Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des österreichischen Musikinformationszentrums mica – music austria verfasste Sabine Reiter für das Branchenmagazin „Film, Sound & Media“ einen zweiteiligen Gastbeitrag über 30 Jahre Kulturpolitik. Der erste Teil widmet sich dem Urheberrecht und der digitalen Welt. Der zweite Teil wird die Themen Fair Pay, Sozialversicherung und Steuern behandeln.
Urheberrecht und digitale Welt
Seit 30 Jahren arbeitet das österreichische Musikinformationszentrum für österreichische Musikschaffende und ihr wirtschaftliches Umfeld. Auch Kulturpolitik gehört zum täglichen Brot. Schon unsere Serviceangebote sind per se politisch: Die Vermittlung von berufspraktischem Wissen, das Sichtbarmachen und Unterstützen vor allem auch der musikalischen Genres aus den spannenden Nischen der Musikwelt – all das ist bereits ein kulturpolitisches Statement.
Kulturpolitik im eigentlichen Sinn ist Teil unserer statutengemäßen Mission. mica – music austria setzt sich für die Anliegen der gesamten Musikwelt ein, informiert klar über Schieflagen und übernimmt in Konfliktfällen eine vermittelnde Position.
Im Jahr 1997 ist unter Mitwirkung vieler Expert:innen aus dem Kulturbereich, auch von mica – music austria , eine interessante Veröffentlichung erschienen, die leider bald wieder in Vergessenheit geraten ist: Das „Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik in Österreich“. Fast alle Themen, von denen die Musikwelt auch heute bewegt wird, wurden dort bereits aufgegriffen. Kunst und Kultur wurde als Querschnittsmaterie gesehen, deren Reformanliegen nicht nur den Förderbereich betreffen.
Das Weißbuch setzt einen Schwerpunkt im legistischen Bereich und ortet Handlungsbedarf im Sozialversicherungsbereich, im Steuerbereich und beim Urheberrecht. Folgende Effekte werden von Reformen erwartet: Eine „fundamentale Verbesserung der materiellen und ideellen Voraussetzungen für künstlerische und kulturelle Arbeit“ sowie „ein aktiveres wirtschaftliches Eigenleben der Künstlerinnen, Künstler und Kultureinrichtungen“.
22 Jahre danach wird durch die europäische Urheberrechtsrichtlinie endlich einiges repariert, etwa die Haftung der Anbieter großer Online-Plattformen für urheberrechtlich geschützte Inhalte, auf die im Weißbuch bereits hingewiesen wurde. Der österreichische Gesetzgeber hat weiters folgendes umgesetzt: Einen Zweckübertragungsgrundsatz und Regelungen zu unbekannten Verwertungsarten, das Recht zur anderweitigen Verwertung nach fünfzehn Jahren bei pauschaler Vergütung, den Grundsatz der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung, einen Vertragsanpassungsmechanismus (Bestseller-Paragraph) und Anspruch auf Auskunft.
Besonders wichtig: Die Vereinbarung gemeinsamer Vergütungsregeln durch repräsentative Vereinigungen von Urhebern und Werknutzern entsprechend den Kollektivverträgen. Sie sollen entsprechend der Idee des Kollektivvertrags dafür sorgen, dass der Wettbewerb nicht auf dem Rücken der jeweils verhandlungsschwächeren Partei ausgetragen wird. In Österreich wird es mangels klarer Rechtsgrundlage voraussichtlich nicht dazu kommen – hier besteht dringlicher Handlungsbedarf.
Faire Beteiligungen für Musikschaffende an Erlösen von Streaming-Diensten sind in weiter Ferne. Das Senderecht im Rundfunk ist eindeutig geregelt, hier existiert ein Anspruch der ausübenden Künstler:innen in Höhe von 50% an den Erlösen. Dieser Anspruch sollte laut Initiative Urheberrecht auch für Streaming und Download, also öffentliche Zurverfügungstellung und Vervielfältigung gelten. Die von der Initiative geforderten direkten Vergütungsansprüche, die von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden sollen, sieht die Vereinigung der Kleinlabels und -verlage VTMÖ als auch der Fachverband der Film- und Musikwirtschaft FAMA für den Musikbereich kritisch. Labels hätten über den Indie-Lizenzierungspartner Merlin, der über 20% des Weltmarktanteils vertritt, eine bessere Verhandlungsposition als einzelne nationale Verwertungsgesellschaften. Der VTMÖ sähe hier für Labels lieber eine 50/50-Aufteilung der nach Abzug der Einhebungskosten verbleibenden Einnahmen im Rahmen einer Erwerbsgemeinschaft aus Label und Musiker:innen unter Anrechnung sämtlicher Investitionen und Aufwände von beiden Seiten und empfiehlt seinen Mitgliedern, einen entsprechenden Vertrag abzuschließen.
Der Abrechnungsmodus von Streaming-Diensten wird schon seit einiger Zeit intensiv hinterfragt. Aktuell rechnen die meisten Dienste nach dem sogenannten Pro-Rata-System ab. Hier werden die Gesamteinnahmen über einen bestimmten Zeitraum prozentuell nach Anzahl der Streams aufgeteilt. Beim User Centric Payment hingegen würde die Monatsgebühr eines konkreten Users auf die tatsächlich von diesem User gehörten Streams aufgeteilt. Die Studie zu Payment Option Transparency von PRO MUSIK – Verband freier Musikschaffender zeigt, dass es bei einem sogenannten User Centric Payment-System zu einer Umverteilung gegenüber dem aktuellen Pro-Rata-System kommen könnte. Mehr als ein Viertel der Gesamteinnahmen könnte umverteilt werden: Fast die Hälfte aller Künstlerprofile könnten mit diesem System ihr Einkommen steigern. Da die Streaming-Dienste dies aber nicht umsetzen wollen, scheint es nur folgerichtig, sie anderweitig in die Pflicht zu nehmen: So arbeiten FAMA und VTMÖ aktuell an einer Streaming-Tax nach dem Modell in Frankreich. Die Einnahmen sollen der österreichischen Musikszene zugutekommen.
Bei vielen Themen tritt die Musikbranche geeint auf, etwa betreffend Vergütungsansprüche, die es gegenüber Online-Plattformen bis zu einer Bagatellgrenze von 15 Sekunden geben sollen, wie das auch in anderen Staaten der Fall ist.
Außerdem herrscht auch Übereinstimmung betreffen KI-Anbietern. Diese verwenden urheberrechtlich geschützte Inhalte um die KI zu trainieren, das Ergebnis wird kommerziell verwertet und sollte lizenzpflichtig bzw. vergütungspflichtig sein.
Der Umgang mit KI-generiertem Output hingegen hängt als großes Fragezeichen im Raum, klar ist: KI soll die Kreativbranche nicht schädigen. Wer auch immer die kommende Regierung stellt, wird sich mit diesem für viele Branchen überlebenswichtigen Thema intensiv befassen müssen.
Auch bereits im Weißbuch thematisiert wurde die gemeinsame Forderung der Branche nach der Integration von Musik aus Österreich in einem deutlich erkennbaren Ausmaß auf reichweitenstarken Sendeplätzen. Man darf weiterhin hoffen, dass der ORF das Potenzial der hiesigen Musik besser nutzt als bisher.
Einigkeit macht stark: Auch bei der Forderung der Speichermedienabgabe ist die Musikbranche ebenfalls erfolgreich gemeinsam aufgetreten.
Sabine Reiter
Sabine Reiter ist geschäftsführende Direktorin des österreichischen Musikinformationszentrums mica – music austria.
Teil 1 des Gastbeitrags erschien erstmals in der Ausgabe Film, Sound and Media No3/2024.
Teil 2 folgt im nächsten Heft.