ich selbst bin hoffentlich kein Vorbild für irgendjemanden.
Was sind die wichtigsten Tipps, die Sie einer Band geben können, die in den Startlöchern scharrt?
Der Nino aus Wien: Ich glaube, dass die gute Band schon weiß, was sie zu tun hat.
Welche Tipps hätten Sie selbst gerne erhalten und welche Empfehlungen hätte man Ihnen lieber nicht geben sollen?
Der Nino aus Wien: Sir Tralala [David Hebenstreit; Anm.] hat mir, glaube ich, vor circa zehn Jahren die zwei, drei wichtigsten Tipps zum Business gegeben. Die behalte ich aber für mich. Alle anderen Tipps habe ich irgendwie vergessen oder ich habe nicht so gut zugehört.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Anne-Marie Darok
Der Nino aus Wien live
- 04.05. Milla, München
- 05.05. Saumarkt, Feldkirch
- 19.05. Stereoclub, Kärnten
Links:
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Problembär Records