„Wir probieren, auch bei einer Studioproduktion Momente zu schaffen, die niemals von einem Computer generiert werden können“ – CANDLELIGHT FICUS im Mica-Interview

Im Oktober haben CANDLELIGHT FICUS mit „Music“ ihr zweites Album rausgebracht. Neben dem Titel und den Songs hat sich im Vergleich zum ersten Album vor allem eines geändert: Die Band selbst. Denn nachdem ihr 2022er-Debüt noch hauptsächlich in kleinem Kreis entstanden war, legen CANDLELIGHT FICUS nun 11 Leute vor – mit Schlagzeug, Bass, Saxophon, Hintergrundvocals und allem, was für ein eindrucksvolles Funk-Pop-Erlebnis sonst noch so benötigt wird. Fürs Mica hat sich Katharina Reiffenstuhl mit Lead-Sänger NIKI WALTERSDORFER und Schlagzeuger SIMON BRUGNER über das perfekte Live-Erlebnis, künstliche Intelligenz in der Musikproduktion und ihr Social Media Sideproject unterhalten.

Gibt’s in eurem Besitz wirklich einen Ficus, nach dem die Band benannt wurde?

Simon Brugner: Ja. Es gibt einen ursprünglichen Ficus, den wir damals beim Ikea gekauft haben, als wir die Band gegründet haben. Dann haben wir noch einen Plastik-Ficus gekauft, der immer dabei ist. Aber das Gründungsobjekt ist bei mir in der Wohnung in Graz.

Und es lebt noch?

Simon Brugner: Es lebt und gedeiht. 

Was hat es mit dem Plastik-Ficus auf sich?

Niki Waltersdorfer: Wir haben einmal einen echten bei einem Konzert mitgehabt. Der ist danach dann im Publikum gelandet, herumgereicht worden und war dann ziemlich hin. Dann haben wir gesagt wir kaufen uns einen aus Plastik, dem kann dann weniger passieren, wenn er on the road dabei ist. Das ist der Bühnen-Ficus.

Wird da dann daneben eine Kerze auch aufgestellt?

Niki Waltersdorfer: Nein, das ist leider aus feuerpolizeilichen Gründen verboten. (lacht)

Das Besondere an euch ist, dass es euch als Band in unterschiedlich großen Formationen gibt. Ist weniger manchmal mehr?

Simon Brugner: Wir spielen gerne in jeder Formation, es ist einfach ein bisschen ein unterschiedliches Konzerterlebnis. Jetzt für die Release-Show ist natürlich die große Besetzung am Start. Aber es hat trotzdem auch eine kleine Formation ihre Vorteile, alleine, dass das Reisen und die Organisation leichter ist. Es musikalisch einfach was anderes.

Niki Waltersdorfer: In der großen Besetzung sind es mehr ausgecheckte Arrangements und da muss man ein bisschen mehr proben, dass das cool daherkommt. Bei der kleinen Besetzung kann man mehr improvisieren und nach Gefühl spielen.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Beim ersten Album wart ihr noch zu viert, richtig?

Niki Waltersdorfer: Wir haben teilweise die Leute aus der großen Band dabeigehabt für ein paar einzelne Nummern, aber nicht fürs ganze Album. Jetzt aber wollten wir ein ganzes Album in der großen Besetzung machen und schauen, was da möglich ist. 

„DIE MUSIK AM NEUEN ALBUM HAT EINEN ROHEREN CHARAKTER“

Das Album ist jetzt vor kurzem rausgekommen. Was hat sich dieses Mal im Entstehungsprozess anders angefühlt?

Simon Brugner: Wir haben bei diesem Album bewusst etwas anders gemacht als bei den vorigen Produktionen, weil uns vor allem dieses Live-Spielen in den letzten Jahren sehr geprägt hat. Wir haben einfach gemerkt, dass unsere Musik live relativ gut funktioniert und sehr energetisch ist. Also haben wir uns bewusst dazu entschieden, einen Weg zu gehen, um diese Live-Energie dieser Funkmusik bestmöglich einzufangen. Deswegen haben wir für dieses Album, was jetzt rausgekommen ist, instrumental alle Songs gemeinsam in einen Raum aufgenommen. Nicht so, wie man es bei modernen Produktionen jetzt oft macht, dass zuerst Schlagzeug, dann Bass, dann Gitarre und dann Gesang eingespielt werden. Instrumental waren wir da als extended Band im Studioraum und haben alle gleichzeitig gespielt. Das ist natürlich eine Challenge. Aber ich finde, es ist geglückt und man merkt einfach, es klingt anders, die Musik am neuen Album hat einen roheren Charakter.

Wenn gerade das Live-Spielen für euch prägend ist – was macht für euch einen guten Gig aus?

Niki Waltersdorfer: Es kommt auf jeden Fall nicht zwingend auf die Besucherzahl an, das haben wir auch gemerkt. Wir spielen manchmal recht große Konzerte mit Stehplätzen, aber manchmal ist es auch so, dass nur 30 Leute da sind und sitzen. Die Magie von einem Live-Auftritt kommt dann richtig zum Tragen, wenn diese Interaktion zwischen Band und Publikum funktioniert. Wenn man merkt, je länger dieses Konzert dauert, umso mehr wird das Publikum Teil von diesem Ereignis. Wenn diese Connection zum Publikum da ist, dann war es ein guter Gig.

Habt ihr einen persönlichen Liebling auf dem Album?

Niki Waltersdorfer: Mein persönlicher Liebling ist “To the Ground”, weil die Nummer das Album irgendwie vorgegeben hat. Die war eigentlich beim vorigen Album schon fertig, wir haben uns damals dann aber entschieden, die nicht dazuzutun. Die Nummer hat einen neuen Sound, einen neuen Style, deshalb hat dieser Stil dann das Album so vorprogrammiert. Der Simon hat aber eine andere Lieblingsnummer.

Bild Candlelight Ficus (c) Reithofer Media
Candlelight Ficus (c) Reithofer Media

Simon Brugner: Genau. “Great Descent”. Das ist für mich ein sehr simpler Song, vor allem, was Rhythmik betrifft. Aber der erste Takt ist da und ich spüre schon, wie ich mich am Schlagzeug dazu bewege. Da kribbelt schon alles. (lacht) Die Nummer hat einfach einen coolen Grundvibe. 

Ihr habt dem Album einen sehr schlichten Namen gegeben, einfach “Music”. Warum?

Simon Brugner: Ich würde sagen, das Album ist das, was es ist. Es ist “Music”, genau das wollen wir machen, genau das wollen wir den Hörer:innen geben. Dieser kollektive Musiziergedanke ist mehr im Vordergrund als je zuvor. Nix beschreibt für mich diesen Prozess und dieses Album besser, als “Music”.

Niki Waltersdorfer: Wir haben bis jetzt immer einen Songtitel vom Album als Albumtitel gehabt, das wollten wir auch beibehalten. Das war der prägnanteste Titel, der das Album einfach super beschreibt. Vor allem jetzt, wo es mit den Entwicklungen und AI in ein paar Jahren sicher in eine Richtung geht, wo Popmusik voraussichtlich zur Gänze von Computern generiert werden wird, umso mehr braucht es da eine starke Gegenbewegung. Wir probieren, auch bei einer Studioproduktion Momente zu schaffen, die niemals von einem Computer generiert werden können. Das wollten wir einfangen, deshalb passt der Titel ganz gut zum Album.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

„SO EIN KREATIVER BEREICH WIE MUSIK IST RELATIV SCHWER ZU ERSETZEN“

Wie geht’s euch mit dem Gedanken, dass ihr theoretisch in ein paar Jahren ersetzt werden könntet?

Niki Waltersdorfer: Werden wir glaube ich nicht. Ich bin da recht zuversichtlich. Die Welt besteht immer aus Strömungen und Gegenströmungen. Wenn es da so eine starke Entwicklung Richtung AI geben sollte, wird diese andere Seite, wo es um echte Musik mit echten Instrumenten und echten Menschen geht, automatisch auch stärker werden. Da geht dann vielleicht sogar irgendwann der Mainstream wieder hin zu “echterer” Musik.

Simon Brugner: Ja, das glaube ich auch. Natürlich macht man sich Gedanken über sowas, aber so ein kreativer Bereich wie Musik ist relativ schwer zu ersetzen, finde ich. Vor allem, wenn es um solche Dinge wie Live-Konzerte geht. Es lebt so viel von Interaktion zwischen Publikum und Band. Da braucht man einfach echte Leute.

 Man kennt vor allem eure Jingles, bei denen ihr euch zu sechst in eine Küche pfercht und mit diversen Instrumenten bekannte Melodien nachmacht. Wie ist das zum ersten Mal entstanden – ist das ein ganz normaler Samstagabend bei euch?

Niki Waltersdorfer: Zum ersten Mal entstanden ist das auf der Hütte, wo wir uns so einmal im Jahr verkriechen und Lieder schreiben. Wir haben schon TV-Shows im ORF gespielt, wo wir als Jingle-Band aufgetreten sind. Das hat uns eigentlich immer voll gefallen. Deshalb haben wir da dann einfach ein paar Jingles aufgenommen und die auf Social Media gepostet. Das hat cool funktioniert als Social Media – Segment. Wir haben dann irgendwann eine Session gemacht, wo wir wirklich viele Jingles am Stück aufnehmen, damit wir eine Zeit lang was zum Posten haben. Das haben wir jetzt inzwischen schon ein paar Mal gemacht. Wir treffen uns dafür aber nicht so oft, wie man glauben würde – bis jetzt hat es so drei, vier Sessions gegeben. Auf TikTok ist es mit GTA San Andreas ziemlich hochgegangen. 

Bild Candlelight Ficus live
Candlelight Ficus live (c) Reithofer Media

„DIE MEISTEN KLICKS HAT MAN IMMER MIT IRGENDEINEM BLÖDSINN“

“Normalste WG um 3 Uhr nachts” ist unter einem eurer TikToks gestanden. Das trifft den Vibe ganz gut, finde ich.

Simon Brugner: Ja, es wäre auch auf jeden Fall ein sehr schöner Samstagabend, muss man sagen. Die Jingle-Recordings sind echt immer sehr lustig, das ist eine wirklich coole Komponente, die da zur Band dazugekommen ist.

Niki Waltersdorfer: Im Social Media Marketing merkt man halt, Bands und Artists tun sich momentan sehr schwer, mit ihrer Musik und Kunst durchzukommen. Die meisten Klicks hat man immer mit irgendeinem Blödsinn. Nur so Nonsense posten wollten wir aber eben nicht, deshalb haben wir da etwas gefunden, was uns taugt. Das ist unser Social Media Sideproject. 

Niki, du bist Sänger der Band. Schreibst du die Texte oder ist das eine gemeinsame Sache?

Niki Waltersdorfer: Die Texte entstehen meistens im Schreibprozess von mir, aber musikalisch arbeiten wir eigentlich immer gemeinsam. Ich komme oft mit Demoideen, aber es passiert dann musikalisch sehr viel kollektiv. Es ist bei uns selten, dass schon der ganze Text steht, bevor wir zusammenkommen und an der Nummer arbeiten.

Danke euch fürs Gespräch!

Katharina Reiffenstuhl

++++

Live:
14.11.24, Graz, Orpheum (Album Release Show)
16.11.24, Wien, Porgy & Bess (Album Release Show)

++++

Links:
Candlelight Ficus
Candlelight Ficus (Facebook)
Candlelight Ficus (Instagram)