Mit dieser Serie bündelt mica – music austria die Erfahrungen und Sichtweisen von Frauen im Musikbusiness. Warum „100 Prozent“? Weil Gleichstellung zu 100 Prozent anstrebenswert ist… und es immer noch viel zu tun gibt. Die R&B/Soul-Sängerin LYLIT ist bekannt für ihre ausdrucksstarke und kraftvolle Stimme und hat ein Talent für das Schreiben einzigartiger Songs. Sie verbrachte einige Zeit in New York City und tritt nun ausgiebig in Europa auf.
Welche Personen/Institutionen/Förderprogramme haben dir auf deinem Weg im Musikbusiness weitergeholfen?
LYLIT: Ich habe sehr früh Gesang und Klavier an der Bruckneruni studiert und meine dortigen Studienkolleg:innen waren meine wichtigsten musikalischen Begleiter:innen der ersten Zeit. Wir waren ein richtiges Kollektiv an Musiker:innen, die sich gegenseitig unterstützt und in den jeweils anderen Projekten gespielt haben. Das war bereichernd und generell ein guter Start für uns alle, um im Musikbusiness Fuß zu fassen.
Die Förderprogramme in Österreich sind natürlich besonders hervorzuheben – allen voran der SKE und der Musikfonds. Ich wurde vor ein paar Jahren mit dem Jahresstipendium der SKE ausgezeichnet, eine enorme finanzielle Unterstützung und Ehre. Die Förderung dieser und anderer Institutionen bzgl. der Produktion von Alben/EPs/Musikvideos sind für uns Künstler:innen in diesem Land hilfreich und notwendig.
„Da ich schon in sehr jungen Jahren als Musikerin international unterwegs war, hatte ich zwar kein Problem, mich auf den Bühnen zu behaupten, aber das Musikbusiness in Amerika alleine zu stemmen, war schon heftig.“
Wie und wodurch hast du Erfahrung im Musikbusiness gesammelt? Was waren die größten Hürden und wie konntest du sie überwinden?
LYLIT: Meine ersten wirklichen Erfahrungen im Musikbusiness Österreich konnte ich durch den Gewinn des Yamaha Band Contests im Alter von 17 Jahren mit meiner ersten Band sammeln. Das war schon aufregend; plötzlich spielten wir auf Festivals, konnten durch das Preisgeld neues Equipment anschaffen und ein Album aufnehmen, etc. Alles in Eigenregie und miteinander als Band. Da gibt’s viele lustige und gute Erinnerungen. Später wurde ich in NYC vom ehemaligen CEO des Labels MOTOWN (Kedar Massenburg) unter Vertrag genommen. Das war dann natürlich eine komplett neue Größenordnung und für mich eine sehr spannende, aber auch unglaublich fordernde Zeit. Ich kannte niemanden, der je mit einem so erfolgreichen Executive Produzenten zu tun hatte und musste daher alles selber organisieren und rausfinden. Durch einen lieben Freund lernte ich den amerikanischen Anwalt von Outkast kennen und dieser half mir dann, die Details und Klauseln meines Plattenvertrags in NYC auszuverhandeln. Ohne die finanzielle Unterstützung meiner Eltern hätte ich jedoch die Anwaltskosten niemals begleichen können und der Vertrag wäre nicht zustande gekommen. Da ich schon in sehr jungen Jahren als Musikerin international unterwegs war, hatte ich zwar kein Problem, mich auf den Bühnen zu behaupten, aber das Musikbusiness in Amerika alleine zu stemmen, war schon heftig. Der Umgang mit einem so erfolgreichen Produzenten, die Studioaufnahmen in NYC, der komplett anders funktionierende Musikmarkt, plötzlich von iTunes USA explizit als Artist gefördert zu werden, das war alles Neuland für mich. Ein wahnsinniges Geschenk und gleichzeitig ziemlich fordernd. Ich bin heute noch dankbar für die Unterstützung, die ich von meinen Freund:innen, meiner Familie und insbesondere meinem langjährigen musikalischen Partner, Andreas Lettner, in dieser Zeit erfahren durfte.
Hattest du selbst passende Role-Models in deinem Umfeld, an denen du dich orientieren konntest? Welche Role-Models gibt es in Hinblick auf Frauen im Musikbusiness aktuell? Was kannst du selbst weitergeben?
LYLIT: Ich selbst hatte am Beginn leider kein passendes Role-Model in meinem direkten Umfeld und orientierte mich daher eher an den internationalen Musikerinnen, die mich inspirierten. Meine Gesangslehrerin an der Uni, Elfi Aichinger, hat mich jedoch sehr geprägt. Ihre kreative Freiheit und ihre Power haben in mir viel bewegt und meinen Horizont erweitert.
„Wir brauchen viel mehr Künstlerinnen über 50, 60 und 70.“
Welche Rolle spielt das Alter für dich?
LYLIT: Ich habe das Gefühl, dass, je älter ich werde, ich näher zu meinem wirklichen kreativen ICH komme. Dass ich mir manchmal die Energie und Leichtigkeit von früher herbeisehne, ist aber auch ein Fakt. Jedes Alter hat seine Vor- und Nachteile – man kann’s ohnehin nicht ändern und ich freue mich über jede Frau, die unabhängig ihres Alters musikalisch tätig ist. Wir brauchen viel mehr Künstlerinnen über 50, 60 und 70.
Was würdest du dir für eine diversere Musikszene wünschen?
LYLIT: Ich wünsche mir, dass es in der Musikszene mehr um den Inhalt der Kunst als um Äußerlichkeiten geht.
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