JURA SOYFER – Lieder von der Erde und den Menschen

…heißt das aktuelle Album der MusikerInnen Maren Rahman und Rudi Görnet, das, zum 75. Todestag des in Charkow geborenen und, nach der Vertreibung in Wien ansässig gewesenen, jüdischen Wortspielers, Schreibers, Kabarettisten, Dichters und Kritikers seiner Zeit, Jura Soyfer,  von Walther Soyka aufgenommen und vor kurzem veröffentlicht wurde. Jura Soyfer gilt als besonders bedeutender politischer Autor im Österreich der ersten Republik und schrieb als jüdischer Kommunist Zeit seines Lebens gegen politische Verfolgung und kapitalistischen Furor an, weil er wohl die Dinge feinzüngig beim Namen nannte und sehr wortgewandt auf den Punkt zu bringen wusste, Aufrufe gegen die sich ankündigenden Strömungen der Zeit verfasste und sogar noch im ersten KZ, in das er gebracht wurde, das berühmte Dachaulied verfasste. Ironie des Schicksals eines Kabarettisten, der zur „rechten“ Zeit die richtigen Dinge zu sagen wagte, weil sich diese Kunstgattung eben durch die Abwesenheit von Beschönigungen definiert, dass er sein junges Leben im Konzentrationslager Buchenwald lassen musste.

Mit zwei Stimmen, einem Akkordeon und einem Kontrabass kleidet das Duo die bildreichen und oft mehrdeutigen Texte in stimmungsvolle Lieder, die eine bittersüße Sicht auf die Gesellschaft der Zwischenkriegszeit werfem und die Ironie des Menschseins mit all seinen Höhen und Tiefen auf’s Tablett bringt. Gleich dem Motto „Auf uns kommt’s an“, einer der Songtitel, möchten die beiden ihren wichtigen Beitrag leisten dazu, dass die Vergangenheit nicht vergessen wird und, wenn nicht wir, wer dann, gescheiter sein sollten weil wir es nun besser wissen, und aufmerksamer für die Intentionen, die hinter manchen hippen Ansagen stehen. Das Album lädt unmissverständlich zu Selbstreflexion und Gesellschaftsbeleuchtung ein, einfach gesagt zum Nachdenken über den eigenen Tellerrand hinaus. Es kratzt die Verkrustungen des bequemen, oberflächlichen Lebens auf und taucht ab in die Untiefen dessen, wozu wir alles fähig sein können.

Maren Rahmann mit ihrer Stimme, die sehr ausdrucksstark die Worte belebt, ein bisschen an die Dietrich erinnert und auch die des Rudi Görnet, den man u.a. lässig überzeugend  scatten hören kann, entführen einen beim Hören ins Theater und kreiren Bilder von Leuten und Orten im Kopf, die unterschiedliche Stimmungen passend transportieren, von frisch und frech bis bewölkt.  Bei manchen Liedern kommt das Kecke des jüdischen Humors durch, andere sind kompromisslos melancholisch, aber dafür umso wahrhaftiger. Die CD lädt ein in die zauberhafte Welt der kleinen Kunst mit großer Wirkung und man bekommt dennoch die Tragweite der Themen zu spüren, die tw. erschreckend aktuell sind. Weiters wird nicht gegeizt mit stimmlichen und instrumentalen Improvisationselementen, die das akustische Bühnenbild verspielt und ungehemmt vervollständigen. Es ist anzunehmen, dass die Bühnenperformance gleiches verspricht. Es findet sich ein bisschen Jazz, etwas Balkan und natürlich auch Chanson, eine der Stilköniginnen des leidenschaftlichen Singens.

Dieses wunderbare Album mit seinen Textvertonungen aus Theaterstücken und Satiren des Jura Soyfer ist ein gelungenes Stück (Un-)Menschlichkeitsbewältigung in der Gegenwart durch die Vergangenheit und eine feine Sache für alle, die auf die reizvolle Sprache der damaligen Zeit und eine gespürvolle Umrahmung stehen und den musikalischen Serviervorschlag von Maren Rahmann und Rudi Görnet in ihr Musikmenü integrieren möchten.

Termine
20.02.2014 ÖGB-Buchhandlung Wien