„Kunst und Jazz dürfen auch Massen ansprechen“ – CHRISTOPH THOMA (Bregenzer Jazz Festival) im Gespräch

Nach dem erfolgreichen Start des BREGENZER JAZZ FESTIVALS im vergangenen Jahr hat CHRISTPH THOMA, Leiter des Bregenzer Stadtmarketing, seine Visionen eines breitenwirksamen Jazzfestivals, das über die Landesgrenzen hinweg eine Strahlkraft entwickelt, weiter verfolgt. National und international erfolgreiche Bands und Singer- Songwriter finden hier ein Podium im Austausch verschiedener Genres zwischen Pop, Jazz und Weltmusik. Kooperationen und die Vernetzung mit heimischen Kulturinstitutionen werden groß geschrieben. In naher Zukunft soll das Festival mit Partnern aus anderen Bundesländern auf noch breitere Beine gestellt werden. Im Gespräch mit Silvia Thurner berichtet CHRISTPH THOMA über seine Intentionen, die Programmplanung für das diesjährige Jazzfestival, er spricht über sein Selbstverständnis als Veranstalter von Kultur- und Kunstprojekten und die Vision, im Jahr 2024 als europäische Kulturhauptstadt-Region mitmischen zu können.

Sehen Sie das Jazz Festival als Stadtevent, um den Menschen einen guten Ort zur Unterhaltung zu bieten oder stehen die musikalischen Ambitionen im Vordergrund?

Christoph Thoma: Ich fasse hier interessante Projekte ins Auge und schaue auch auf die Auseinandersetzung von heimischen mit nationalen und internationalen Namen. Das „Bregenzer Jazz Festival“ verfolgt klare künstlerische Ziele, es geht um Qualität, keine Beliebigkeit. Es finden sich auch Vorarlberger Bands im Programm, zudem international erfolgreiche Bands, wie auch schon 2014, die mit erfolgreichen Vorarlberger Jazzmusikern zusammenarbeiten wie Café Drechsler mit Christian Eberle, Veronika Morscher, die in Köln lebt, Alex Wolf, der Vorarlberger Wurzeln hat oder das Jazzorchester Vorarlberg, das über Vorarlberg hinaus beachtliche Erfolge feiert.

Größtes Public Festival dieses Genres in Westösterreich

Hat Sie das große Potential, das zahlreiche Vorarlberger Musikerinnen und Musiker im Bereich des Jazz bieten, dazu veranlasst, ein Jazzfestival ins Leben zu rufen oder warum haben Sie sich auf dieses musikalische Genre konzentriert?

Christoph Thoma: Wer meinen Werdegang verfolgt hat, weiß, dass Jazz immer schon Teil meiner Planungen war. Und ja, diese Gelegenheit ein Jazzfestival groß aufzuziehen, hat mich unglaublich gereizt. Und es ist sicherlich das größte Public Festival dieses Genres in Westösterreich. Und ich brenne dafür, Bands wie das Niko Leopold Quartett aus Wien oder Die Strottern & Blech hier in Bregenz zu präsentieren.

Eine Werkstatt für Neues fehlt

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Vorarlberger Jazzlandschaft in den vergangenen Jahren?

Christoph Thoma: Wir müssen wissen, wo wir leben, was die Angebote und die Auftrittsmöglichkeiten sind. Wir haben ein Landeskonservatorium, wo Jazz prominenter im Studienplan verankert werden könnte. Wir haben den Spielboden mit seiner Jazz-Reihe, einzelne kleine Veranstalter, die sehr auf die Vorarlberger Jazzszene fokussiert sind. Mit Rolf Aberer hatten wir einen Pionier, der vieles möglich gemacht hat, bleibt zu hoffen, dass Florian King als sein Nachfolger und Ivo Warentisch als sein Direktor diese visionäre Arbeit in Dornbirn fortsetzen werden.
Was fehlt, ist der Austausch, die Plattform, Neues zu probieren, Neues zu entwickeln, eine Art Werkstatt für Jazz. Ein Großteil der Künstler verlässt das Ländle, auch auf Grund dieser fehlenden Rahmenbedingungen. Ich finde das jedoch prinzipiell nicht schlecht, denn so kommen immer wieder neue Impulse zurück ins Land.

Zu wenig beachtetes Genre

In Bregenz finden auch Singer-Songwriter eine Bühne. Haben Sie die weite Szene dieses Genres in Vorarlberg im Blick und was tut sich diesbezüglich?

Christoph Thoma: Singer-Songwriter kommen meiner Meinung nach zu kurz. Ich bin fasziniert von diesem Genre, da einerseits die Stimme ein faszinierendes Instrument ist und andererseits meist tiefgründige Texte kommen. Und daher freue ich mich besonders auf Veronika Morscher, die das wirklich gut kombiniert. Lassen wir uns überraschen, wie das aufgeht, und ob wir die richtige Bühne dafür sind. Ein bisschen Risiko und Mut darf schon dabei sein.

Kein Freibrief

Mundartrock und -pop hat in Vorarlberg eine große Breitenwirkung, auch durch den Wettbewerb, der jedes Jahr vom ORF ausgetragen wird. Die Siegerband hat nun beim Festival einen Gig. Haben Sie bewusst eine Kooperation angestrebt?

Christoph Thoma: Die Siegerband war 2014 eindeutig, fantastische Bühnenpräsenz, gute Stimme. Das war naheliegend, dass ich spontan am Abend Mockemalör für 2015 eingeladen habe. Aber das ist kein Freibrief für den Sieger 2015, das muss qualitativ einfach stimmen.

Eine Kooperation gibt es auch mit dem vorarlberg museum. Sehen Sie die Programmierung des Jazzfestivals auch als Vernetzung und Bündelung heimischer kreativer Kräfte?

Christoph Thoma: Ja, so sehe ich das, so verstehe ich auch Management, Standortmanagement sowie Stadtmarketing. Ich will diesen Weg weiter ausbauen, noch mehr strategische Partner ins Boot holen, auch national. Erste Gespräche für 2016 in diese Richtung laufen bereits.

Zukunftsmusik

Im Programmheft ist zu lesen, dass das Bregenzer Stadtmarketing interdisziplinär arbeitet mit der Conclusio, Impulse auch in Richtung Kunst und Kultur setzen zu wollen, die Grenzen aufbrechen und beiden Seiten eine Chance geben, voneinander zu lernen. Müssen Sie sich rechtfertigen, weil Sie als Leiter des Stadtmarketings auch Kunst und Kultur machen?

Christoph Thoma: Im Gegenteil, ich muss mich für die inhaltliche Arbeit nicht rechtfertigen, ich versuche nur den Menschen zu erklären, was wir tun, was beim Stadtmarketing oft nicht sichtbar ist. Wir fokussieren seit meinem Amtsantritt den Markenkern einer „Kultur- und Festspielstadt“, für die wir beim 9. Kulturmarken Award 2014 in Berlin ausgezeichnet wurden, und das immerhin gegen Städte wie Aachen oder Frankfurt/Oder. Ich werde mit allen Projekten diesen Weg beschreiten, Qualitätskriterien ansetzen, die die Marke transportieren, weg von beliebigen und verniedlichenden Angeboten. Dies lässt auch zu, ernsthaft über ein mögliches Kulturhauptstadtjahr 2024 nachzudenken, Visionen und Strategien für eine gewinnbringende Weiterentwicklung zu diskutieren. Daher: Ja, dort, wo es passt, mache ich auch Kunst- und Kulturprojekte, denn die passen zu Bregenz.

Danke für das Gespräch.

Dieses Interview ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, im Juni 2015 erschienen.

Factbox
Dienstag, 2. Juni – Samstag, 6. Juni, Bregenzer Jazz Festival 2015.
vorarlberg museum, Bühne Kornmarkt und Bühne Nepomuk.

Foto Jazzfestival Bregenz: Udo Mittelberger

Link:
Jazzfestival Bregenz | Veranstaltungen